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US-Präsident Donald Trump

© Reuters/Kevin Lamarque

Nach Massaker von Parkland: Donald Trumps Schuss in den Ofen

Auf die Debatte um das Waffenrecht hat US-Präsident Donald Trump kaum Einfluss. Konzerne und ihre Kunden hingegen schon. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Und plötzlich soll Donald Trump der Mann sein, der die Blockade mit seinen unkonventionellen Methoden aufbricht und dem das Unmögliche gelingt: die USA vor der allmächtigen Waffenlobby zu retten?

Trump überrumpelt die Republikaner

Für ein paar Stunden schien das Märchen wahr zu werden. Am Mittwoch hatte der Präsident Abgeordnete beider Parteien ins Weiße Haus geladen, um zu beraten, wie sich weitere Schulmassaker verhindern lassen. Vor laufenden Kameras überrumpelte er die Republikaner mit weit reichenden Vorschlägen: Heraufsetzung des Mindestalters für Waffenkäufer von 18 auf 21 Jahre, Verschärfung der Backgroundchecks, präventive Beschlagnahmung der Waffen von psychisch labilen Personen, eventuell gar eine Erneuerung des 2004 ausgelaufenen „Assault Weapon Bans“: des Verbots, vollautomatische Schnellfeuerwaffen an Zivilisten zu verkaufen.

Die Demokraten konnten ihr Glück kaum fassen. So viel Entgegenkommen hatten sie nicht erwartet. Der Mann, dessen Wahlkampf die Lobbyorganisation National Rifle Association (NRA) mit rund 30 Millionen Dollar unterstützt hatte und der auf dem letzten Jahreskongress versprochen hatte „Ich werde euch niemals im Stich lassen“, verhöhnte die NRA nun offen: Die hätten viele Abgeordnete in der Tasche, „mich aber nicht“. Auch Trump durfte zufrieden sein: Er war Hauptthema der Abendnachrichten.

Gegenoffensive der NRA

Am Donnerstagmorgen war der Präsident auf Zwergenformat geschrumpft. Führende Republikaner taten seinen Auftritt als „gute Fernsehshow, aber schlechte Politik“ ab. Nicht ein Abgeordneter gab zu erkennen, dass er sein Abstimmungsverhalten ändern werde. Der herablassende Ton der Konservativen fiel auf. Die unausgeprochene Botschaft: Der Präsident hat hier wenig zu sagen.

Diese Erfahrung hatte bereits Barack Obama gemacht. Der Präsident kann das Waffenrecht nicht direkt ändern. Er kann sein Amt lediglich nutzen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen – in der Hoffnung, langfristig die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. Unzählige Reden nach unzähligen Massakern hat Obama gehalten, hat Tränen vergossen und Elternherzen angesprochen – dies „hätten meine Kinder sein können“.

Obamas Erfolg: Die öffentliche Meinung ist gekippt

Inzwischen gibt es eine stabile Umfragemehrheit für die Verschärfung des Waffenrechts; vor Obama war das nicht so. Im Kongress aber hat das Pro-Waffen-Lager weiter die Kontrolle.

Auch Trump weiß: Das öffentliche Megaphon ist das eigentliche Machtmittel des Amts. Wenn der Präsident spricht, hören die Medien und damit die Nation hin. Doch Trump benutzt dieses Megaphon in der Regel nur zur Selbstdarstellung und nicht, um konsequent für politische Ziele zu werben. Es genügt ihm als Bestätigung seiner Macht, wenn er das Gesprächsthema ist und niemand sonst.

Seit dem Schulmassaker in Florida hat er in einem irrationalen Zickzackkurs alles Mögliche gefordert: Lehrer bewaffnen; die so genannten „Bump stocks“ verbieten, die halbautomatische Waffen zu Schnellfeuerwaffen machen; die „Waffenfreien Zonen“ rund um Schule aufheben; und jetzt plötzlich die harte Wende gegen die NRA.

Ein ganz normales Waffengeschäft in den USA: Schnellfeuerwaffen für 18-Jährige.
Ein ganz normales Waffengeschäft in den USA: Schnellfeuerwaffen für 18-Jährige.

© George Frey/Getty Images/AFP

Große Handelsketten wenden sich von der NRA ab

Der Zeitpunkt des jüngsten Auftritts legt nahe, dass es Trump mal wieder nur darum ging, Trump in den Mittelpunkt zu rücken. Andere hatten plötzlich die Schlagzeilen, erst die Schülerbewegung, die einen Massenprotest in Washington am 24. März plant. Und nun mehrere Großkonzerne, die nicht mehr passiv abwarten, ob der Kongress die Gesetze verändert. Handelsketten wie Dick’s Sporting Goods und Walmart wollen an Bürger unter 21 Jahren keine Waffen mehr verkaufen und Sturmgewehre aus dem Sortiment nehmen. Fluglinien wie Delta und United, Mietwagenfirmen wie Avis und Hertz beenden Rabattprogramme für NRA-Mitglieder. Banken wollen keine Kreditkarten mehr mit der NRA herausgeben.

Ob sie Erfolg haben werden oder nicht, ist eine offene Frage. Die USA haben schon oft gesellschaftliche Bewegungen, die mit viel öffentlicher Sympathie gestartet waren, an den Beharrungskräften des Systems scheitern sehen.

Die große Schüler-Demo steht plötzlich in Frage

Die geplante Massenrally der Schüler in Washington steht in Frage, weil bereits ein anderer Veranstalter die National Mall an dem Tag für sich reserviert hat. Der Streit um das Waffenrecht spaltet die USA. Der Anteil der Haushalte, die Waffen haben, ist zwar gefallen – von rund 47 Prozent in den 1980er Jahren auf 31 Prozent heute. Aber es ist ein Stadt-Land-Gegensatz. In den Kleinstädten und Dörfern, wo annähernd die Hälfte der Gesellschaft lebt, gehören Waffen und Jagd zur Identität. Vermont ist so ein Beispiel, die Heimat des linken Demokraten Bernie Sanders. Der nennt sich einen Sozialisten, hielt aber ein schärferes Waffenrecht für unnötig. Nun denkt der Staat um.

Die NRA wehrt sich mit Hilfe ihrer Verbündeten. Der Landtag von Georgia will Delta die Subventionen für deren Drehkreuz in Atlanta streichen. Zehntausende Bürger drohen Firmen, die die NRA boykottieren, nun ihrerseits mit Boykott. Die Auseinandersetzung ist mitten im Alltag angekommen. Da gehört sie auch hin. Es geht um die Sicherheit der Schulkinder.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

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