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Zeichen der Gewalt. Immer wieder kommt es wie hier in der Nähe von Ramallah zu Gefechten zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften.

© Mohamad Torokman/Reuters

Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung: Tage des Zorns im Nahen Osten

Wütende Palästinenser protestieren gegen Trumps Vorstoß. Droht nun ein großflächiger Aufstand gegen Israel? Das sei nicht ausgemacht, sagt Nahostexperte Stein. Eine Analyse.

Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe. Nach der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, halten die zum Teil gewalttätigen Proteste an. Vor allem im Westjordanland und im Gazastreifen kam es auch am Sonnabend zu Gefechten zwischen aufgebrachten Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften.

An rund 20 Orten habe es Auseinandersetzungen gegeben, teilte Israels Armee mit. Im Westjordanland hätten rund 600 Palästinenser Benzinbomben und Steine auf Soldaten geworfen. Unter anderem in Bethlehem und Tulkarem habe es Kämpfe gegeben. An der Grenze des Gazastreifens hätten rund 450 Palästinenser an acht verschiedenen Punkten Steine auf Soldaten geworfen und brennende Reifen auf Straßen gerollt.

Proteste scheinen sich abzuschwächen

Bislang sind bei den Unruhen vier Palästinenser getötet worden. Hunderte wurden nach Angaben des Rettungsdienstes Roter Halbmond verletzt. Als Reaktion auf Raketenbeschuss aus dem Küstengebiet hatte die israelische Luftwaffe vier Standorte der Hamas angegriffen.

Allerdings fielen die Proteste insgesamt deutlich geringer aus als am Tag zuvor. Am Freitag waren Tausende empörte Menschen dem Aufruf der islamistischen Hamas gefolgt, die als Reaktion auf Trumps Ankündigung „Tage des Zorns“ ausgerufen hatte.

Und wie wird sich die Lage entwickeln? Eskaliert die Gewalt, gerät die Situation außer Kontrolle? Droht womöglich sogar eine neue Intifada, also ein langanhaltender Aufstand gegen die israelische Besatzungsmacht?

Was wird aus der Versöhnung von Fatah und Hamas?

Auch Shimon Stein weiß das nicht vorauszusagen. Aber derzeit sieht der Nahostexperte keine Anzeichen dafür, dass es einen Flächenbrand geben könnte. „Kurzfristig werden die Palästinenser und Muslime in verschiedenen arabischen Länden sicherlich ihren Unmut zum Ausdruck bringen. Aber zumindest in den vergangenen zwei Tagen hat sich die Empörung in Grenzen gehalten. Selbst in Jerusalem ist es nach den Freitagsgebeten zu keinen besonders schweren Ausschreitungen gekommen“, sagte der frühere israelische Botschafter im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Vieles hänge nun auch davon ab, ob die Sicherheitskräfte in den kommenden Tagen weiterhin besonnen agieren. „Ich hoffe, wir haben aus den Unruhen im Sommer am Tempelberg die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.“

Nicht zuletzt kommt es nach Steins Einschätzung darauf an, welche Interessen die palästinensische Führung verfolgt. „Momentan genießt bei der Fatah von Präsident Mahmud Abbas und der radikalislamischen Hamas die angestrebte Versöhnung höchste Priorität.“ Es sei also fraglich ob die beiden Parteien tatsächlich Interesse haben, dem Krieg der Worte Taten folgen zu lassen.

Palästina-Frage treibt arabische Staaten nicht mehr um

Viele arabische Staaten hätten ebenfalls kaum Interesse, den Konflikt zu schüren. „Das Palästina-Problem spielt schon lange keine vorrangige Rolle mehr. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ sowie der Krieg in Syrien.“

Stein kann ohnehin nicht ganz nachvollziehen, warum Trumps Jerusalem-Vorstoß gerade jetzt kommt. Anstatt ausschließlich Bezug auf die heilige Stadt zu nehmen, hätte der Chef des Weißen Hauses ein schlüssiges Konzept zur Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern vorlegen müssen – eingebettet in eine Gesamt-Strategie für den Nahen Osten.

Trump fehlt ein Plan

„Das wäre eine sinnvolle Sache gewesen. Doch das ist nicht passiert, und so ist Trumps Erklärung im Grunde überflüssig. Denn de facto ist (West)-Jerusalem als Israels Hauptstadt längst anerkannt.“ Viele Vertreter ausländischer Regierungen gingen nach West-Jerusalem, wenn sie mit der israelischen Regierung etwas zu bereden haben.“

Trump hatte am Mittwoch mit der jahrzehntelangen Nahostpolitik seines Landes gebrochen und Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt. Er wies zudem das Außenministerium an, sofort mit den Vorbereitungen für den Umzug der US-Botschaft zu beginnen. Die Palästinenser beanspruchen allerdings den Ostteil Jerusalems als Hauptstadt ihres künftigen unabhängigen Staates.

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