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Reinhard Kardinal Marx im Bayerischen Landtag bei der Verleihung der Verfassungsmedaille am 7. Februar 2020.

© Tobias Hase/dpa

Update

Nach dem Rückzug von Kardinal Marx: Wer kann jetzt an die Spitze der katholischen Kirche Deutschlands treten?

Deutschlands Katholiken haben mit dem "synodalen Weg" Reformen gestartet. Gerade jetzt wirft Kardinal Reinhard Marx als Chef der Bischofskonferenz hin.

Zu sagen, dass eine Ära ende, ist zu viel behauptet. Aber ein Einschnitt ist es schon, dass sich der Münchner Kardinal Reinhard Marx, 66, vom Vorsitz der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zurückzieht. Nach nur einer Amtszeit! Da hatten die deutschen Katholiken schon mehr erwartet, zumal angesichts seines eigenen Anspruchs.

Aber eben der Anspruch, dass er mehr hätte sein oder schaffen können, ist schon auch ein Grund für den Rückzug. Ja, richtig, Reinhard Marx wäre am Ende seiner eventuellen zweiten Amtszeit 72. Das ist schon ein Alter. Aber erst einmal können hohe Geistliche sogar länger im Amt bleiben, Bischofe bis 75, Kardinäle sogar bis 80, zweitens ist der Papst älter. Da wäre also noch was gegangen.

Vielleicht aber auch nicht. Das Barocke, das Marx ausstrahlt, spricht für manchen in der Bischofskonferenz auch gegen ihn. Und sitzt nicht in Rom inzwischen ein Papst, Franziskus, der viel spartanischer wirkt als sein deutscher Amtsvorgänger Joseph Ratzinger (weiland ebenfalls Erzbischof von München)? In Bayern, wo Marx zusätzlich kraft Amtes zugleich Vorsitzender der „Freisinger Bischofskonferenz“ ist, waren auch immer mal wieder unzufriedene Stimmen von Amtsbrüdern zu hören.

Insofern ist das Wort von der eventuellen zweiten Amtszeit für Kardinal Marx durchaus berechtigt. Was wäre gewesen, wenn ausgerechnet jetzt, da die deutsche Bischofskonferenz nach vorne gehen will, geführt von einem Oberhirten, der nicht unumstritten ist? Und das wäre offenbar geworden, bei etwaigen Gegenstimmen. Eines kann sich Kirche, diese besonders, aber gerade nicht leisten: den Eindruck einer sich womöglich vertiefenden Spaltung.

Immerhin geht es um Reformen, und die werden schon ohne Personalstreit schwierig genug durchzusetzen sein. Die deutschen Katholiken wollen in ihrer Mehrheit mehr als bisher – sie wollen die Kirche verändern. Die Laien. Und die setzen auf ihre Bischöfe. Voran geht es um Reformen gegen Missbrauch, um eine neue Sexualmoral ohne die umstrittene Ehelosigkeit von Priestern, den Zölibat. Es geht um eine echte Beteiligung der Laien, eine Öffnung für Frauen, die nicht nur das Diakonat vorsieht, sondern, bis zum Ende gedacht, die Möglichkeit einer Frau als Papst. Dann der nahezu evangelisch anmutende neue „synodale Weg“ – da braucht es Geschlossenheit, soweit es geht.

Die Bischofskonferenz hat nun die Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen. Sie trifft sich vom 2. bis zum 5. März in Mainz zu ihrer Frühjahrsvollversammlung. Ein Programmpunkt ist die turnusmäßige Wahl des Vorsitzenden. „Ich finde, es sollte die jüngere Generation an die Reihe kommen – und vielleicht ist es auch gut, wenn es häufiger einen Wechsel in dieser Aufgabe gibt“, schrieb Marx in seinem Brief an die anderen Bischöfe. Das ist zum Ausstieg wiederum eine geschickte Wendung: Häufigerer Wechsel verhindert Verknöcherung – und wirkt mindestens wie ein Hauch von innerkirchlicher Demokratie.

Der "synodale Weg" trifft hierzulande auf Widerstand

Marx, der als Bischof in Trier fürs Soziale verantwortlich war – was wegen seines Namens auch immer mal wieder Scherze zur Folge hatte –, der am Sozialwort der Kirchen mitschrieb, hat sich in seiner Münchner Zeit seit 2008 zu einem in Rom beachteten Kardinal entwickelt. Er gehört den „K7“ an, dem Gremium der wichtigsten Kardinäle, und ist für Wirtschaftsfragen zuständig. Dazu eines am Rande: München zählt zu den reichsten Bistümern Deutschlands.

Und so entstand der Eindruck, der Papst zähle auf ihn. Hierzulande ist es etwas schwieriger. Der „synodale Weg“ trifft auf Widerstand, konservative Bischöfe kritisieren Marx, besonders der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich zum Antipoden entwickelt. Sein Erzbistum, Köln, ist reich und mächtig, gilt als das „Rom des Nordens“. Dabei zählte Marx auch einmal zu diesen Konservativen, und immer mal wieder wurde deshalb von fortschrittlichen Katholiken sein Rücktritt gefordert.

Wer kann nun an die Spitze des Führungsgremiums der katholischen Kirche in Deutschland treten? Am besten ein Initiator und Moderator, weil die Bischofskonferenz den einzelnen Bischöfen nichts vorschreiben kann. Genannt wird: Heiner Wilmer, 58, Bischof von Hildesheim. Nach dem Vorsitzenden aus dem Süden einer aus dem Norden? Wilmer ist jedenfalls ein ungewöhnlicher Seelsorger. Er war, als Deutscher, Generaloberer der Herz-Jesu- Priester mit Sitz in Rom, hat in der Bronx gelebt und als Lehrer gearbeitet, danach in Deutschland. Wilmer ist offen, nicht übertrieben formell, im Auftritt zurückhaltend, ein ausgezeichneter Zuhörer und Fragensteller. Dass er sich zugleich durchzusetzen versteht, zeigt sein Lebensweg.

Aber es kann auch immer anders kommen. Marx wurde schon früher als Chef der Bischofskonferenz gehandelt – und dann Robert Zollitsch aus Freiburg gewählt. Drum: 2018, zum Beispiel, folgte Marx in der Europäischen Bischofskonferenz der Essener „Ruhrbischof“ Franz-Josef Overbeck nach. Der, von Ratzinger zum Priester geweiht, ist 55. Oder, wo die Bischöfe doch in Mainz tagen werden: Dort ist Peter Kohlgraf zu Hause, als Bischof Nachfolger des großen Karl Lehmann. Ein Professor für Praktische Theologie, ein Kölner – und 52.

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