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Israels Premier Benjamin Netanyahu.

© Dan Balilty/AFP

Nach anti-israelischer Kampagne: Netanjahu lobt Bundestagsbeschluss gegen BDS-Bewegung

Der Bundestag hat die BDS-Bewegung als antisemitisch verurteilt. Israels Premier sieht eine „wichtige Entscheidung“ – unumstritten ist diese nicht.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Verurteilung der sogenannten BDS-Kampagne durch den Bundestag als "wichtige Entscheidung" begrüßt. "Ich gratuliere dem Bundestag zu der wichtigen Entscheidung, die Boykottbewegung (BDS) als antisemitische Bewegung zu brandmarken", schrieb der Regierungschef am Freitag im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Ich schätze besonders, dass der Bundestag Deutschland dazu aufgerufen hat, keine Organisationen mehr zu finanzieren, die gegen die Existenz des Staates Israel arbeiten" Er hoffe, dass diese Entscheidung konkrete Schritte nach sich ziehe und forderte andere Länder dazu auf, es dem Bundestag gleichzutun.

Der Bundestag hatte zuvor die Boykottaufrufe der Kampagne BDS ("Boycott, Divestment and Sanctions") als antisemtisch verurteilt. Die Bewegung stelle das Existenzrecht Israels in Frage. Auch in Deutschland ruft die Bewegung zum Boykott gegen Waren, Dienstleistungen, Künstler, Wissenschaftler und Sportler aus Israel auf. Auf ihrer Website schreibt die Kampagne unterdessen, sie trete allen Formen des Rassismus entgegen, einschließlich Islamophobie und Antisemitismus.

Für den Antrag votierten nach Auskunft von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die die Sitzung leitete, CDU, CSU, FDP, SPD sowie große Teile der Grünen. Dagegen stimmten weite Teile der Linken und Teile der Grünen. Die AfD enthielt sich ebenso wie Teile von Grünen und Linken. Alternative Anträge von AfD und Linken scheiterten. Die AfD verlangte in ihrem Antrag ein Verbot der BDS-Bewegung. Die Linke pochte darauf, "jeden Antisemitismus in BDS-Aufrufen" zu verurteilen.

In dem Antrag heißt es unter anderem, der Bundestag trete entschlossen "jeder Form des Antisemitismus schon im Entstehen in aller Konsequenz" entgegen. Die Aufrufe der Kampagne zum Boykott israelischer Künstler sowie Aufkleber auf israelischen Produkten, die vom Kauf abhalten sollten, erinnerten „an die schrecklichste Phase der deutschen Geschichte“, hieß es in dem Antrag Die "Don't Buy" –Aufkleber der Bewegung " weckten unweigerlich Assoziationen zu der NS-Parole 'Kauft nicht bei Juden!'", argumentierten die Unterstützer.

Die vier Bundestagsfraktionen forderten, Organisationen, die sich antisemitisch äußerten oder das Existenzrecht Israels infrage stellten, weder Räume zur Verfügung zu stellen noch sie zu fördern. Auch sollten keine Vorhaben finanziell unterstützt werden, die zum Boykott Israels aufriefen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützten. Durch eine besondere historische Verantwortung sei Deutschland der Sicherheit Israels verpflichtet, hieß es weiter. Man halte fest an dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung mit einem jüdischen Staat Israel und einem palästinensischen Staat.

Außenpolitiker äußern Bedenken

Vor der Abstimmung waren auch Bedenken geäußert worden. Die Außenpolitik-Experten der Union – Norbert Röttgen, Roderich Kiesewetter und Andreas Nick –kündigten an, dem Antrag zwar zuzustimmen. In einer gemeinsamen Erklärung, die dem "Spiegel" vorliegt, kritisierten sie aber Mängel am Beschlusstext. So fehle in der Resolution eine Unterscheidung zwischen legitimer Kritik an israelischem Regierungshandeln und Antisemitismus.

"Legitime Kritik an der Politik der israelischen Regierung darf nicht als vermeintlich antisemitisch diskreditiert und in unangemessener Weise eingeschränkt werden", zitiert der "Spiegel" aus der Erklärung. "Wir nehmen die Bedenken aus der israelischen Zivilgesellschaft in dieser Hinsicht ernst."

Die Unionspolitiker nehmen damit Bezug auf ein Protestschreiben von mehr als 60 jüdischen und israelischen Wissenschaftlern. Sie kritisierten den Antrag, weil er "der am weitesten rechts stehenden Regierung in der Geschichte Israels" helfe, jeden Diskurs über palästinensische Rechte zu delegitimieren.

Jüdischer Weltkongresses sieht Vorbild

Röttgen und seine Kollegen befürchten zudem, der Beschluss könne die Arbeit der politischen Stiftungen im Nahen Osten erschweren. Angesichts der zunehmenden Spannungen auf beiden Seiten komme ihnen eine wichtige Mittlerrolle zu, die es zu bewahren gelte. Es müsse sichergestellt werden, dass diese ihre Arbeit ungehindert ausüben können. Auch die Spitzen der Grünen-Fraktion äußerten Bedenken. Der Beschluss des Bundestages dürfe nicht benutzt werden, um eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung hier in Deutschland und vor Ort zu unterbinden.

Aus Sicht des Jüdischen Weltkongresses ist die Entscheidung des deutschen Parlaments ein starkes Vorbild für andere Regierungen in Europa. Es handele sich um eine moralische Geste, die es wert sei nachzueifern, erklärte Präsident Ronald S. Lauder. Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, wertete den Bundestagsbeschluss als "wichtiges Signal insbesondere gegen den Judenhass, der sich als Verteidigung von Menschenrechten tarnt". Dass die Politik dem Vorgehen des BDS "endlich einen Riegel vorschiebt, ist erfreulich und überfällig", bekräftigte Knobloch.

Politikwissenschaftlerin hat Zweifel

Nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Muriel Asseburg ist die BDS-Kampagne dagegen nicht als antisemitisch einzustufen. "Ziele, Argumentation und Methoden sind nicht antisemitisch, da sie sich nicht gegen Juden als Personen und nicht gegen den jüdischen Glauben richten", sagte die Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik der Deutschen Presse-Agentur.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist der Meinung, die Kritik der BDS-Kampagne richte sich aber nicht nur gegen die Politik Israels, sondern gegen alle in Israel lebenden Menschen. Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung sei deshalb "unzweifelhaft antisemitisch", erklärte Zentralrats-Präsident Josef Schuster kürzlich.

Asseburg sieht das anders. "Methoden wie Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen sind gewaltfreie und legitime Mittel, um Anliegen wie die Wahrung der Menschenrechte durchzusetzen", sagte sie. "Einzelne Vertreter dieser Bewegung können von Judenhass motiviert sein und manche Aktionen können auch problematisch sein. Das entspricht aber nicht dem Mainstream der Bewegung." (AFP, KNA, dpa, Tsp)

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