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Anti-Regierungs-Demonstranten marschieren in Havanna in Kuba.

© dpa/Eliana Aponte

Update

Nach Massenprotesten gegen Regierung: Kubas Regierung macht Zugeständnisse an Demonstranten

Reisende dürfen Lebensmittel und Medikamente zollfrei importieren. Bei Massenprotesten sollen 5000 Menschen festgenommen worden sein.

Als Reaktion auf die Proteste in Kuba hat die Regierung des Inselstaats die Regeln für die Einfuhr von Lebensmitteln und Medikamenten gelockert. Reisende dürfen Essen, Medizin und Hygieneprodukte künftig zollfrei nach Kuba mitbringen, wie Ministerpräsident Manuel Marrero am Mittwoch ankündigte. Auch bisher geltende Mengenbegrenzungen fallen demnach weg. Die neuen Regeln treten am Montag in Kraft und gelten zunächst bis Jahresende.

Bislang durften Reisende bis zu zehn Kilogramm Medizin zollfrei nach Kuba einführen. Auch eine begrenzte Menge an Lebensmitteln und Hygieneprodukten durften sie mitführen, hierfür wurden aber Zollabgaben fällig.

Am Sonntag waren im sozialistisch regierten Kuba Tausende Kubaner auf die Straße gegangen. Weitere Proteste gab es am Montag und Dienstag. Die Demonstranten brachten ihren Unmut über die schlimmste Wirtschaftskrise seit 30 Jahren und die damit einhergehende Strom- und Lebensmittelknappheit zum Ausdruck. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie kam es zudem zu einem kritischen Medikamentenmangel in Kuba.

Die Behörden des Karibikstaats gingen nach Aussagen von Aktivisten brutal gegen die Demonstranten vor. Ein 36-jähriger Mann starb am Montag bei einer Demonstration am Stadtrand von Havanna.

Die landesweiten Demonstrationen sind für Kuba extrem ungewöhnlich. Die einzigen erlaubten Versammlungen sind normalerweise Veranstaltungen der regierenden Kommunistischen Partei.

Nach Angaben unabhängiger Journalisten wurden mehr als 5000 Menschen festgenommen. Darunter seien mehr als 120 Aktivisten und Journalisten, berichtete am Mittwoch das Online-Portal 14ymedio, das Angaben aus der Bevölkerung zusammengetragen hatte. Dabei gingen die Sicherheitskräfte teils brutal vor, wie unter anderem in einem Video zu sehen ist, dessen Echtheit die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Mittwoch bestätigte.

Ein Demonstrant wird am 11. Juli in Havanna festgenommen.
Ein Demonstrant wird am 11. Juli in Havanna festgenommen.

© Adalberto Roque/AFP

Dieses zeigt, wie Sicherheitskräfte in der Stadt Cárdenas versuchen, durch den Vordereingang in eine Wohnung einzudringen, während drinnen eine Frau mit einem kleinen Kind im Arm „meine Kinder!“ und „warum macht ihr das?“ schreit. Dann kommt ein Beamter mit erhobener Pistole aus der anderen Richtung in die Wohnung. Ein offenbar später aufgenommener Teil des Videos zeigt eine Blutlache auf dem Boden. Das Online-Portal „CiberCuba“ berichtete, der Ehemann der Frau sei vor seiner Familie angeschossen, geschlagen und mitgenommen worden.

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Staatsmedien berichteten am Dienstag von einem Toten bei einer Demonstration am Montag in Havanna. Der 36-jährige Vorbestrafte habe als Teil einer „organisierten Gruppe antisozialer und krimineller Elemente“ versucht, eine Polizeistation anzugreifen. Zu den Umständen seines Todes gab es keine Angaben.

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Die unabhängige Journalistin Yoani Sánchez sagte am Mittwoch in ihrem Podcast Ventana 14, dass es nach Berichten aus der Bevölkerung im Rahmen der Demonstrationen viel mehr Tote gegeben haben könnte. Medien der Opposition berichteten, die Regierung zwinge junge Männer durch Erpressung dazu, Demonstranten mit Stöcken anzugreifen.

Es fehlt in Kuba an Lebensmitteln und Medikamenten

Es fehlt in Kuba an Lebensmitteln und Medikamenten. Auch stiegen die Zahlen der Corona-Infektionen und -Todesfälle zuletzt deutlich. Der Zugang zum Internet war nach Beginn der Proteste zeitweise blockiert. Es gab seitdem nur vereinzelte Berichte über kleinere neue Demonstrationen.

Der kubanische Regierungschef Manuel Marrero Cruz steht unter Druck.
Der kubanische Regierungschef Manuel Marrero Cruz steht unter Druck.

© Agencia El Universal/Alejandra Leyva/dpa

Korrespondentin von spanischer Zeitung festgenommen

Zu den festgenommenen Journalisten zählt die Korrespondentin Camila Acosta von der spanischen Zeitung „ABC“. Diese wurde am Montag, nachdem sie über die Demonstrationen in Havanna berichtet hatte, festgenommen und befand sich seitdem in Gewahrsam. Nach Informationen der Zeitung soll sie wegen des Vorwurfs, Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates begangen zu haben, vor Gericht kommen.

Zahlreiche kubanische und kubanisch-amerikanische Prominente solidarisierten sich mit den Demonstranten, darunter der Schauspieler Andy Garcia, die Sängerin Gloria Estefan und der Jazz-Pianist Chucho Valdés – letzterer hatte früher noch harte Strafmaßnahmen der Regierung gegen Dissidenten öffentlich verteidigt.

Beim All-Star-Spiel der US-Baseball-Liga MLB am Dienstag in Denver hatten zwei kubanische Spieler Kappen auf, auf die sie #SOSCuba geschrieben hatten. Mit der Kennung wurde auf Twitter ursprünglich über die Gesundheitslage auf der Karibikinsel, inzwischen vor allem über die Proteste geschrieben. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez sagte am Dienstag in einer Pressekonferenz, der Hashtag sei Teil einer von der US-Regierung finanzierten Operation gegen Kuba.

Auf den Kappen der Spieler Aroldis Chapman und Adolis García stand auch „Patria y Vida“ (Vaterland und Leben). Der Spruch wurde oft bei den Demonstrationen gerufen. Es handelt sich um den Titel eines im Februar veröffentlichten Protest-Lieds mehrerer bekannter kubanischer Musiker. Dieser ist eine Anspielung auf einen viel zitierten Ausspruch Fidel Castros: „Patria o Muerte“ (Vaterland oder Tod). (dpa, AFP)

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