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Das BKA startete diese Woche ein Projekt zur Stärkung der grenzüberschreitenden Vernetzung von Finanzermittlern.

© imago/7aktuell

Mutmaßlicher Attentäter von Straßburg: "Wir sind erleichtert, dass Chekatt nicht in die Bundesrepublik geflüchtet ist"

Dass sich Chérif Chekatt in Haft radikalisierte, behielten die französischen Behörden für sich. Der Fall offenbart einmal mehr Mängel in Europas Terrorabwehr.

Von Frank Jansen

Polizei und Nachrichtendienste in Deutschland sind froh, dass das Drama um den Straßburg-Attentäter Chérif Chekatt vorbei ist. „Wir sind erleichtert, dass Chekatt nicht in die Bundesrepublik geflüchtet ist und uns ein Show-down erspart geblieben ist“, hieß es am Freitag in Sicherheitskreisen. Dennoch ist die Stimmung keineswegs euphorisch.

Nicht nur, weil die Terrorgefahr unvermindert anhält und der nächste Chekatt schon morgen zuschlagen könnte. Der Fall Straßburg sei leider auch wieder einmal ein Beispiel für Mängel in der europäischen Terrorabwehr, sagen Sicherheitsexperten. Als gravierendes Problem gilt vor allem der lückenhafte Austausch von Informationen über terroristische Gefährder in der EU.

Die französischen Behörden hatten weder der deutschen Polizei noch dem Verfassungsschutz mitgeteilt, dass sich Chérif Chekatt 2015 in französischer Haft radikalisiert hatte und als terroristischer Gefährder eingestuft wurde. Es kam auch kein Hinweis aus Frankreich, als der französische Staatsbürger Chekatt im Januar 2016 in Baden-Württemberg in Untersuchungshaft kam und ein halbes Jahr später vom Amtsgericht Singen zu zwei Jahren und drei Monaten Haft wegen zwei Einbrüchen verurteilt wurde.

„Hätten wir gewusst, dass Chekatt bei den Franzosen als Gefährder gilt, wäre er vermutlich nicht vorzeitig freigekommen“, sagten Sicherheitskreise. Die deutschen Behörden hatten Chekatt im Februar 2017 nach Frankreich abgeschoben, dort war er dann ein freier Mann. Chekatt hatte in Deutschland von 27 Monaten Haft nur 13 abgesessen. Dann ging es zurück über den Rhein nach Straßburg.

Forderung nach europäischem Terrorismusabwehrzentrum

Notwendig sei ein „europäisches GTAZ“, heißt es bei Polizei und Verfassungsschutz – und auch in der Politik. „Ich fordere schon seit Jahren, dass das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, das in Deutschland gut funktioniert, auch auf EU-Ebene installiert wird“, sagt Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Im GTAZ in Berlin-Treptow sitzen Vertreter von 40 Sicherheitsbehörden an einem Tisch und tauschen Informationen über die islamistische Terrorszene und laufende Ermittlungen aus.

Lischka will allerdings nicht warten, bis sich alle EU-Länder auf ein GTAZ einigen. „Es wäre schon ein Fortschritt, Deutschland könnte eine solche Plattform mit Staaten wie den Niederlanden einrichten, die grundsätzlich kooperativ sind“, betont Lischka. Für ihn wäre eine „Koalition der Willigen“ der Anfang auf dem Weg zu einem EU-weiten GTAZ.

Unterdessen gibt es einen Fortschritt in der Bekämpfung der Terrorfinanzierung. Das BKA startete diese Woche ein Projekt zur Stärkung der grenzüberschreitenden Vernetzung von Finanzermittlern. Beteiligt sind Polizeibehörden aus Frankreich und Spanien, Europol, das FBI sowie der internationale Finanzdienstleister Western Union. „Unser Ziel ist es, terroristische Organisationen dauerhaft finanziell auszutrocknen“, sagte Jürgen Peter, Leiter der Abteilung Staatsschutz im BKA.

Sechs Anschläge vereitelt

Die Sicherheitsbehörden haben nach dem Anschlag von Anis Amri im Dezember 2016 in Berlin sechs Angriffsversuche islamistischer Terroristen gestoppt. Der härteste Fall war der des Kölner „Biobombers“. Die Polizei nahm im Juni 2018 im Kölner Stadtteil Chorweiler den Tunesier Sief Allah H. fest. Der Anhänger der Terrormiliz IS hatte in seiner Wohnung hochgiftiges Rizin hergestellt. Geplant war offenbar ein Anschlag mit einer Bombe, die auch den biologischen Kampfstoff enthalten sollte.

Im September fasste die Polizei in Florstadt (Hessen) einen jungen Deutschtürken, der mutmaßlich den Sprengstoff TATP herstellen wollte, um in Frankfurt am Main eine schiitische Moschee oder einen Schwulenclub anzugreifen. 2017 gelang es Polizei und Verfassungsschutz, in Nordrhein-Westfalen einen geplanten Anschlag von Islamisten auf Bundeswehrsoldaten zu verhindern und einen weiteren Angriff auf Polizisten und Soldaten in Niedersachsen.

In Schwerin wurde ein Syrer festgenommen, der eine Bombe bastelte, die in einer größeren Menschenmenge explodieren sollte. In Karlsruhe zog die Polizei einen IS-Unterstützer aus dem Verkehr, der einen Anschlag mit einem Fahrzeug auf Stände am Schloss der badischen Stadt geplant hatte.

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