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Demonstrant mit der Flagge Chiles in Santiago

© Reuters/Pablo Sanhueza

Nach sozialen Unruhen und Protesten: Chilenen dürfen über neue Verfassung abstimmen

Seit Wochen fordern Demonstranten in Chile soziale Reformen und eine neue Verfassung. Die aktuelle stammt aus der Pinochet-Diktatur. Nun hat der Protest Erfolg.

Nach wochenlangen Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen haben sich die Regierung und die Opposition in Chile auf den Weg zu einer neuen Verfassung geeinigt. Die Präsidenten der verschiedenen Parteien unterzeichneten am frühen Freitagmorgen (Ortszeit) ein entsprechendes Abkommen.

Die Chilenen sollen im April kommenden Jahres in einer Volksabstimmung darüber abstimmen, ob sie eine neue Verfassung wollen, wie die Vertreter der konservativen Regierungskoalition und der Opposition in der Hauptstadt Santiago de Chile mitteilten. Wenn der neue Text ausgearbeitet ist, sollen die Bürger in einem weiteren Referendum darüber abstimmen.

„Wir wollen einen friedlichen und konstruktiven Weg aus der Krise“, sagte Senatspräsident Jaime Quintana. „Wir werden erstmals eine 100-prozentig demokratische Verfassung haben.“

Chiles Verfassung von 1980 stammt noch aus Zeiten der Diktatur von General Augusto Pinochet. Trotz mehrfacher Reformen gibt es nach wie vor Kritik an ihrem autoritären Ursprung, der starken Bündelung von Machtbefugnissen bei der Zentralregierung und begrenzten Einflussmöglichkeiten der Bürger. In einer Umfrage hatten sich zuletzt 78 Prozent der Chilenen für eine neue Verfassung ausgesprochen.

Das südamerikanische Land wird seit Wochen von heftigen Protesten und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei erschüttert. Rund 20 Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben, über 2000 Menschen wurden verletzt, zahlreiche Geschäfte wurden geplündert und mehrere Gebäude in Brand gesteckt.

Chile sagte wegen der Proteste Weltklimagipfel ab

Angesichts der sozialen Unruhen sagte der chilenische Präsident Sebastián Piñera den Asien-Pazifik-Gipfel und die Weltklimakonferenz in Santiago ab. Dabei galt Chile in der Unruheregion Südamerika lange als Hort der Stabilität. Allerdings gibt es im reichsten Land der Region hohe Einkommensunterschiede. Darüber hinaus sind vor allem Bildung und Gesundheitsversorgung sehr teuer.

Die heftigen Proteste entzündeten sich letztendlich an einer relativ bescheidenden Erhöhung der Metro-Preise. Viele der Demonstranten forderten bald aber mehr: eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschaftsmodell und eine grundlegende Reform der Verfassung.

Die Unruhen, bei denen es zu schweren Sachbeschädigungen und zahlreichen Plünderungen kam, haben auch negative Auswirkungen auf die chilenische Wirtschaft. Die Regierung senkte ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 2,6 auf 2,0 Prozent.

Am Donnerstag rutschte der Kurs des Peso im Handel mit dem US-Dollar auf ein Rekordtief. Zeitweise wurden für einen Dollar mehr als 808 Peso gezahlt und damit so viel wie nie zuvor. Auch eine milliardenschwere Geldspritze der Notenbank für das Finanzsystem des Landes konnte die Talfahrt der Währung vorerst nicht stoppen. Seit Beginn des Monats hat Chiles Währung etwa acht Prozent an Wert verloren. (dpa)

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