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Ausschreitungen in Chemnitz. Nach dem Tod eines Mannes bei einer Messerstecherei am Sonntag versammelten sich am Montag mehrere tausend Rechte.

© Michael Trammer/imago

Nach Chemnitz: Einheitsfront der Rechtsradikalen

Die Rechten planen neue Aufmärsche in Chemnitz. Pegida-Chef und AfD-Politiker verbreiten den Haftbefehl für den Messerstecher.

Von Matthias Meisner

Sachsen hat den nächsten Behördenskandal. Seit Dienstagabend verbreiten rechtsradikale Aktivisten ein Foto des Haftbefehls gegen den mutmaßlichen Haupttäter der Messerattacke in Chemnitz auf verschiedensten Kanälen im Netz. In der sächsischen Landesregierung wird von einem „ungeheuerlichen skandalösen Vorgang“ gesprochen – Vize-Ministerpräsident, SPD-Landeschef Martin Dulig, ortet die Quelle für das Datenleck „anscheinend bei Polizei oder Justiz“. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte die Veröffentlichung des Haftbefehls „vollkommen inakzeptabel“.

Es ist der dritte Vorfall in Folge, der Sachsens Polizei ins Zwielicht rückt und zu kritischen Fragen auch an die CDU-geführte Landesregierung unter Michael Kretschmer führt. Mitte August hatten Polizeibeamte in Dresden ein ZDF-Team bei Dreharbeiten zu rechten Protesten gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel behindert. Ein darin involvierter Pegida-Anhänger war Mitarbeiter des Landeskriminalamts Sachsen, wie sich nach einer Woche herausstellte. In Chemnitz folgten in dieser Woche auf den Tod des 35-jährigen Deutschen Daniel H., für den zwei Verdächtige inzwischen in Haft sind, rechte Massenaufmärsche und Hetzjagden auf Ausländer, bei denen die Polizei an zwei Abenden in Folge überfordert war. Im Fall des veröffentlichten Haftbefehls eines der beiden Verdächtigen fordert Ministerpräsident Kretschmer nun Aufklärung.

Mobilisierung für "Schweigemarsch"

Jetzt zeichnet sich ein breiter Schulterschluss rechtsradikaler Kräfte ab. Die AfD-Chefs aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg mobilisieren zu einem „Schweigemarsch“ – also auch der ultrarechte Björn Höcke. „Pro Chemnitz“ will erneut demonstrieren, zudem Pegida und die vom Verfassungsschutz beobachtete „Identitäre Bewegung“. Die NPD Sachsen kündigte an, ihre „Aktivitäten im Rahmen der Schutzzonenkampagne“ – damit sind rechtsextreme Bürgerwehren gemeint – auf Chemnitz und Leipzig auszudehnen. Der Haftbefehl wurde im Netz unter anderem von „Pro Chemnitz“ verbreitet – dem rechtsradikalen Bündnis, das auch den Aufmarsch am Montag in Chemnitz angemeldet hatte. Auch Pegida-Chef Lutz Bachmann und mehrere AfD-Politiker verbreiteten das Dokument.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) erkennt für die rechtsextremen Übergriffe in Chemnitz eine Mitschuld bei Bundeskanzlerin Merkel. Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland hält die von ausländerfeindlichen Übergriffen begleiteten Proteste in Chemnitz nicht für skandalös: „Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten“, sagte er der „Welt“.

Regierungschef Kretschmer hatte erklärt, die Polizei habe in Chemnitz zuletzt einen „super Job“ gemacht. Er sagte: „Wir müssen verhindern, dass Chemnitz Aufmarschgebiet wird von Rechtsextremisten aus ganz Deutschland."

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