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Ordner mit inkriminiertem T-Shirt auf dem Neonazi-Festival "Schild & Schwert" am vergangenen Wochenende im ostsächsischen Ostritz.

© epd

Nach Neonazi-Festival in Ostritz: Das halbherzige Vorgehen gegen den Thüringer NPD-Chef Thorsten Heise

Nach dem Neonazi-Festival im sächsischen Ostritz wird gegen Thüringens NPD-Chef Heise ermittelt. Doch haben die Behörden alles Notwendige getan?

Von Matthias Meisner

Die Ermittlungsbehörden in Sachsen demonstrierten Entschlossenheit: Ordner auf dem Neonazi-Festival "Schild & Schwert" am Wochenende zu Hitlers Geburtstag in Ostritz hatten T-Shirts mit dem Schriftzug "Arische Bruderschaft" getragen. Abgebildet war darauf das Logo zweier gekreuzter Stielhandgranaten, das fast identisch ist mit dem des berüchtigten "SS-Sonderkommandos Dirlewanger".

Die Justiz sah den Verstoß gegen Paragraph 86a als erfüllt an, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. 19 T-Shirts und zwei Banner wurden noch in Ostritz, wo sich gut 1000 Neonazis versammelt hatten, beschlagnahmt, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Görlitz, Till Neumann, am Dienstag dem Tagesspiegel berichtete. Ein entsprechender Beschluss des Amtsgerichts Görlitz habe vorgelegen.

Für die Beschlagnahme reicht nach den Worten von Neumann der einfache Tatverdacht. Gegen die Träger der T-Shirts - also jeden Ordner - wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Festival selbst aber konnte wie geplant weiterlaufen.

Ob wirklich sofort und mit der gebotenen Dringlichkeit alles getan wurde, um die weitere Verbreitung der Nazi-Propaganda zu verhindern, ist indes fraglich. Denn die Kommunikation zwischen den Behörden in Sachsen und Thüringen funktionierte am Wochenende nur eingeschränkt. Im thüringischen Eichsfeld-Dorf Fretterode hat der Organisator des Ostritzer Festivals seinen Wohnort: Thorsten Heise, NPD-Vorsitzender in Thüringen und führender Aktivist der freien Kameradschaftsszene.

Keine Durchsuchungen in Thüringen

Von Fretterode aus betreibt Heise auch den Online-Shop WB (Witwe Bolte). Er firmiert im Netz als vertretungsberechtigter Geschäftsführer des Versandhandels. Vertrieben werden vom WB-Versand nicht nur die T-Shirts mit dem Aufdruck "Arische Bruderschaft" und dem Logo des SS-Sonderkommandos. Es gibt dort beispielsweise auch Klettaufnäher, Tassen und Schlauchschals mit diesem Motiv und dieser Aufschrift. Zum Angebot gehören auch CDs extrem rechter Bands und rechtsextremistischer Literatur.

Fest steht: Eine Durchsuchung der Wohn- oder Geschäftsräume von Heise in Fretterode fand am Wochenende nicht statt - und auch nicht in den Tagen nach dem Festival, wie die Sprecherin des Thüringer Landeskriminalamts, Tina Büchner, auf Tagesspiegel-Anfrage bestätigte. Sie sagte, es gebe in Thüringen keine neuen Ermittlungen gegen Heise. Büchner verwies nur auf ein früheres Ermittlungsverfahren gegen den NPD-Funktionär aus dem Jahr 2017, bei dem es um rechtsextreme Schriften ging. Fretterode ist ein Nachbardorf von Bornhagen, wo der thüringische AfD-Chef Björn Höcke wohnt. Höcke steht im Verdacht, in von Heise veröffentlichten rechtsextremen Schriften unter Pseudonym die NPD gelobt zu haben.

NPD-Kader Thorsten Heise, Organisator des Neonazi-Festivals "Schild & Schwert" am vergangenen Wochenende in Ostritz.
NPD-Kader Thorsten Heise, Organisator des Neonazi-Festivals "Schild & Schwert" am vergangenen Wochenende in Ostritz.

© Joahn MacDougall/AFP

Der Sprecher der für Fretterode zuständigen Staatsanwaltschaft in Mühlhausen, Ulf Walther, sagte, im Zusammenhang mit der Beschlagnahmung der T-Shirts in Ostritz und den Ermittlungen dazu laufe in Thüringen "keinerlei Verfahren". Es habe auch "keine neuen Durchsuchungen" bei Heise in Fretterode gegeben. "Es gilt das Tatortprinzip", erklärte Walther unter Hinweis auf das Neonazi-Treffen in Sachsen, dies habe Vorrang. Dass die Utensilien mit der Nazi-Symbolik auch von Thüringen aus vertrieben werden, wollte der Sprecher nicht gelten lassen. "Wenn die sächsischen Kollegen konkrete Hinweise haben, dass jemand aus unserem Sprengel Straftaten begangen hat, haben sie die Möglichkeit, das Verfahren nach hierher abzugeben." Heise hatte derweil tagelang Zeit, mögliche Beweismittel gegen ihn und Waren mit Nazi-Symbolik beiseite zu schaffen.

Juristische Konsequenzen für Heise könnte die Beschlagnahmung der T-Shirts allerdings dennoch haben. "Mit der richterlichen Anordnung der Beschlagnahme laufen die Ermittlungen bereits", versicherte die Polizei Sachsen auf Twitter - und nahm dabei direkt Bezug auf Hinweise von Nutzern auf Heise und seinen Online-Versand. Die Chemnitzer "Freie Presse" berichtete unter Berufung auf die Görlitzer Staatsanwaltschaft, das Verfahren müsse zeigen, ob die Beschlagnahme der Shirts ein Verbot der von dem Thüringer Neonazi vertriebenen Modekollektion nach sich zieht. Details dazu wollte der Görlitzer Staatsanwaltschafts-Sprecher Neumann auf Tagesspiegel-Anfrage nicht nennen: "Die Ermittlungen stehen am Anfang und werden fortgeführt", sagte er. "Zu einzelnen Ermittlungsschritten sind Angaben nicht tunlich."

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Die "Freie Presse" zitiert in ihrem Bericht einen internen Vermerk des Landeskriminalamtes Niedersachsen: "Es steht zu vermuten, dass sich Heise durch Gründung ... der von ihm beeinflussten Kameradschaften ... ein gewisses 'organisiertes' festes Abnehmerklientel für seine vom Witwe-Bolte-Versand vertriebenen Utensilien geschaffen hat." Der heutige Thüringer NPD-Chef stammt aus Niedersachsen.

Linken-Politikerin erstattet Anzeige

Die thüringische Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss zeigte sich verärgert über das aus ihrer Sicht zu zögerliche Vorgehen der Ermittlungsbehörden gegen Heise. "Es wird häufiger von Politikern null Toleranz gegen extreme Rechte verlangt. Da, wo man es machen kann, macht man es nicht", sagte sie dem Tagesspiegel. Bei der Kriminalpolizeiinspektion Nordhausen erstattete sie Anzeige gegen Heise wegen der Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und listete dabei alle vom WB-Versand vertriebenen Produkte mit dem Logo der SS-Grenadier-Division auf. Die Verwendung des Waffenschildes mit den zwei gekreuzten Stielhandgranaten sei eine "Verherrlichung des Dritten Reiches", sagte sie. Gebilligt würden so insbesondere "die grausamen Taten der Sturmbrigade Dirlewanger beziehungsweise der aus ihr hervorgegangenen 36. Waffen-Grenadier-Division der SS".

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