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Der Kölner SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich wird kommissarisch die Führung der SPD-Fraktion übernehmen.

© Paul Zinken/dpa

Nach Nahles-Rücktritt: SPD will sich bei Suche nach neuer Spitze Zeit lassen

Andrea Nahles ist nun auch als Fraktionsvorsitzende zurückgetreten. Für die neue Führung der Partei gewinnt die Idee einer Doppelspitze immer mehr Anhänger.

Von Hans Monath

Wenigstens ein Sozialdemokrat kann der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin für Andrea Nahles nach deren Abschied viel Positives abgewinnen. „Ich finde das sehr erfrischend“, sagte Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, am Dienstag am Rande der Fraktionssitzung. Er sehe in seiner Partei „viele tolle Leute, die noch nicht bekannt sind“. Er glaube deshalb an die Chance, „dass wir ein tolles Team hinbekommen“.

Einen Tag nach Nahles‘ Rücktritt vom Parteivorsitz sind noch keine Konturen einer neuen Führung zu erkennen. Die drei Interims-Parteichefs Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel stehen nicht zur Verfügung. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil hat erklärt, er sehe seine Aufgabe in seinem Heimatland. Und Vizekanzler Olaf Scholz ließ wissen, sein Amt lasse ihm keine Zeit für den Parteivorsitz.

Nahles eröffnete am Dienstag auch zum letzten Mal eine Sitzung der SPD-Fraktion, um anschließend ihren Rücktritt als Fraktionschefin zu erklären. In ihren Abschiedsworten rief sie die Abgeordneten zum Zusammenhalt auf, wie Teilnehmer berichteten. Die SPD-Abgeordneten, von denen viele vor dem Rücktritt  ihre Arbeit und Person hart kritisiert hatten, dankte ihr mit anhaltenden Beifall für ihre Arbeit.

Mützenich könnte die Fraktion längere Zeit führen

Nachfolger für eine Übergangszeit wird als dienstältester Vizefraktionschef Rolf Mützenich. Ihn hatte Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider vorgeschlagen. Es dürfe nun kein Zeitdruck für die Wahl eines Dauer-Nachfolgers aufgebaut werden, hieß es in der Fraktion. Deshalb sei es möglich, dass Mützenich für eine längere Zeit die Fraktion führe.

Auch die Partei will sich Zeit lassen bei der Suche nach einer neuen Spitze. Die drei Interims-Parteichefs Dreyer, Schwesig und Schäfer-Gümbel hatten angekündigt, am 24. Juni werde der Parteivorstand für das Verfahren einen Vorschlag unterbreiten. Dann soll auch eine Entscheidung darüber fallen, ob die Partei weiter von einer Einzelperson oder von einer Doppelspitze geführt werden soll und in welcher Weise die Mitglieder an der Auswahl mitwirken sollen.

Die Idee der Doppelspitze gewinnt unterdessen in der Partei immer mehr Anhänger. Dies sei eine wahrscheinliche Variante, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil dem Deutschlandfunk. Auch Außenminister Heiko Maas hatte sich zuvor für dieses Modell ausgesprochen. Auch mehrere Landesverbände hatten es befürwortet.

Generalsekretär Klingbeil warnt vor Schnellschüssen

Klingbeil warnte zugleich vor Schnellschüssen bei Personalentscheidungen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben habe. In den nächsten Wochen werde sich zeigen, wer die Kandidaten für die Parteispitze seien. Der Generalsekretär plädierte zugleich für eine breite Beteiligung der SPD-Mitglieder an der bevorstehenden Auswahl der neuen Parteispitze. Zu möglichen eigenen Ambitionen auf das Amt des Vorsitzenden sagte Klingbeil: „Ich bin Generalsekretär und habe genug zu tun in dieser Partei gerade.“ Auch der Vorsitzende des mitgliederstärksten NRW-Landesverbandes, Sebastian Hartmann, sprach sich für einen Mitgliederentscheid über die neue Parteispitze aus.

Aufgeschlossen für eine Doppelspitze zeigte sich auch Juso-Chef Kevin Kühnert. Auch sein Name wird im Zusammenhang mit der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin von Nahles genannt. Kühnert ließ offen, ob er für den SPD-Vorsitz kandidieren wird. Die Zukunftsthemen der SPD wie Rente, Steuern und Umwelt beschäftigten ihn derzeit ausfüllend, da bleibe keine Zeit, sich über persönliche Ambitionen Gedanken zu machen, sagte er dem RBB-Sender radioeins.

Kühnert verlangte zudem ein Ende persönlicher Angriffe in der SPD. Bei den Beratungen in der Partei nach dem Rücktritt von Andrea Nahles habe es Einigkeit darüber gegeben, dass der „teils destruktive und verletzende Umgang der letzten Wochen“ aufhören müsse, sagte er. „Daran werden wir uns selbst messen.“ Klar sei aber auch, dass nicht jede harte Auseinandersetzung eine Zerstörung der politischen Debattenkultur bedeute.

Die zum linken Parteiflügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis plädierte für ein Ende der großen Koalition. "Jetzt ist es doch eine sehr, sehr ernste Lage, die Partei steht wirklich an einer Klippe", sagt sie im Inforadio vom rbb . "Es täte uns nicht gut, einfach so weiterzumachen."

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