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Spurensicherung am Fahrzeug des Täters.

© Reuters

Nach den Schüssen von Macerata: Fremdenhass im italienischen Wahlkampf

Mit den Schüssen eines Neonazis auf Afrikaner in Macerata wird in Italien Politik gemacht. Opfer werden zu Tätern und der Täter zum Opfer.

Nach den Schüssen eines Neonazis auf acht schwarze Migranten in der Kleinstadt Macerata erlebt Italien eine Welle der Solidarität – mit dem Schützen, nicht mit den Migranten. Die neofaschistische Organisation „Forza Nuova“ erklärte, sie werde die Anwaltskosten übernehmen. In sozialen Medien wurde der 28-jährige Rechtsradikale Traini zum Helden stilisiert. „Das ist der Beginn, sich nicht mehr minderwertig zu fühlen“, schrieb die Gruppe „Faschisten des Dritten Jahrtausends“. Andere riefen unverblümt dazu auf, „den Immigranten ins Gesicht zu schießen“.

Traini hatte am Wochenende in der 42.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Macerata aus dem Auto heraus Jagd auf Dunkelhäutige gemacht; insgesamt gab er aus seine Neun-Millimeter-Pistole 30 Schüsse ab. Nach zwei Stunden fuhr er zu einem Denkmal für gefallene Soldaten, wickelte eine italienische Nationalflagge um die Schultern, reckte die Hand zum Faschistengruß und schrie „Viva l’Italia“. Danach ließ er sich von der Polizei widerstandslos abführen. In seiner Wohnung fanden die Carabinieri ein Exemplar von Hitlers „Mein Kampf“ und andere Nazi-Devotionalien. Der glatt rasierte Täter ist geständig und bereut nichts. Er habe den Tod eines 18-jährigen drogenabhängigen Mädchens rächen wollen, für dessen Tod zunächst ein nigerianischer Flüchtling verantwortlich gemacht worden war.

Ungeahnte Gehässigkeit

Der Versuch, die Opfer zu Tätern und den Täter zum eigentlichen Opfer zu machen, blieb nicht auf die rechtsradikale Szene beschränkt. Zwar verurteilten sowohl Ex-Premier Silvio Berlusconi als auch Lega-Chef Matteo Salvini die Gewalttat. Aber nur, um im gleichen Atemzug die Migranten für die Terrorfahrt Trainis verantwortlich zu machen. Das Rechtsbündnis von Berlusconis Partei Forza Italia, Salvinis Lega und der rechtsnationalen Kleinpartei „Brüder Italiens“ führt in den Umfragen für die Parlamentswahlen. Die Immigration war von Beginn an Wahlkampfthema – das konnte auch nicht anders sein in einem Land, wo seit Schließung der Balkanroute die meisten Bootsflüchtlinge ankommen. Doch die Schießerei in Macerata hat der Diskussion eine bisher ungeahnte Gehässigkeit verliehen. Selbst Trainis Anwalt spricht von einem „alarmierenden Signal“. Er werde in Macerata auf offener Straße angesprochen und aufgefordert, seinem Mandanten die besten Wünsche zu überbringen: „Luca ist nur die Spitze eines Eisbergs – der Hass hat offenbar eine sehr viel größere Basis.“

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