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Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai Anleihekäufe der EZB moniert.

© picture alliance/dpa

Nach Urteil des Verfassungsgerichts: Bundestag will sich hinter Praxis der Währungshüter stellen

Im Mai hatte ein Urteil des Verfassungsgerichts zur Europäischen Zentralbank großes Aufsehen erregt. Am Donnerstag will der Bundestag die Wogen glätten.

Der Bundestag will sicherstellen, dass sich die Bundesbank auch nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiterhin an Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) beteiligen kann. Für Donnerstag ist die Abstimmung über einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Union, SPD, Grünen und FDP geplant, in dem sich die vier Fraktionen hinter die Praxis der EZB stellen wollen.

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Laut dem Entschließungsantrag, der dem Tagesspiegel vorliegt, bescheinigt der Bundestag der EZB, bei ihren Entscheidungen zu einem billionenschweren Kaufprogramm für Anleihen zwischen 2015 und 2018 (PSPP)  „eine Prüfung der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit der geldpolitischen Maßnahmen vorgenommen“ zu haben.

Die Karlsruher Richter waren im Mai in einem Aufsehen erregenden Urteil zu dem Schluss gekommen, dass das PSPP-Programm, mit dem die EZB im großen Stil Anleihen von Euro-Staaten kaufte, teilweise nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Verfassungsgericht monierte, dass die Zentralbank angesichts der Auswirkungen auf Immobilienkäufer oder Sparer die „Verhältnismäßigkeit“ des Anleiheprogramms hätte prüfen müssen.

Zudem wurden die Bundesregierung und der Bundestag von den Karlsruher Richtern aufgefordert, bei der EZB auf die Vorlage einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hinzuwirken. Für die Vorlage der Prüfung setzte das Gericht eine Frist von drei Monaten. Wäre diese Frist ergebnislos verstrichen, hätte sich die Bundesbank künftig nicht mehr an Anleihekäufen der EZB beteiligen können.

Bundesbank übermittelte EZB-Unterlagen nach Berlin

Vor der bevorstehenden Abstimmung im Bundestag war ein kompliziertes Verfahren in Gang gekommen, bei dem das Parlament sowohl die Unabhängigkeit der EZB als auch des Bundesverfassungsgerichts zu wahren hatte. Also war es die Bundesbank, die Unterlagen der EZB an das Finanzministerium weiterleitete. Aus den Unterlagen geht hervor, dass sich die Zentralbank wiederholt mit der Frage der Verhältnismäßigkeit bei den Anleihekäufen beschäftigt hat.

Nachdem die Dokumente in seinem Haus geprüft worden waren, teilte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) am vergangenen Freitag schriftlich mit, dass die von der EZB vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung die vom Verfassungsgericht verlangte Abwägung „nachvollziehbar“ darlege. Mit dieser Einschätzung des Finanzministeriums war auch der Weg frei für eine Abstimmung des Bundestages während der laufenden letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause.

Protokoll des EZB-Rats: Positive Auswirkungen der Wertpapierankäufe überwiegen

Zu den Dokumenten, die die Bundesbank nach Berlin übermittelte, gehört auch ein Protokoll der Sitzung des EZB-Rats vom 3. und 4. Juni, bei der sich das Gremium auch ausführlich mit dem PSPP-Programm befasste. Das Programm sei von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, „die für die Realwirtschaft und Inflationsentwicklung relevanten Marktzinsen zu senken“, heißt es in dem Protokoll. Die Auswirkungen der geldpolitischen Maßnahmen der EZB auf die privaten Haushalte seien indes in zahlreichen Studien zu den Folgen der Niedrigzinsen und der Wertpapierankäufe für das Einkommen der Privathaushalte eingehend untersucht worden.

Demnach hätten Nettoschuldner von den niedrigen Zinsen profitiert, während Nettosparer Einbußen beim Zinseinkommen verzeichnet hätten. Dem Protokoll zufolge habe es Einigkeit unter den Sitzungsteilnehmern gegeben, „dass die Vor- und Nachteile der Wertpapierankäufe zwar unterschiedlich gewichtet werden könnten, dass die positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft im Streben nach Preisstabilität die negativen Effekte bislang aber klar übertroffen hätten“.

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Auf diese Bewertung dürften sich die Bundestagsabgeordneten am Donnerstag stützen, wenn sie über den parteiübergreifenden Entschließungsantrag abstimmen wollen. Einen dezenten Hinweis an das Bundesverfassungsgericht, das im Mai erhebliche Zweifel an der Billigung des PSPP-Programms durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg angemeldet hatte, enthält der Text der Entschließung ebenfalls. Die Auslegung und Anwendung des EU-Rechts sei in erster Linie Aufgabe der Richter in Luxemburg, heißt es.

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