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Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan bei der 51. Sicherheitskonferenz in München.

© dpa

Nachruf auf Kofi Annan: Mit Bildung und Wissen gegen den Hass

Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan ist tot. Der Welt geht damit ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Frieden verloren. Ein Nachruf.

Kofi Annan wiederholte den Satz oft: „Ignoranz und Vorurteile sind die Diener der Propaganda.“ Er war fest überzeugt, dass nur Bildung und Wissen die Menschen davor schützen können, sich von Demagogen, Hetzern und Kriegstreibern verführen zu lassen. Konflikte beizulegen, Streit zu beenden und für Gerechtigkeit zu sorgen, sah der leidenschaftliche Diplomat als die Aufgabe seines Lebens an. Am Samstag ist der ehemalige UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger im Alter von 80 Jahren in Bern gestorben. Er hinterlässt seine Ehefrau, die schwedische Juristin und Künstlerin Nane Lagergren, sowie drei erwachsene Kinder.

Moralische Instanz

Fast ein halbes Jahrhundert stand Kofi Annan im Dienst der Weltgemeinschaft. Er stieg dabei zu einer Ikone auf, zu einer international geachteten moralischen Instanz. Seine ersten diplomatischen Gehversuche unternahm er Anfang der 60er Jahre. Er hatte in Genf ein Studium der Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen und begann 1962, für die Vereinten Nationen zu arbeiten. „Mehr als jemals in der Menschheitsgeschichte teilen wir ein gemeinsames Schicksal. Wir können es nur meistern, wenn wir uns ihm gemeinsam stellen“, sagte er Jahrzehnte später. „Deshalb haben wir die Vereinten Nationen.“

Doch Annan sah auch die vielen Probleme in der UN. Ein halbes Jahr nachdem er am 1. Januar 1997 das Amt des UN-Generalssekretärs antrat, leitete er eine umfassende Reform der Organisation ein. Sein Ziel war, die Vereinten Nationen zu stärken, sie besser zu machen als Friedensbringer und Verteidiger der Menschenrechte. Der Hintergrund war das klägliche Versagen, das die Weltgemeinschaft im Frühjahr 1994 gezeigt hat. Die Regierung in Ruanda stachelte damals ihre Bürger gegen die Minderheit der Tutsi auf. In nur drei Monaten wurden Hunderttausende niedergemetzelt. Der Rest der Welt schloss vor dem Völkermord in Ostafrika die Augen und schwieg.

Annan war damals als „Beigeordneter“ seines Amtsvorgängers Boutros Boutros-Ghali für die Friedensarbeit der Vereinten Nationen zuständig. Dass er den Genozid an den Tutsi nicht verhinderte, sollte ihn sein Leben lang unendlich schmerzen. Als Lehre zog Annan daraus, dass man die Menschen vor den Despoten und ihrer tödlichen Hetze schützen müsse – mit Aufklärung und Bildung. „Nie wieder Ruanda“, wurde zu seiner Devise.

Neues Leben für die Vereinten Nationen

Beharrlich setzte sich Annan als UN-Diplomat für das Ende von Kriegen ein. Er machte sich einen Namen als Vermittler in schwer lösbaren Konflikten. Mitte der 90er Jahre nahm er an den Verhandlungen zum Dayton-Abkommen teil, das den dreijährigen Bürgerkrieg in Bosnien und Herzegowina beendete. Als die USA 2003 in den Irak einmarschierten, griff Annan die Bush-Regierung dafür scharf an. Zwei Jahre zuvor hatte er als höchster Vertreter der UN den Friedensnobelpreis erhalten. Er habe den Vereinten Nationen „neues Leben“ eingehaucht, hieß es in der Begründung der Jury. Auch sein Engagement gegen Aids und Terrorismus würdigte das Nobel-Komitee.

„Er hat sich gefreut, nicht so sehr für sich selbst, sondern für die Organisation, der er vorsteht“, sagte damals Annans Sprecher Fred Eckhard. Es zeigt nicht nur die Bescheidenheit, die Annan so beliebt machte. Seine Freude über den Nobelpreis für die UN zeigt auch, wie sehr ihm die Diplomatie am Herzen lag. Bei der Überwindung von Krisen und Gewalt steckte er all seine Hoffnungen in den Dialog.

„Rassismus kann, wird und muss besiegt werden“, sagte Annan einmal. Er wusste, wovon er sprach. Machte es doch vielen Hoffnung, als mit ihm nach mehr als 50 Jahren der erste Schwarze auf dem Stuhl des UN-Generalsekretärs Platz nahm. Es war ein weiter Weg: Als Annan1938 in der Stadt Kumasi geboren wurde, war sein Heimatland Ghana noch eine britische Kolonie, wo die Weißen mit Gewalt über die Einheimischen herrschten.

Trump arbeitet gegen Annans Lebenswerk

Dass die Welt mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus einen Rückschritt in alte Zeit zu machen droht, dürfte Annan sehr bedrückt haben. „Unter Trumps Führung verliert Amerika all die moralischen und rechtlichen Prinzipien, für die es so viele Jahre stand“, klagte er Anfang des Jahres. Kein Wunder: Arbeitet Trump doch gezielt gegen Annans Lebenswerk – indem er die Zahlungen aus Washington an die UN kürzt und aus dem UN-Menschenrechtsrat austrat.

Umso deutlicher erinnerte Seid Ra'ad al-Hussein, Hochkommissar der UN für Menschenrechte, nun an den verstorbenen Annan. „Kofi war der Inbegriff von Anstand und Würde“, schrieb er auf Twitter: „In einer Welt voller Anführer, die weder das eine noch das andere repräsentieren, ist der Verlust für die Welt umso schmerzlicher.“

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