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Problem-Personalie - der Streit um Andrej Holm verschlechtert auch die Aussichten für Rot-Rot-Grün im Bund

© imago/Jens Jeske

Nach Rücktritt von Andrej Holm: Rot-Rot-Grün torpediert Rot-Rot-Grün

Fehlstart in Berlin: Die Krise um Andrej Holm mindert die Chancen für Rot-Rot-Grün im Bund. Ärger in der Linken über eigene Fehler mischt sich mit dem über die SPD.

Von Matthias Meisner

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow beließ es am Wochenende bei einem kritischen Zwischenruf an die Adresse der SPD. Es geht ihm vor allem um Etikette. "Politik auf gleicher Augenhöhe heißt, Personalpolitik nicht per Post, sondern nur in gemeinsamer Verantwortung zu entwickeln!" twitterte der Linken-Regierungschef in Erfurt zur Forderung von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), den stasibelasteten Stadtentwicklungs-Staatssekretär Andrej Holm zu entlassen, also vor dessen Rücktritt.

Darüber hinaus wollte sich Ramelow zur Causa Holm nicht äußern - zu viel Porzellan ist zerschlagen. So, wie eine gut funktionierende rot-rot-grüne Koalition in Berlin aus linker Sicht zum Referenzprojekt für den Bund hätte werden können, ist nun genau das Gegenteil der Fall. Für ein Linksbündnis im Bund sieht es schlechter aus denn je. Rechnerisch ist es den Umfragen zufolge unwahrscheinlich. Die Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel zu einer solchen Regierungskoalition verwirren eher, als dass sie Klarheit schaffen. Und nun zeigt sich in der Bundeshauptstadt am Praxisbeispiel, dass SPD und Linkspartei sich schwer tun, einen vertrauensvollen Umgang zu organisieren. Ob der erzwungene Rücktritt des Staatssekretärs daran etwas ändert, ist offen.

Der Berliner Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich sieht die Verantwortung für die ernsthaften Dissonanzen im Fall Holm sowohl bei der SPD als auch bei der eigenen Partei, weniger bei den Grünen. "Wir haben uns alle nicht mit Ruhm bekleckert", sagt er. "Unser Fehler war, dass wir uns nicht ausreichend mit der Aktenlage befasst haben." Wiederum habe die Art und Weise, wie die SPD und vor allem der Regierende Bürgermeister Müller mit der Sache umgegangen sei, das Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern "massiv beschädigt". In der Konsequenz gilt für ihn, was bereits auf dem Berliner Linken-Landesparteitag weitgehend Konsens war: Alles, was gut läuft, ist Rückenwind auch für Rot-Rot-Grün im Bund. Jetzt aber gilt: "Der Start in Berlin war nicht gut", sagt Liebich. "Das ist nicht schönzureden."

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Führende Bundespolitiker der Linken würden in dieser Situation am liebsten schweigen. Ihre Aussagen über Holm seien "von zeitloser Schönheit", sagte Parteichefin Katja Kipping am Samstag knapp, als sie gemeinsam mit den Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sowie ihrem Ko-Vorsitzenden Bernd Riexinger die Eckpunkte für das Bundestagswahlprogramm vorstellt. Erst kurz zuvor - als die Forderung von Müller nach Entlassung noch nicht publik war - hatte sie im Interview mit der "Berliner Zeitung" erklärt: "Ich habe Andrej Holm auf dem Berliner Landesparteitag selbst erlebt. Sowohl dort wie auch sonst war er in seiner Kritik am Unrecht in der DDR immer sehr klar. Außerdem hat er niemanden ausspioniert, und er steht für einen wirklichen mietenpolitischen Kurswechsel. Deshalb ist er eine großartige Besetzung für das Amt."

Einigen ihrer Genossen erschien eine solche Parteinahme als voreilig. Am Sonntag schob Kipping zwei Sätze nach, in denen sie die Berliner SPD beschuldigt: "Die Aussagen Müllers zu Holm sind eher Ausdruck dafür, dass die Berliner SPD intern zerstritten ist. Ich empfehle der SPD, erst eigene Probleme zu klären." Spitzenkandidatin Wagenknecht ging am Sonntagabend auf das Thema im Newsletter an ihre Anhängerinnen und Anhänger gar nicht ein. Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Tagesspiegel: "Die Causa Holm muss zügig und abschließend geklärt werden. Und zwar innerhalb der Berliner Koalition. Ansonsten mahne ich zur Zurückhaltung mit Ratschlägen." Aber ist die Berliner Koalition mit Holms Rücktritt nun ihre Probleme los?

Berlin ist wichtiger als Thüringen oder Brandenburg

Klar ist: Das Gelingen oder Nicht-Gelingen von Rot-Rot-Grün in Berlin ist für die Linke von strategisch viel höherer Bedeutung als die Koalitionen in Brandenburg und Thüringen. Umso verwunderter sind führende Funktionäre darüber, warum der Streit um die Personalie Holm so eskalieren konnte. "Möglicherweise ist in Berlin in den Beziehungen zwischen SPD, Linken und Grünen ein Schaden entstanden, der nicht wieder gutzumachen ist", sagt die thüringische Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow dem Tagesspiegel. Die Berliner Koalitionspartner hätten sich in Thüringen einiges abgucken können - besonders, was das gemeinsame Regieren "auf Augenhöhe" angehe. Nun laste auf Rot-Rot-Grün eine Hypothek, die vermeidbar gewesen wäre.

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Sachsens Linken-Chef Rico Gebhardt sagt, es zeige sich erneut, dass Rot-Rot-Grün "kein Selbstläufer" sei. Auch er meint unter Hinweis auf die Regierung in Thüringen, die Partner müssten sich "auf Augenhöhe" begegnen. "Das hat die Berliner SPD offenbar noch nicht so ganz verstanden." Gebhardt erklärt, er verstehe nicht, warum 26, 27 Jahre "nach dem unrühmlichen Ende der DDR und damit auch dem unrühmlichen Ende der Stasi diese Debatte so aufgeheizt geführt werden musste".

Bei allen Schuldzuweisungen: Kaum einer in der Partei will nun die rot-rot-grüne Koalition in Berlin scheitern lassen, Holm hin oder her. Die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel kommentierte die Müller-Forderung nach Entlassung am Samstag auf Twitter: "Symbolisch ist das das vorzeitige Ende von #r2g in Berlin. #holmbleibt". Sie vertrat damit eine Einzelmeinung.

Auch Thüringens Staatskanzlei-Chef Benjamin Hoff (Linke), der früher Staatssekretär in der rot-roten Koalition in Berlin war, widerspricht: Nur Rot-Rot-Grün sei die Konstellation, in der Mieten- und Wohnungspolitik im Sinne von Andrej Holm für Berlin gemacht werden könne, sagt er. Er gehe davon aus, dass Holm empfehle, den Koalitionsvertrag umzusetzen und solidarischer Partner bleibe. "Alles andere wäre Geschenk für die Immobilienlobby." Die SPD in Berlin werde es in der Wohnungspolitik noch schwer haben. Auch ohne die Reizfigur Andrej Holm.

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