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Zerstörtes Haus im rheinland-pfälzischen Marienthal

© Thomas Frey/dpa

Nach der Unwetterkatastrophe: Wie eine Versicherungspflicht gegen Naturgefahren funktionieren könnte

Damit Prämien in Hochwassergebieten bezahlbar bleiben, empfehlen Experten eine reine Katastrophen-Absicherung. Ärmere Haushalte könnten entlastet werden.

Nach der Hochwasserkatastrophe in Deutschland wird über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden diskutiert – unter Ökonomen, aber auch im Kreis der Justizminister. Bisher sind in Deutschland nicht einmal die Hälfte der Gebäude gegen Naturgefahren wie Hochwasser oder Überschwemmung versichert; der Anteil liegt nach Angaben des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft bei 46 Prozent.

Klimaforscher prognostizieren, dass Extremwetter wie zuletzt in Westdeutschland zunehmen wird. Starkregen wird demnach nicht nur häufiger, sondern auch intensiver auftreten – potenziell kann es jeden Ort in Deutschland treffen. Doch je nach geographischer Lage können die Schäden sehr unterschiedlich ausfallen. Laut Versicherungswirtschaft befinden sich etwa 1,5 Prozent der Adressen in Deutschland in den höchsten Gefährdungsklassen, in absoluten Zahlen sind das rund 300 000 Gebäude.

Umstritten ist, wie so etwas umgesetzt werden könnte. So warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) davor, dass Versicherungsbeiträge Einzelpersonen und Unternehmen in Hochwassergebieten schnell „total überfordern“ könnten. Man müsse deshalb staatlicherseits überlegen, was man tun könne und etwa über eine Art Umlagesystem nachdenken.

[Alle Informationen zu den Folgen der Unwetter in Deutschland finden Sie in unserem Liveblog zur Flutkatastrophe]

Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen hat einen konkreten Vorschlag für eine Naturgefahren-Absicherung vorgelegt, der eine finanzielle Unterstützung beinhaltet. Die Experten fordern eine verpflichtende Katastrophen-Versicherung für Wohngebäude. Damit Haushalte mit geringerem Einkommen nicht unter „unzumutbaren finanziellen Druck“ gerieten, solle die Einführung unterstützender öffentlicher Leistungen erwogen werden, sagt Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Das Wohngeld sei hierfür ein geeignetes Instrument.

Kein "Rundum-sorglos-Paket"

Der Vorschlag sieht dabei kein „Rundum-sorglos-Paket“ über alle Gefährdungsklassen hinweg vor. Es gehe nicht darum, Immobilieneigentümern einen Versicherungsschutz bereits ab dem ersten Euro Schadenssumme aufzuzwingen. Stattdessen ist eine verpflichtende Absicherung gegen Schäden durch Naturgefahren geplant, die bei Eintritt ein katastrophales Ausmaß annehmen können. Versicherungstechnisch lasse sich das durch einen Selbstbehalt lösen, bis zu dem die Versicherung nicht zu leisten brauche. Dieser könnte, so der Vorschlag, bei etwa einem Zehntel des Gebäudewerts liegen.

In Hochrisikogebieten würde die monatliche Prämie für ein Standard-Einfamilienhaus unter diesen Umständen bei etwa 50 Euro im Monat liegen. In Gebieten mit einem geringeren Schadensrisiko wäre es nach Einschätzung der Autoren für die Versicherungen attraktiver, ein umfassenderes Schutzpaket anzubieten. Die Prämie könnte laut den Berechnungen hier bei fünf Euro im Monat liegen.

Ein Anreiz für mehr Vorsorge

Der Berliner Ökonom Gert Wagner sieht in gestaffelten Prämien einen „Anreiz“ für Hausbesitzer, mehr Vorsorge zu betreiben. „Wer Vorkehrungen trifft und beispielsweise eine Rückschlagklappe einbaut, damit bei einem Überlaufen der Kanalisation Abwasser nicht in den Keller läuft, müsste eine niedrigere Prämie zahlen“, sagt Wagner, der Mitglied im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen ist. Wenn Menschen durch eine Versicherung vor den Folgen des Klimawandels geschützt würden, sei das auch ein wichtiger Beitrag zur Gesellschaftspolitik.

Er sehe drei Bereiche, in denen der Versicherungsschutz verbessert werden müsse: in der Armutsfestigkeit der Rentenversicherung, bei der vollen Absicherung schwerer Pflegefälle in der Pflegeversicherung - und eben bei den Elementarschäden. Es gehe darum, den Sozialstaat zukunftsfest zu machen. „Das darf man nicht nur technokratisch diskutieren, sondern hier geht es auch um grundlegende gesellschaftspolitische Weichenstellungen.“

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