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Ein LKW der Tönnies-Tochterfirma Tillmanns mit der Aufschrift "Don·t call it Schnitze" fährt an einer Plastik vorbei, die einen Bullen darstellt.

© David Inderlied/dpa

Nach Corona-Skandal bei Tönnies: Heil und Altmaier bekräftigen notwendige Veränderungen in Fleischindustrie

Die Minister versprechen schon bald mehr Schutz für die Beschäftigten in Schlachthöfen. Außerdem wollen SPD und Union die Tierhaltung umbauen.

Nach der Infektion von mehr als 800 Schlachthof-Mitarbeitern der Firma Tönnies mit dem Corona-Virus im Landkreis Gütersloh dringt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf schnelle Schritte zum Schutz der Beschäftigten in der Branche. „Wir wollen die Kontrollen weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit in der Fleischindustrie da ist“, sagte Heil dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. In dieser Sache sei er „in sehr produktiven Gesprächen mit den Ländern“.

Der Arbeitsminister bekräftigte: „Wir machen mit dem Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Fleischindustrie auf jeden Fall ernst - ganz egal, welche Anstrengungen milliardenschwere Unternehmen auch in die Wege leiten, um dieses Vorhaben zu torpedieren.“ Mehrere Ministerien arbeiteten daran, das Verbot rechtssicher zu machen. „Im Sommer werde ich den Gesetzentwurf vorlegen“, versprach Heil.

Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier sicherte nun zu, dass gegen Missstände in der Fleischindustrie vorgegangen werden solle. „Die Versorgung mit Lebensmitteln ist ein hohes Gut und ich möchte, dass das Vertrauen an Lebensmitteln und an Fleisch „made in Germany“ erhalten bleibt“, sagte der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk.

Das bedeute, „dass wir auch dafür sorgen, dass Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Missstände abgestellt werden, indem man entsprechende Veränderungen trifft“.

Altmaier hob hervor, dies gelte nicht nur für Werkverträge mit osteuropäischen Arbeitnehmern, sondern auch für die Unterbringung und die Arbeitsbedingungen vor Ort. Bei den Werkverträgen hatte die Bundesregierung bereits vor rund einem Monat Konsequenzen angekündigt: Das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch soll ab 1. Januar 2021 nur noch mit Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. „Ich halte es für richtig, dass wir diese Missstände angehen, wir werden sie angehen“, sagte Altmaier.

SPD und Union planen offenbar umfassenden Umbau der Tierhaltung

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass es unter den Mitarbeitern des größten deutschen Schlachtbetriebs von Tönnies bei Rheda-Wiedenbrück zu einem Ausbruch mit vielen Corona-Infizierten gekommen ist. Bereits im Mai war es bei auf einem Schlachthof von Westfleisch im Kreis Coesfeld zu einem Corona-Ausbruch gekommen.

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Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD wollen einem Medienbericht zufolge außerdem einen umfassenden Umbau der Tierhaltung in Deutschland voranbringen. Das würde auch Preisaufschläge auf Fleisch, Milch und Eier mit sich bringen, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" unter Berufung auf einen Antragsentwurf der beiden Fraktionen berichtet.

Demnach wollen Union und SPD der Bundesregierung "eine kurz-, mittel- und langfristige Umsetzungsstrategie zur Transformation der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung innerhalb dieser Legislaturperiode" vorlegen. Dabei verweisen beide Fraktionen auf das Gutachten eines Expertengremiums rund um Ex-Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU). Der hatte im Frühjahr Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung überreicht.

Anfallende Kosten sollen durch Verbrauchersteuer finanziert werden

Die Fachleute um Borchert hatten vorgeschlagen, Tieren mehr Platz im Stall zu lassen und "möglichst Kontakt zu Außenklima" zu ermöglichen. Die anfallenden Umbau- und Haltungskosten sollen durch eine Verbrauchssteuer finanziert werden. Das Expertengremium schlug Aufpreise von 40 Cent pro Kilo Fleisch, zwei Cent pro Kilo Milch und pro Ei sowie 15 Cent pro Kilo Käse oder Butter vor.

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SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering sagte der "NOZ", dass der Antrag möglichst noch im Juni im Bundestag beschlossen werden soll. "Fleisch darf keine billige Ramschware sein", betonte er. Darunter hätten Tiere, Landwirte und auch die Arbeiter im Schlachthof zu leiden. Albert Stegemann, agrarpolitischer Sprecher der Union, sagte, die Empfehlungen der Borchert-Kommission seien "eine große Chance für mehr Tierwohl und Verbrauchervertrauen in die Landwirtschaft".

Tierwohl und -haltung werden seit Jahren in Deutschland im Zuge einer bewussteren Ernährung breit diskutiert: Zuletzt hatte eine Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums ergeben, dass sich der Ernährungsalltag vieler Bundesbürger in der Corona-Krise verändert hat. Demnach schätzen die Menschen schätzen regionale Produkte mehr. Auch der Fleischkonsum der Deutschen ist laut "Ernährungsreport" weiter leicht rückläufig. (epd/AFP/dpa)

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