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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag

© imago images/Political-Moments

Nach Angela Merkels Fehler-Eingeständnis: Die Ministerpräsidentenrunden sind nicht das Problem

Alle rufen jetzt: „Wir müssen besser werden.“ Stimmt. Nur braucht es einen anderen Weg. Viren warten nicht. Ein Kommentar.

Von Robert Birnbaum

Am Tag, an dem Angela Merkel sich entschuldigte, war die Betretenheit groß. Mal mehr, mal weniger deutlich bekannten sich Teilnehmer der nächtlichen Corona-Runde zur Mitverantwortung an der verkorksten „Osterpause“ und gelobten Besserung.

Man sollte also meinen, dass die Besserung zügig in Gang gesetzt wird. Zumindest sollte ein Bemühen zu erkennen sein, das untaugliche Instrument durch irgend etwas anderes zu ersetzen.

Doch die Signale am Tag danach klingen anders. Der Pandemiemüdigkeit droht eine Pandemiebekämpfungsmüdigkeit zu folgen.

Ein Symptom dafür ist der Eifer, mit dem jetzt Ideen für eine Reform der Ministerpräsidentenkonferenz sprudeln. Sie reichen von „abschaffen“ bis „gleich öffentlich tagen lassen“ und gehen alle am Kern der Sache vorbei.

Die Runde ist schließlich kein illegitimer Geheimzirkel, sondern der Versuch, eine Schwäche der föderalen Verfassung abzumildern. Die Seuchenvorsorge ist Ländersache, weil Seuchen bisher meist nur lokal auftraten. Corona bekanntlich nicht.

In einer Pandemie ist abgesprochenes Vorgehen aber schon deshalb zwingend, weil alles, was Menschen zu sehr verwirrt, im Wortsinn tödlich enden kann. Das wirkliche Problem liegt deshalb nicht im Format der Treffen, sondern darin, dass sich die Beteiligten nicht auf eine gemeinsame Sicht auf das Problem verständigen können. Dritte Welle? Jaja, schon, aber ...

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Dieses „aber“ ist nicht bösartig, nicht mal ignorant. Jeder, der unter der Pandemie leidet, hat Anspruch auf Gehör und Berücksichtigung. Jedes Konzept, das die dritte Welle mit milderen Mitteln als denen des strengen Lockdowns abfängt, ist willkommen.

Es muss nur auch realistisch sein. Das viel gepriesene Modell Tübingen lässt sich nicht einfach in die Fläche übertragen, weil zu vieles anderswo nicht so funktioniert wie in der Universitätsstadt.

Das kann man beklagen, aber nicht im Hauruck verändern.

Man darf es vor allem nicht ignorieren. Das Land muss mit den Schwächen durch die Pandemie kommen, die es hat. Sonst läuft ihm die Zeit davon.

Falsches Selbstbild, falsche Politik

Deutschland pflegt aber oft ein Selbstbild, das mit der Realität wenig zu tun hat; eine Art sublimierter Nationalismus der Effektivität und Leistungsfähigkeit. Man hält sich für geborene Weltmeister und kann es nicht fassen, wenn man’s nicht ist.

In der Pandemie wird das ziemlich gefährlich. Da werden Schulen auch dann geöffnet, wenn es noch zu wenig Tests gibt. Prompt meldet das Robert-Koch-Institut verstärkt Ausbrüche in Kitas und an Schulen.

Alle rufen daraufhin: „Wir müssen besser werden.“ Stimmt. Nur braucht es, bis wir besser sind, irgendeinen anderen Weg. Viren warten nicht.

[Zum Chaos um die Osterruhe und die Entschuldigung der Kanzlerin können Abonnenten von T+ hier mehr lesen: Der Tag, der Merkel verändern wird – eine Rekonstruktion]

Mit der „Osterpause“ hat Merkel versucht, sich der Welle entgegenzustemmen, der Viruswelle wie der Welle der Unlust an der Dauer-Katastrophe. Die Idee war nicht durchdacht, chaotisch vorgebracht, ein Fehler.

Ihr Motiv bleibt richtig. Man könne, sagt Merkel am Donnerstag im Bundestag, „nicht nichts“ machen.

Aber danach sieht es aus. „Notbremsen“ werden nicht gezogen, der Lockdown light soll richten, was er bisher nicht richtete.

Wir wollen Weltmeister im Sprint sein. Doch wir haben bloß löchrige Wanderstiefel.

Damit geht es nur langsam voran, stolpernd, unelegant. Trotzdem besser, loszustapfen. Wer auf den perfekten Laufschuh wartet, kommt nicht ins Ziel.

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