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Eine junge Frau wird während der Proteste gegen die Inhaftierung des Oppositionsführers Nawalny festgenommen.

© dpa/Alexander Zemlianichenko/AP

Update

Nach Protesten in Russland: Maas fordert sofortige Freilassung von Nawalny-Anhängern

In Russland ist die Polizei am Wochenende brutal gegen Demonstrierende vorgegangen. Bundesaußenminister Heiko Maas spricht von „grundlosen“ Festnahmen.

Bundesaußenminister Heiko Maas hat die sofortige Freilassung der bei den Protesten in Russland festgenommenen Anhänger des Kremlkritikers Alexej Nawalny gefordert. „Auch nach der russischen Verfassung hat in Russland jeder das Recht, seine Meinung zu äußern und zu demonstrieren“, sagte der SPD-Politiker am Montag zu Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel. Das Land habe sich zur Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet. Deshalb erwarte man, dass diejenigen, die friedlich protestiert hätten, unverzüglich wieder freigelassen würden.

Bei den in der Corona-Krise nicht genehmigten Demonstrationen für die Freilassung des vor einer Woche inhaftierten Oppositionsführers Nawalny waren am Samstag nach Angaben von Bürgerrechtlern in mehr als 100 russischen Städten mehr als 3500 Menschen festgenommen worden. Viele von Nawalnys Mitarbeitern waren zudem schon vor den Protesten festgenommen und zu mehrtägigem Arrest verurteilt worden. Nawalny-Vertraute riefen am Montag bereits zu neuen Protesten am Sonntag auf.

Menschenrechtler verurteilten das teils brutale Vorgehen russischer Sicherheitskräfte. „Immer wieder unterdrücken russische Behörden freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest durch Polizeibrutalität, Gewalt und Massenfestnahmen“, heißt es in einer Mitteilung der Organisation Human Rights Watch vom Montag. „Der 23. Januar war keine Ausnahme.“

Zu möglichen Reaktionen der EU auf das Vorgehen der russischen Behörden gegen Nawalny und dessen Anhänger sagte Maas am Montag zunächst nichts. Für eine schnelle und deutliche Reaktion gegen Russland werben vor allem östliche Mitgliedstaaten wie Estland, Litauen und Lettland. Andere sind allerdings zurückhaltender und wollen erst einmal abwarten, ob Nawalny länger in Haft gehalten wird. Eine endgültige Entscheidung über neue Sanktionen wird deswegen noch nicht an diesem Montag erwartet. Das nächste Gerichtsverfahren gegen Nawalny ist für den 2. Februar angesetzt.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte dazu: „Ein freier Nawalny wäre der Start und auch die Gelegenheit für eine neue, für eine bessere Beziehung zwischen der Europäischen Union und Russland.“ Dies würde Russland, Europa und der ganzen Welt gut tun. „Wir würden heute und morgen über Kooperation mit Russland reden anstatt über Sanktionen“, sagte Asselborn.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis schlug vor, ein neues, im vergangenen Jahr geschaffenes EU-Sanktionsinstrument zu nutzen, um den Druck auf die Führung in Moskau zu erhöhen. „Ich denke, dass es eine klare und entschiedene Botschaft braucht“, sagte er. Die EU müsse klarmachen, dass sie Menschenrechtsverletzungen nicht toleriert - egal ob sie in Minsk, Hongkong oder Moskau verübt werden.

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Die neue Regelung ermöglicht es, Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem können gegen Personen auch Einreiseverbote verhängt werden. Bislang konnten Menschenrechtsverletzungen nur im Zusammenhang mit Strafmaßnahmen gegen Staaten oder im Rahmen von speziellen Sanktionsregimen geahndet werden, die die EU zum Beispiel im Kampf gegen Cyberangriffe und den Einsatz von Chemiewaffen geschaffen hat.

Das hat eine Reaktion der EU auf Menschenrechtsverletzungen bislang kompliziert oder unmöglich gemacht - so zum Beispiel im Fall der grausamen Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul.

Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück

Nawalny war am Montag vergangener Woche in Russland zunächst zu 30 Tagen Haft verurteilt worden, weil er gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben soll. Der Oppositionspolitiker hatte sich zuvor zur Rückkehr in seine Heimat entschieden, obwohl er dort im August Opfer eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok geworden war.

Wegen des Anschlags auf Nawalny, der danach in Deutschland behandelt wurde, hatte die EU bereits im vergangenen Jahr auf Grundlage des Chemiewaffen-Sanktionsregimes Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin verhängt. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen. Nawalny selbst sieht ein „Killerkommando“ des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl hinter dem Attentat vom 20. August.

Die russische Regierung wies die Kritik am Vorgehen der Sicherheitskräfte zurück. Vize-Außenminister Sergej Riabkow wandte sich am Montag gegen unterstützende Äußerungen des US-Gesandten John Sullivan für die Proteste, wie die Nachrichtenagentur RIA berichtete. Die Proteste wurden demnach von Riabkow als illegal bezeichnet.

Das russische Außenministerium kritisierte Facebook und andere soziale Medien. Sie seien nicht entschieden genug gegen falsche Beiträge bezüglich der nicht genehmigten Proteste vorgegangen, erklärte das Ministerium laut RIA. Man werde sich dieser Frage weiter annehmen. (dpa)

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