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Zurückgetreten: Außenminister Boris Johnson, Brexit-Minister David Davis.

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Update

Nach den Rücktritten von Johnson und Davis: Brexit-Hardliner eröffnen den Kampf gegen Theresa May

Außenminister Boris Johnson und Unterhändler David Davis gelten als Verfechter eines harten Brexit. Mit ihren Rücktritten zielen sie auf Regierungschefin Theresa May. Nachfolger Johnsons wird Jeremy Hunt.

Zwei Tage lang hielt der Frieden. Die britische Regierungschefin Theresa May hatte am Freitag in ihrem Kabinett einen Kompromiss zum Brexit vermittelt. Er hielt 48 Stunden lang. Am Montag trat Außenminister Boris Johnson zurück. Stunden vorher hatte Brexit-Minister David Davis seinen Abschied eingereicht. Beide gelten als Verfechter eines harten, kompromisslosen Austritt Großbritanniens aus der EU.

Davis habe zuletzt öfter mit seinem Rücktritt gedroht, als er sich mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier getroffen hat, witzelte der Brexit-Beauftragte der oppositionellen Labour-Partei Keir Starmer im Juni. Jetzt haben er und Johnson es aber doch getan und damit faktisch einen Kampf um die Parteiführung der Konservativen eröffnet. Für den Brexit-Hardliner Davis war die am Freitag ausgehandelte Strategie – der sogenannte „Chequers-Kompromiss“ – einfach zu weit entfernt von seinen Vorstellungen eines erfolgreichen Austritts aus der EU. Laut Johnson war dieser Kompromiss lediglich der Versuch, „ein Stück Scheiße zu polieren“.

Mit dem aktuellen taktischen Vorgehen sei es „immer unwahrscheinlicher“, dass Großbritannien aus der Zollunion und dem Binnenmarkt austrete, schrieb Davis in seinem Rücktrittsbrief. Das würde die britische Verhandlungsposition gegenüber der EU schwächen und dem britischen Parlament nur „illusorische Kontrolle“ verleihen. Als „widerwilliger Wehrpflichtiger“ sei er die falsche Person, diese neue Linie umzusetzen.

Das wichtige Wort "Kontrolle"

Nach wie vor dreht sich alles um das Wort „Kontrolle“. Für die überzeugten Brexit-Befürworter, deren wichtigster Slogan während des Referendums „Take Back Control“ war, geht es um Souveränität, ungeachtet aller möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen. Mays Idee, eine Freihandelszone mit der EU anzustreben, sei inakzeptabel, weil die EU-Regularien dann „wie ein Damoklesschwert“ über Großbritannien hängen würden, erklärte Davis im Interview mit der BBC.

Stattdessen pochen Davis und Johnson auf den sogenannten „harten Brexit“ oder „No-Deal-Brexit“, der darauf hinauslaufen würde, ohne jegliches Abkommen aus der EU zu scheiden. Dagegen galt der „Chequers-Kompromiss“ als einzige Möglichkeit, noch rechtzeitig eine Austrittslösung mit der EU erfolgreich zu verhandeln. Diese ist nun die Aufgabe von Dominic Raab, der schon am Montagvormittag zum Nachfolger von David Davis ernannt wurde. Raab ist zwar ein Brexit-Befürworter, gilt aber nicht als Hardliner. Indem sie ihn zum neuen Staatssekretär für Brexit macht, hatte May gehofft, die angespannte Situation zu beruhigen und die Verhandlungen fortzusetzen.

Das ist ganz offensichtlich nicht gelungen. Brexit-Hardliner, die eine Freihandelszone und damit einen „weichen Brexit“ kategorisch ablehnen, fühlten sich schon am Montagvormittag durch Davis' Rücktritt gestärkt. Die Premierministerin müsste nun die gerade erst entschiedene Strategie aufgeben, sagte Jacob Rees-Mogg, der Konservativen-Abgeordnete und Befürworter eines harten Brexits. In der BBC erklärte sein Kollege Andrew Bridgen, dass May „in ernsthafte Schwierigkeiten“ geraten würde, wenn sie beim jetzigen Kurs bliebe.

Um ihren Drohungen tatsächliches Gewicht zu verleihen, brauchten die Hardliner aber den Rücktritt von Kabinettsmitgliedern. Mit Johnson ist nun ein echtes Schwergewicht gegangen. Er gilt als einziger prominenter Brexit-Befürworter, der May im Kampf um die Parteiführung herausfordern könnte. Spätestens seit seinem Rücktritt scheint es sicher, dass die 48 Stimmen von konservativen Abgeordneten zusammenkommen, die für die Einleitung eines Vertrauensvotums über die Parteichefin May nötig sind.

Wenn das kommt – und die Konservativen ihre Differenzen im Ringen um die Parteiführung offen austragen –, dann geht es um alles. Die Alternative lautet: weicher Brexit mit May oder „No-Deal-Brexit“ mit Johnson.

May ernannte am späten Montagabend zunächst einen Nachfolger als Außenminister: Jeremy Hunt, der bisherige Gesundheitsminister. Kit Holden

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