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Das Kernkraftwerk Grohnde in der Gemeinde Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont gehört zu knapp 83 Prozent dem Energiekonzern Eon.

© dpa

Nach Terror in Belgien: Wie gut sind deutsche Atomkraftwerke gesichert?

Das Szenario: Terrorangriff auf ein deutsches Atomkraftwerk. Die Sicherheitsvorkehrungen: geheim. Doch die wahre Bedrohung kommt nicht von außen.

Die belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel sind nach den Anschlägen von Brüssel teilweise geräumt worden. Dabei handelte es sich offenbar um Sicherheitsvorkehrungen, um mögliche Pläne von Terroristen zu vereiteln. Auch in Deutschland müssen Atomkraftwerke auf Anschläge vorbereitet sein - doch wie genau, ist geheim.
Der Schutz vor Terror sei zunächst einmal eine Aufgabe des Staates, sagt eine Sprecherin des Energiekonzerns Eon. Doch auch die zivilen Betreiber müssen Vorkehrungen treffen, damit sie eine Genehmigung erhalten. Atomkraftwerke gehörten zu den am besten geschützten Industrieobjekten in Deutschland und verfügten über ein umfassendes Schutzkonzept, sagt die Sprecherin, aber: „Wir bitten um Verständnis, dass wir weitere Sicherungsmaßnahmen mit Blick auf deren Wirksamkeit nicht erläutern können.“ In der Tat sind die genauen Richtlinien als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Einige Details sind jedoch bekannt.

Angriff per Flugzeug gilt als unwahrscheinlich

In einem Gutachten für einen Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig hat die Physikerin Oda Becker verschiedene denkbare Terrorszenarien analysiert. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gehört dazu, dass ein Passagierflugzeug entführt und gezielt ins Reaktorgebäude gestürzt werden könnte. Bekannte Sicherungssysteme sind beispielsweise Vernebelungsanlagen, die bei Gefahr das Kraftwerk in eine undurchsichtige Wolke hüllen und einen direkten Treffer so erschweren. Der Angriff per Flugzeug wird allerdings allgemein als äußerst unwahrscheinlich eingeschätzt.
Denkbar wäre gemäß dem Gutachten auch ein Angriff mit panzerbrechenden Waffen. Gefährlich wird es da weniger für das Kraftwerk selbst, doch die Hülle der in Zwischenlagern aufbewahrten Castor-Behälter würde einem Anschlag wohl nicht standhalten. Die Lenkwaffen hätten heutzutage eine „Durchschlagsleistung von 700 bis 1400 Millimeter in Panzerstahl. Daher durchdringen sie die nur circa 400 Millimeter dicke Behälterwand  ohne Schwierigkeiten“, schreibt Becker. Dies könne zu „erheblichen radioaktiven Freisetzungen führen“. Aber auch Angriffe mit Maschinengewehren oder Minen seien denkbar. Wie darauf im Zweifelsfall reagiert wird, wollen die Energieunternehmen nicht verraten. Der Mitarbeiter eines deutschen AKW berichtet aber, es gebe verschiedene Terrorwarnstufen. Je nach Gefahrensituation würden Wachschutz und Personenkontrollen verstärkt oder Schutzhundestaffeln eingesetzt.

BND, MAD, Verfassungsschutz

Wahrscheinlicher als eine erfolgreiche Attacke von außen ist aber Sabotage. „Bei terroristisch motivierten Taten werden auch Innentäter betrachtet“, heißt es vom Verband der AKW-Betreiber in Deutschland. Das Personal wird also behördlichen Kontrollen unterzogen. Dazu können Akten der Bewerber aus den letzten zehn Jahren vom Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern angefordert werden. Auch Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, des  Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes können in diese sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung einfließen. Und auch die Behörde für Stasi-Unterlagen wird hin und wieder zu Rate gezogen.
Wie genau Deutschlands Atomkraftwerke gesichert werden, dürfen nicht einmal Richter wissen. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag von 2013 hieß es: „Die zuständige Behörde sah sich aus Geheimschutzgründen gehindert, die getroffenen Sicherungsmaßnahmen gegenüber dem Gericht offen zu legen.“ Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Einschätzung.

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