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Ein verwundetet ukrainischer Soldat aus dem Azov-Stahlwerk

© Reuters/Alexander Ermochenko

Update

Nach Evakuierung in Mariupol: Russischer Unterhändler fordert Todesstrafe für Asow-Kämpfer

Russland erklärt, 265 ukrainische Soldaten aus dem Asow-Stahlwerk festgenommen zu haben. Ob es einen generellen Gefangenenaustausch gibt, ist plötzlich unklar.

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben seit Montag 265 ukrainische Kämpfer des Azov-Stahlwerk in Mariupol gefangen genommen. „In den vergangenen 24 Stunden haben 265 Kämpfer, darunter 51 Schwerverletzte, ihre Waffen niedergelegt und sich in Gefangenschaft begeben“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Dienstag.

Die Zahlen unterscheiden sich geringfügig von den Angaben aus Kiew. Dort war zuvor die Rede von 264 Gefangenen - unter ihnen 53 Schwerverletzte. Das russische Ministerium veröffentlichte auch ein Video, das die Gefangennahme der Ukrainer, medizinische Behandlung sowie den Abtransport der Verletzten zeigen soll.

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Alle Verletzten seien ins Krankenhaus von Nowoasowsk gebracht worden, sagte Konaschenkow. Nowoasowsk liegt östlich von Mariupol direkt an der Grenze zu Russland auf dem seit 2014 von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet. Zum Aufenthaltsort der übrigen Gefangenen machte er keine Angaben. Sie sollen nach ukrainischen Berichten in die Ortschaft Oleniwka nahe der Frontlinie gefahren sein.

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Die Schwerverletzten würden bald gegen russische Kriegsgefangene ausgetauscht, schrieb die ukrainische Vize-Regierungschefin, Iryna Wereschtschuk, am Dienstag im Nachrichtendienst Telegram. Ob es tatsächlich zu dem von Kiew erhofften Gefangenenaustausch kommen wird, ließ Russlands Militär zunächst offen.

Der Chef des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, sprach sich gegen einen generellen Gefangenenaustausch aus. „Nazi-Verbrecher unterliegen keinem Austausch. Das sind Kriegsverbrecher, und wir müssen alles dafür tun, sie vor Gericht zu bringen“, sagte der Duma-Chef am Dienstag bei einer Plenarsitzung.

Einige der zuletzt noch in Mariupol ausharrenden ukrainischen Kämpfer gehören dem nationalistischen Asow-Regiment an. In Moskau wird Asow immer wieder als Rechtfertigung für den Krieg gegen die Ukraine herangezogen, der unter anderem die angebliche „Entnazifizierung“ des Nachbarlands zum Ziel hat. Die Behauptung, die gesamte ukrainische Armee sei von „Nazis“ dominiert, stufen Experten aber als unhaltbaren Vorwand ein.

Parlamentschef Wolodin betonte, Russland tue alles, um verletzte ukrainische Gefangene medizinisch zu versorgen und sie human zu behandeln. „Aber was die Nazis betrifft, so muss unsere Position fest bleiben, weil dies eins der Ziele der militärischen Spezialoperation ist“, sagte er.

Russischer Unterhändler spricht Soldaten Recht auf Leben ab

Der russische Unterhändler Leonid Slutski sagte am Dienstag sogar, dass die Kämpfer des Asow-Regiments kein Recht auf Leben haben. Russland sollten für diese nationalistischen Kämpfer die Todesstrafe in Erwägung ziehen, sagte Slutski. „Sie verdienen es nicht zu leben angesichts der monströsen Menschenrechtsverbrechen, die sie begangen haben und die sie weiterhin an unseren Gefangenen begehen.“

Die Bemühungen zur Rettung der letzten in Mariupol verbliebenen ukrainischen Soldaten gehen Angaben aus Kiew zufolge weiter. „Wir arbeiten an weiteren Etappen der humanitären Operation“, schrieb die ukrainische Vize-Regierungschefin Wereschtschuk auf Telegram weiter.

„Dank den Verteidigern von Mariupol haben wir kritisch wichtige Zeit für die Formierung von Reserven, eine Kräfteumgruppierung und den Erhalt von Hilfe von unseren Partnern erhalten“, hatte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Montagabend bei Facebook geschrieben.

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Alle Aufgaben zur Verteidigung von Mariupol seien erfüllt worden. Ein Freikämpfen von Azovstal sei nicht möglich gewesen, betonte sie. Das Wichtigste sei jetzt, das Leben der Verteidiger von Mariupol zu schützen. Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor von einer Feuerpause für die Evakuierung gesprochen. Mehrere Hundert Soldaten sollen sich noch im Stahlwerk befinden.

Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte in seiner täglichen Videoansprache, die Ukraine brauche ihre Helden lebend. An der Evakuierung der Soldaten aus dem Stahlwerk seien neben ukrainischen Behörden unter anderem auch das Internationale Rote Kreuz und die Vereinten Nationen beteiligt gewesen.

Die Hafenstadt Mariupol war bereits kurz nach dem russischen Einmarsch im Februar eingekesselt worden. Die strategisch wichtige Großstadt war heftigen Bomben- und Raketenangriffen ausgesetzt. Experten und ukrainische Behörden gehen von Tausenden Toten in der Zivilbevölkerung aus. Die russischen Truppen übernahmen nach der Belagerung schrittweise die Kontrolle. Die letzten ukrainischen Verteidiger der Stadt verschanzten sich jedoch in dem riesigen Stahlwerk mit mehreren unterirdischen Etagen.

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Die russischen Truppen riskierten keinen Erstürmungsversuch, riegelten aber alle Zugänge ab. „Blockiert diese Industriezone so, dass nicht einmal eine Fliege rauskommt“, wies Kremlchef Wladimir Putin sein Militär vor laufender Kamera an. Das Gelände wurde immer wieder bombardiert. Hunderte Zivilisten, die vor vorrückenden russischen Truppen ebenfalls ins Stahlwerk flüchteten, waren bereits in den vergangenen Tagen vom Werksgelände evakuiert worden.

Über den Abzug der zum Teil schwer verletzten Soldaten, die kaum noch Vorräte und Wasser hatten, wurde lange verhandelt. In der Ukraine gab es auch Vorwürfe an die Regierung in Kiew, sie habe die letzten Verteidiger Mariupols im Stich gelassen. Die Behörden betonten immer wieder, man sei nicht in der Lage, die Blockade durch russische Truppen zu lösen. (dpa, Reuters)

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