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Nun nicht mehr die Chefin der Linkspartei: Susanne Hennig-Wellsow.

© imago/ Fotostand / Reuhl

Nach dem Rücktritt von Hennig-Wellsow: Der Linkspartei droht das Ende – ganz ohne den Skandal um sexuelle Belästigung

Ohne Altenpflegekräfte und Mechatroniker? Eine Akademiker-Linke ist überflüssig, für den Sozialstaat werben andere Parteien genauso. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Den Skandal um sexuelle Belästigung in der Linken hätte es gar nicht gebraucht, die Partei stünde auch ohne vor ihrem Ende als jene Kraft, als die sie in ungezählten Wahlkämpfen angetreten ist. Dass die erst 2021 zur Co-Chefin gewählte Susanne Hennig-Wellsow ihr Amt nun hinwarf, zeigt: Selbst an der Spitze der Linken fehlt der Glaube daran, dass sie in dieser Form noch erfolgreich sein wird.

Die Partei hat sich als bedeutender Akteur, als sozialistische Partei überflüssig gemacht. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die soziale Frage eine selten gewordene Wucht bekommt. Die Inflation steigt rasant, Energie- und auch Lebensmittelpreise explodieren, in vielen Städten sind bezahlbare Wohnungen rar, für eine leistungsstarke Daseinsvorsorge fehlen in Pflegeheimen, Schulen, Ämtern massenhaft Fachkräfte.

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Schon bei der Bundestagswahl im September war die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Sie zog mit nur drei Direktmandaten als Mini-Fraktion ins Parlament ein. Nun sieht es so aus, als gebe sich die Linke vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen den Rest.

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Selbst in ihren einstigen Top-Hochburgen in Ostdeutschland schwankt die Linke in Umfragen derzeit um die Zehn-Prozent-Marke. Ausnahme ist Thüringen, was dem überaus populären Bodo Ramelow zu verdanken ist. Ihn hatte die nun zurückgetretene Linken-Co-Chefin Hennig-Wellsow einst als „unser Schlachtross“ bezeichnet, auf dessen Zugkraft „immer Verlass“ sei. Schwang vielleicht da schon der Mangel an Vertrauen in die Konzepte und Kampagnen der Partei mit?

Überleben wird die Linke wahrscheinlich nur in einigen Regionen Ostdeutschlands und wenigen Großstädten im Westen. Tausende kommunale, regionale, nationale Abgeordnete stützen den Apparat derzeit noch finanziell, in Berlin, Erfurt, Schwerin und Bremen sitzt die Partei in den Regierungen. Für das große Ganze aber wird diese Linke bedeutungslos.

Verloren hat sie, weil sie als selbst ernannte Friedens- und Sozialstaatspartei keine besseren, keine linkeren Antworten geben konnte, als die meisten Sozial- und erstaunlich viele Christdemokraten.

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In Duktus und Präsenz fokussierte sich die Linke seit einigen Jahre auf urbane Akademiker. Die sprachen unter identitätspolitischen Aspekten über Klima, Gendern, Einwanderung, aber nicht darüber, wo die Altenpflegekräfte und Mechatroniker herkommen sollen, die überall gesucht werden und mit denen der Sozialstaat auch steuerpolitisch am Laufen gehalten wird.

Die politischen Lücken füllten andere

Diese politischen Lücken füllten andere. Die SPD führt zwölf Euro Mindestlohn ein – und das mit einem FDP-Finanzminister. Die CDU fordert neben Corona-Boni für Pflegekräfte auch welche für Sanitäter, Ärzte, Laboranten. Und ausgerechnet die Grünen, deren Mitglieder- und Wählerstruktur eher Mittel- und Oberschicht entspricht, wollen die Kindergrundsicherung durchdrücken.

Wahrscheinlich profitiert, neben dem Lager der Nichtwähler, die SPD vom Niedergang der Linken. Im Saarland wanderten ihre einstigen Anhänger schon bei der Landtagswahl im März massenhaft zur SPD, was auch Oskar Lafontaines öffentlichkeitswirksamer Parteiaustritt beschleunigt hat. Im Osten Berlins wechselten Linken-Wähler im September 2021 gar zur CDU: Der in Marzahn-Hellersdorf angetretene Christdemokrat Mario Czaja forderte Genossenschaftswohnungen, eine Schuloffensive und ein Freibad. Auch um ihr soziales Profil zu schärfen, machte die Union den Wahlsieger zu ihrem Generalsekretär.

Die in Marzahn-Hellersdorf in der Bundestagswahl von der CDU geschlagene Linken-Spitzenfrau Petra Pau sagte sinngemäß: Die Leute sehen, dass die Linke die richtigen Fragen stellt, aber Antworten wollen sie von anderen. Vielleicht liegt darin für jene in der Partei, die sich vor allem den Inhalten verpflichtet fühlen, ein wenig Hoffnung: Für Bekenntnisse zu Sozialstaat und funktionierender Infrastruktur braucht es diese Linkspartei nicht.

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