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Auch das ist eine Momentaufnahme der Corona-Demonstration vom Samstag. Und die sieht - anders als die Bilder vom Reichstag - sehr erträglich aus.

© Bernd Von Jutrczenka/dpa

Nach den Corona-Demonstrationen: Wie kann man richtig dagegen sein?

Wer gegen Maskenpflicht & Co. ist, steht schnell zusammen mit Reichsbürgern und Rechten auf der falschen Seite. Das erinnert durchaus an Pegida. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Was am Ende die Nachrichten beherrscht, sind die Bilder von den Treppen am Reichstagsgebäude, auf denen anfangs nur drei Polizisten eine Gruppe der sogenannten „Reichsbürger“ davon abhalten, in den Sitz des deutschen Parlaments zu gelangen. Bilder mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen am Reichstag.

„Unerträglich“ fand Bundesinnenminister Horst Seehofer, was sich da abspielte. „Richtig wütend“ wurde darüber die CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „Angriff auf das Herz unserer Demokratie“.

Dieses wortgewaltig empörte Echo ist sicherlich exakt das, was ein Teil der Demonstranten, die am Samstag und teils auch am Sonntag noch in Berlin gegen die Coronaschutzregeln der Politik demonstrierten, als Zielmarke veranschlagt hatte. Doch waren die nicht allein.

Mit ihnen waren etliche Menschen unterwegs, die sich selbst für weder staatsverachtend, noch rechtsextrem, noch esoterisch-verschwörerisch halten – und dennoch Kritik an den ihrer Meinung nach überzogenen Coronaabwehrkonzepten der Politik üben wollten.

Sie konnten erleben, was passiert, wenn man mit den falschen Leuten unterwegs ist. Man wird entweder ignoriert, weil man unter Skandal-Skandierern nicht auffällt, oder man wird mit ins extreme Lager eingemeindet, weil: Wer mit Rechten, Reichsbürgern, Aluhut-Trägern und sonstigen Irrsinnigen unterwegs ist, hat halt selbst schuld.

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Aber wird damit nicht von der Beobachterseite ebenfalls der Radikalisierung Vorschub geleistet? Die Frage, die allein noch zu zählen scheint, ist: Bist du für uns oder gegen uns? Und die Antwort sollte bitte eindeutig sein. Es wirkt, als hätte schon ein „ja, aber“ keinen Platz mehr. Die Frage ist, wo die vielen Menschen, die „ja, aber“ denken, mit ihrem „aber“ hinkönnen.

In der Grundstruktur darf man sich an die Anfänge der Dresdner Pegida-Demonstrationen erinnert fühlen. Auch da fanden sich anfangs Teilnehmer, die sich von radikalen Aussagen distanzierten, aber dennoch ihren Verdruss über die steigende Zahl als Flüchtlingen im Land kund tun wollten. Sie wurden damals nicht gehört, bereits der Ansatz ihrer Ansicht galt schon nicht mehr als anschlussfähig.

[Lesen Sie hier ein Interview dazu: "Wer mitmarschiert, hakt sich bei Antisemiten unter"]

Die weitere Entwicklung ist bekannt. Die Anhänger der Bewegung radikalisierten sich – darunter auch solche, die anfangs noch die sogenannten normalen Leute waren. Die Frage, die sich damals angesichts steigender Flüchtlingszahlen stellte und heute angesichts von Coronaschutzregeln wie der Maskenpflicht, könnte lauten: Wie kann man richtig dagegen sein?

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Ja, wie? Müsste man etwa jenseits der extremen Problemlagenwortführer eine eigene, eine zweite Anti-Demo organisieren? Aber wann bloß und wie? Und würde man damit nicht durch Aufspaltung für sinkende Teilnehmerzahlen sorgen und das Anliegen behindern? Oder sollte man sich von seiner Meinung ohnehin vorsichtshalber distanzieren, wenn man bemerkt, wer die alles teilt?

Es ist ein Dilemma – aber vermutlich eins, das bleibt. Pegida war damals und weit weg. Corona ist heute und am Reichstag. Die Aufforderung zur mitnehmenden Kommunikation wird lauter und lauter. Das „Herz unserer Demokratie“, das Steinmeier angriffen sieht, ist auch das Herz von Menschen, die gegen Coronamaßnahmen sind. Man sollte sie nicht verbal wegtreiben, sondern zurückholen.

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