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Der Sänger Gil Ofarim gibt ein Interview.

© dpa/Tobias Hase

Antisemitismus oder Vortäuschung: Der Fall Gil Ofarim ist einfach nicht zu fassen

War es Antisemitismus oder eine Vortäuschung davon? Möglicherweise nichts von allem. Eine Ungewissheit, die man aushalten sollte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In der Leipziger Affäre um den jüdischen Musiker Gil Ofarim gehen die Darstellungen auseinander. Der Sänger und Schauspieler wirft einem Mitarbeiter des „Westin“-Hotels vor, ihn im Zusammenhang mit seinem Glaubenssymbol, einer Halskette, antisemitisch angefeindet zu haben („Pack deinen Stern ein“). Der Mann wirft Ofarim seinerseits Verleumdung vor, worauf dieser mit einer Strafanzeige unter anderem wegen Falschverdächtigung reagierte.

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Veröffentlichte Kamerabilder lassen nicht erkennen, dass Ofarim die Kette getragen hat. Es wird berichtet, es habe wegen einer Computerpanne Stress und Streit gegeben. Das Hotel hat seinen Mitarbeiter nach einer internen Untersuchung entlastet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter. Ofarim beklagt, dass ihm nicht geglaubt werde. Im Netz wird er verspottet.

Eine undurchsichtige Situation, die eine politische Betrachtung erschwert. Zunächst erschien der Vorfall als Beleg für Judenhass, wie er im Dunkeldeutschland der Gegenwart leider fortwährt und sich womöglich verschlimmert. Nun könnte es sich auch um den Schlagabtausch zweier Männer gehandelt haben, die sich auf unterschiedliche Weise im Griff haben; Antisemitismus leider nicht ganz ausgeschlossen. 

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Es muss erstaunen, wie diese Ungewissheiten in den öffentlichen Stellungnahmen mit Verweis auf die Bedeutung der Diskussion um Antisemitismus egalisiert, das Geschehen von seiner Erörterung entkoppelt wird. Denn entweder ist der „Fall Ofarim“ ein Exempel für kritikwürdige Zustände oder er ist es nicht. Bei Zweifeln am Ablauf taugt er weder zum Vorwurf noch zur Entlastung. Dass Ofarim im Netz zur Zielscheibe geworden ist, könnte zudem mit seinem emotionalen Video-Auftritt zu tun haben.

Wer sich in sozialen Netzwerken exponiert, schafft eine spezifische Fallhöhe. Kleinere Abstürze oder auch nur Trittunsicherheiten lösen ebenso spezifische Reaktionen aus, die heftig sein können. Solche sind allerdings regelmäßig auch in Fällen zu beobachten, in denen Antisemitismus keine Rolle spielt.

 Unwahrscheinlich, dass es in Leipziger Hotellobby zu Straftaten kam

Auch die strafrechtliche Bewertung bleibt schwierig. „Antisemitismus“ als solcher ist zutiefst verwerflich, aber kein Straftatbestand. Nach Schilderungen Ofarims ist unwahrscheinlich, dass dieser im „Westin“ in strafbarer Weise beleidigt oder Opfer einer Nötigung oder Volksverhetzung wurde.

Welches Ergebnis das Verfahren hinsichtlich einer Verleumdung oder Falschverdächtigung hat, muss abgewartet werden, wird aber zur Diskussion um Antisemitismus oder seiner Bekämpfung wenig beitragen können. Der „Fall Ofarim“ ist bisher einfach nicht zu fassen.

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