zum Hauptinhalt
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

© Kay Nietfeld/dpa

Nach Söders Vorstoß: Koalition streitet über Steuer- und Finanzpolitik

Die Konjunktur schwächelt, bei den Steuereinnahmen wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Union und SPD sind über Lösungen uneins.

In der schwarz-roten Koalition verschärft sich drei Wochen vor der Europawahl der Streit über den Kurs in der Steuer- und Finanzpolitik. Die SPD lehnt zunehmende Forderungen aus der Union nach umfangreichen Entlastungen für die Wirtschaft ab. CSU-Chef Markus Söder hatte ein Konzept für milliardenschwere Steuersenkungen angekündigt.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, kritisierte: „Markus Söder fordert Steuergeschenke für die Spitzenverdiener und Entlastungen für Unternehmen, die gute Gewinne machen. Wie das finanziert werden soll, sagt er nicht. Das ist keine verantwortungsvolle Politik.“ Die SPD werde auch zukünftig die Prioritäten im Haushalt auf Investitionen in Bildung, Infrastruktur und sozialen Zusammenhalt setzen, sagte Schneider der Deutschen Presse-Agentur.

Der für Finanzen zuständige SPD-Bundestagsfraktionsvize Achim Post: „Der Schlüssel zu Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes sind nicht milliardenschwere Steuergeschenke für Unternehmen, sondern mutige Investitionen in Bildung, Innovation und gleichwertige Lebensverhältnisse.“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte angesichts der sich eintrübenden Konjunktur einen Prioritätenwechsel. „Wenn die Steuerschätzung niedriger ausfällt als zunächst angenommen, muss das für die große Koalition Anlass sein, die Prioritäten neu zu setzen“, sagte Ziemiak der „Rheinischen Post“. „Wir müssen neu bestimmen, wofür Geld ausgegeben werden kann und muss, und wir müssen vor allem darüber reden, wie künftig Geld erwirtschaftet werden kann.“

Dazu werde die CDU bei ihrer Klausurtagung am 2. und 3. Juni Vorschläge machen. Ziemiak nannte einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags, die Einführung eines digitalen Unternehmenskontos, die steuerliche Forschungsförderung sowie die Befreiung von Gründern von unnötiger Bürokratie.

Ergebnisse der Steuerschätzung am Donnerstag

Die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung werden am kommenden Donnerstag bekannt gegeben. Erwartet wird angesichts der schwächeren Konjunktur, dass die Steuereinnahmen in der Prognose in den kommenden Jahren nicht mehr so stark steigen - oder sogar sinken.

Bayerns Regierungschef Söder hatte konkret etwa eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags gefordert, eine Senkung der Unternehmensteuer um fünf Prozentpunkte und eine Senkung der Stromsteuer für Unternehmen und Bürger. Die CSU werde dazu in Kürze ein umfassendes Konzept vorlegen, kündigte Söder am Freitag in Wien an. Nach jahrelangem steuerpolitischen Stillstand brauche Deutschland endlich „eine wettbewerbsorientierte, eine standortorientierte und eine leistungsorientierte Steuerpolitik“, mahnte Söder.

Das Bundesfinanzministerium hatte sich am Freitag skeptisch zu dem Vorstoß Söders geäußert. Ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte dies zwar nicht direkt kommentieren - bekräftigte aber, das Ministerium werde sich nicht an einem steuerlichen „Absenkungswettlauf nach unten“ beteiligen.
FDP-Chef Christian Lindner reagierte mit Spott. Söder fordere ein großes Paket an Steuersenkungen - „wie in jedem Wahlkampf. Danach passiert dann nur leider: Nichts“, schrieb Lindner am Samstag auf Twitter.

SPD hat Internet-Konzerne im Visier

Scholz hatte auch Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine Absage erteilt. Der CDU-Politiker sprach sich angesichts der schwächeren Konjunktur für strukturelle Entlastungen der Firmen bei Steuern, Abgaben und Bürokratie aus. Die Wirtschaft fordert das seit langem - auch unter Verweis darauf, dass in anderen Ländern die Unternehmensteuern gesenkt worden sind.

SPD-Fraktionsvize Post sagte, statt eines Unterbietungswettbewerbs sei eine gerechte Mindestbesteuerung von Unternehmen in Europa und darüber hinaus notwendig. „Vor allem die Internet-Giganten um Google, Facebook und Co müssen endlich deutlich mehr, anstatt noch weniger Steuern in Europa bezahlen.“ Post sagte weiter: „Um diese Gerechtigkeitsfrage wird es auch bei der Europawahl gehen: treiben wir, so wie es CDU und CSU offenbar wollen, eine gefährliche Abwärtsspirale bei den Unternehmensteuern selbst mit voran oder stemmen wir uns dagegen, indem wir für mehr Steuergerechtigkeit in Europa eintreten.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false