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Das Logo der sächsischen Polizei ist an einem Polizeiuniform angebracht.

© Monika Skolimowska/dpa

Update

Munitionsaffäre bei Sachsens Polizeiführung: Staatsanwaltschaft prüft Verbindung zu Rechtsextremen

17 LKA-Beamten wird vorgeworfen, bei einem Schießtraining 7000 Schuss Munition gestohlen zu haben. Es könnte eine Verbindung zu der Gruppe „Nordkreuz“ geben.

Im Zuge der Munitionsaffäre beim sächsischen Landeskriminalamt (LKA) prüft die Generalstaatsanwaltschaft eine Verbindung zur rechtsextremen Szene. „Derzeit werden die elektronischen Beweismittel wie die Handys der Beschuldigten ausgewertet. Dies wird aber sicherlich einige Tage dauern“, sagte Behördensprecherin Nicole Geisler am Mittwoch in Dresden. Geprüft werde insbesondere eine etwaige Verbindung zu der Gruppe „Nordkreuz“. Dahinter verbirgt sich nach früherer Einschätzung des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern eine mutmaßlich rechtsextreme Prepper-Gruppierung.

Am Dienstag waren Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen gegen 17 Beamte einer LKA-Sondereinheit bekannt geworden. Dem Kommandoführer und drei Schießtrainern wird vorgeworfen, im November 2018 aus Dienstbeständen mindestens 7000 Schuss Munition entwendet und diese als Bezahlung bei einem privaten Schießtraining auf einer Schießanlage in Güstrow genutzt zu haben.

Die Innenexpertin der Linken im sächsischen Landtag geht derweil nicht von einem Einzelfall aus. „Mein Eindruck ist eher, dass sich gleich eine ganze schwerbewaffnete Spezialeinheit verselbstständigt hat“, sagte die Abgeordnete Kerstin Köditz am Mittwoch auf Anfrage. Sie erwarte in so einem sensiblen Bereich jederzeit professionelles Handeln. Dazu gehöre eine effektive Kontrolle. „Offenbar hat es so eine Kontrolle innerhalb des LKA aber überhaupt nicht gegeben - oder sie hat vollständig versagt.“

In Sachsen wird gegen 17 Polizeibeamte wegen des Verdachts des Munitionsdiebstahls oder der Beihilfe dazu ermittelt. Am Dienstag wurden im Raum Dresden die Wohnungen von vier Hauptbeschuldigten und die Arbeitsplätze aller Beschuldigten im Landeskriminalamt (LKA) durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden mitteilte.

Bei den Beschuldigten handelt es sich um Angehörige eines mobilen Einsatzkommandos. Die vier Hauptbeschuldigten im Alter zwischen 32 und 49 Jahren sollen im November 2018 aus ihnen dienstlich zugänglichen Beständen der Polizei 7000 Schuss Munition entwendet haben.

Blaulicht der Polizei. (Symbolbild)
Blaulicht der Polizei. (Symbolbild)

© Sebastian Gabsch/PNN

Die Munition sollen sie am Rande einer polizeilichen Ausbildungswoche auf eine private Schießanlage in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern gebracht und als Gegenleistung an die Firma „Baltic Shooters“ für ein nicht dienstliches Schießtraining übergeben haben. Die Firma „Baltic Shooters“ wurde dadurch bekannt, dass dort auch Ex-Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bei einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen Prepper-Gruppe Nordkreuz eine Pistole gekauft haben soll.

Gegen 13 weitere Polizeibeamten im Alter zwischen 30 und 54 Jahren, die mutmaßlich am Schießtraining teilnahmen, wird wegen der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Diebstahl ermittelt. Allen Beschuldigten wird zudem Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Nach Angaben des Landeskriminalamts wurde das Schießtraining beantragt, jedoch durch den Vorgesetzten untersagt.

Die Ermittlungen und die Auswertung der beschlagnahmten Gegenstände dauern an

Darüber setzten sich die Bediensteten den Ermittlungen zufolge bewusst hinweg. Als Konsequenz aus den Vorwürfen wurde den vier Hauptbeschuldigten die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Zudem wurde allen Beschuldigten das Betreten der Diensträume untersagt, sie wurde umgehend aus dem mobilen Einsatzkommando in andere Bereiche versetzt. Gegen alle Beschuldigten wurden Disziplinarermittlungen eingeleitet.

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LKA-Präsident Petric Kleine sprach von schwerwiegenden Vorwürfen. „Sie fühlen sich wie ein Schlag ins Gesicht meiner Behörde an“, erklärte Kleine. Er sei „wütend und enttäuscht darüber, dass sich ein ganzes Kommando bewusst nicht nur über dienstliche Weisungen hinweggesetzt hat, sondern Einzelne unter ihnen das bestehende Vertrauensverhältnis für kriminelle Aktivitäten missbraucht haben“.

Der Imageschaden für das LKA sei „riesengroß“

Der Schaden für das Image des LKA und der sächsischen Polizei sei „riesengroß“. Anstoß hatten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen den damaligen Inhaber der Firma „Baltic Shooters“ gegeben. Kleine beantwortete auch die Frage, warum das Fehlen der Munition nicht auffiel. Die Kommandos würden über eine eigene Waffenkammer verfügen und seien selbst für die Munition zuständig. Sie hätte diese als „verschossen“ deklariert.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden übernahm daraufhin das Verfahren gegen vier sächsische Polizeibeamte von den Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Ermittlungen und die Auswertung der beschlagnahmten Gegenstände dauerten an. Geprüft werden laut Generalstaatsanwaltschaft auch etwaige Verbindungen zur Gruppe „Nordkreuz“. Bislang lägen hierzu keine Anhaltspunkte vor.

„Große kriminelle Energie“

Die 2017 aufgeflogene rechtsextreme Gruppe besteht zum großen Teil aus Verdächtigen aus dem Umfeld von Polizei und Bundeswehr. Ende 2019 verurteilte das Landgericht Schwerin einen ehemaligen SEK-Polizisten aus der Gruppe zu einer Bewährungsstrafe. Er soll rechtsextremes Gedankengut verbreitet sowie Waffen und Munition gehortet haben - Ermittler entdeckten bei ihm mehr als 50.000 Schuss Munition, die zum Teil aus Beständen von Polizei und Bundeswehr stammten. Die Koalitionsfraktionen CDU, Grüne und SPD beantragten für Donnerstag eine Sondersitzung des Innenausschusses, wie die sächsische SPD mitteilte. Ihr innenpolitischer Sprecher Albrecht Pallas erklärte, der Diebstahl zeuge von „großer krimineller Energie“.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) zeigte sich bei einer Pressekonferenz zu dem Fall „unfassbar enttäuscht“. Jede Rechtsverletzung eines Polizisten bedeute einen „enormen Vertrauensverlust“, sagte er.

Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar kündigte an, die betroffene Sondereinheit komplett neu aufzubauen. Die Auswahl von Personal für Spezialeinheiten sei besonders aufwendig. Man sei aber gut beraten, die alte Einheit „im Grunde“ aufzulösen. „Es bedarf sicher zwei, drei Jahre, um eine neue Einheit aufzustellen. Und weitere zwei Jahre, um ein bestimmtes Niveau in diese Einheit zu bringen.“ Kretzschmar hielt aber einen „radikalen Schnitt“ für notwendig. Es gebe weitere drei Spezialeinheiten, die müssten nun die Aufgaben mit übernehmen. (AFP)

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