zum Hauptinhalt
Brüskierung in Ankara. EU-Kommissionschefin von der Leyen fand keinen Platz auf einem Sessel.

© AFP

Nach „Sofagate“-Vorfall in Ankara: Jetzt streiten sich von der Leyen und Michel

Der türkische Präsident Erdogan ließ die EU-Spitze dumm dastehen. Nicht nur das: Der Streit um „SofaGate“ geht nun in Brüssel weiter.

Europa auf der Couch – so könnte man die Situation beschreiben, die nach dem Besuch der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und des EU-Ratspräsidenten Charles Michel nach ihrem gemeinsamen Besuch in Ankara entstanden ist.

Der Ankara-Besuch als Brüsseler Dauerthema

Der Belgier Michel setzte sich bei der Visite in der vergangenen Woche auf einen Sessel an der Seite von Recep Tayyip Erdogan, nachdem ihm der türkische Präsident dort einen Platz angeboten hatte – nicht aber der Kommissionschefin von der Leyen. Sie musste auf einem weiter entfernten Sofa Platz nehmen. Seither vergeht beim mittäglichen Brüsseler Pressebriefing kein Tag, ohne dass es Fragen zu der Protokollpanne gibt, die den Namen „SofaGate“ trägt.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Erdogan dürfte sich ins Fäustchen lachen angesichts der europäischen Selbstbefragung, die seit dem Besuch in der vergangenen Woche eingesetzt hat. Michel bekannte sogar gegenüber dem „Handelsblatt“, er schlafe seit der Visite in Ankara schlecht, „weil sich die Szenen in meinem Kopf immer wieder abspielen“.

An der Brüsseler Diskussion über die Ursachen der Protokollpanne ändert auch die Tatsache nichts, dass der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune am Wochenende forderte, die „Kirche im Dorf zu lassen“. Die Brüskierung von der Leyens in Ankara gehe letztlich nicht auf einen Fehler des Protokolls auf EU-Seite zurück, sondern auf eine „Falle“ auf türkischer Seite. „Es ist ein Affront seitens der Türkei“, sagte Beaune in einem Interview.

Dass Erdogan überhaupt seinen Sessel-Coup landen und damit die EU dumm dastehen lassen konnte, liegt daran, dass mit von der Leyen und Michel gleich zwei Brüsseler Spitzenleute am Dienstag der vergangenen Woche das Gespräch mit ihm suchten.

Michel spricht im Kommissionsgebäude mit von der Leyen

Und das Verhältnis zwischen den beiden Institutionen, die Michel und von der Leyen vertreten, ist keineswegs reibungsfrei. Um „SofaGate“ noch einmal aufzuarbeiten und Lehren für die Zukunft zu ziehen, fand am späten Montagnachmittag im Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission, ein fast zweistündiges Gespräch zwischen von der Leyen und Michel statt.

Damit man die Diskussion zwischen den beiden versteht, muss man sich die Kompetenzen von der Leyens und Michels näher ansehen. Die Kommission verfügt in der EU-Gesetzgebung über das Initiativrecht. Der Rat der Staats- und Regierungschefs, deren Gipfeltreffen Michel vorbereitet, gibt wiederum die Leitlinien in der EU-Politik vor. So beauftragten die Staats- und Regierungschefs beispielsweise Anfang des Jahres die EU-Kommission, einen Vorschlag für ein Corona-Impfzertifikat auszuarbeiten, welches grenzüberschreitende Urlaubsreisen in diesem Sommer erleichtern soll.

[Wir müssen deutlich unter 100.000 Toten bleiben“. Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Karl Lauterbach. T+]

Wie die EU-Kommission mit von der Leyen an der Spitze und der von Michel geleitete Rat der Staats- und Regierungschefs im Binnenverhältnis zueinander stehen, ist nun seit Tagen Gegenstand von Diskussionen in Brüssel. Laut den EU-Verträgen ist Michel befugt, bei Besuchen wie in Ankara die Außenvertretung der EU wahrzunehmen. Demnach wäre es also durchaus korrekt gewesen, ihn als Höherrangigen im Brüsseler Gefüge direkt neben Erdogan zu platzieren.

Dagegen pocht die EU-Kommission darauf, dass von der Leyen und Michel denselben protokollarischen Rang haben. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte vor dem Treffen zwischen von der Leyen und Michel einen Vertreter des Rats der Staats- und Regierungschefs mit den Worten, dass die Kommission den Affront von Ankara zum Anlass nehmen wolle, „um den Europäischen Rat zu schwächen“.

Streit um den protokollarischen Rang

EU-Kommissionssprecher Eric Mamer betonte hingegen: „Wir verlangen nicht mehr als das, was in den Verträgen steht.“ Nach der Darstellung der EU-Kommission müsse ein „Modus vivendi“ zwischen den beiden EU-Institutionen gefunden werden, um künftig einen Eklat wie in Ankara zu vermeiden.

Eines ist jedenfalls klar: Das letzte „SofaGate“-Kapitel ist zumindest in Brüssel noch nicht geschrieben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false