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Christian Drosten (r.), Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, und Lothar H. Wieler (l.), Präsident des Robert Koch-Instituts

© Bernd von Jutrczenka / picture alliance/dpa

Morgenlage aus der Hauptstadt: „Der Fokus lag ausschließlich auf der Expertise der Virologen“

Wirtschaftsethiker stützt Schäuble + Landesfürsten erwägen Abwrackprämie 2.0 + Neue Ausgangsbeschränkungen befürchtet + Politikverdrossenheit im Café Einstein.

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Wer trifft einen Vorentscheid über eine Abwrackprämie 2.0? Die Ministerpräsidenten Markus Söder, Stephan Weil und Winfried Kretschmann. Heute wollen sich die Regierungschefs der Autoländer Bayern (BMW, Audi), Baden-Württemberg (Daimler, Porsche, Bosch) und Niedersachsen (Volkswagen, Continental) bei einer Konferenz über das weitere Vorgehen verständigen. Dass es zu einem „Eins-zu-Eins-Reload“ der Kaufprämie von 2009 kommt, ist laut meinen Kollegen von Background Mobilität & Transport unwahrscheinlich.

Vor dem Gelände eines Schrottplatzes mit Autopresse stapeln sich alte Autos, vorwiegend Dieselfahrzeuge.
Vor dem Gelände eines Schrottplatzes mit Autopresse stapeln sich alte Autos, vorwiegend Dieselfahrzeuge.

© Wolfgang Kumm / dpa

Zwar will die Branche ihrer Kundschaft Diesel- oder Benziner-Modelle mit öffentlicher Starthilfe ein weiteres Mal schmackhaft machen. Doch wer sein Ohr an die Politik legt, hört: Es wird wohl eher auf eine „sehr umfassende Strategie“ mit klaren „ökologischen Aspekten“ hinauslaufen. Nur sind diese Begriffe ebenso dehnbar, wie die Produktpalette der Hersteller breit ist.

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Wer stärkt Wolfgang Schäuble den Rücken? Der Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Dominik Enste. Der Bundestagspräsident hat mit seinem Tagesspiegel-Interview zur verfassungsrechtlichen Betrachtung der Corona-Politik für viel Wirbel gesorgt. Dazu eine Morgenlage-Nachfrage ans Institut der deutschen Wirtschaft: Hat Schäuble Recht, wenn er sagt, der Schutz des Lebens stehe nicht über allem anderen?

Wirtschaftsethiker Dominik Enste:

„Wenn Ressourcen knapp sind, sind Abwägungen notwendig. Dabei steht auch im normalen Alltag der Schutz des Lebens nicht über allem: wir erlauben Tempo 50 in Städten, auch wenn bei Schritttempo der Schutz des Lebens deutlich höher wäre; aber die Freiheit würde sehr stark eingeschränkt. Auch in einer Pandemie sollte der Schutz des Lebens nicht unreflektiert über allem stehen. In Deutschland haben wir den Tod aus unserem Alltag verdrängt und sind entsetzt, wenn nun so offensichtlich wird, dass Abwägungen immer notwendig sind – so schrecklich dies im Einzelfall ist. Dies hat Herr Schäuble zu Recht betont.

In den letzten Wochen lag der Fokus ausschließlich auf der Expertise der Virologen und auf dem einen Ziel, den Tod von Menschen durch Covid-19 zu vermeiden. Dadurch sind andere Lebensrisken aus dem Blick geraten, etwa die Behandlung anderer Krankheiten. Und die Milliardenhilfen gegen die wirtschaftlichen Folgen des Shutdowns stehen jetzt dem Staat an anderer Stelle nicht zur Verfügung, etwa bei der Suche nach Impfstoffen gegen andere Viren.“

Wer befürchtet wieder verschärfte Ausgangsbeschränkungen? (Fast) wir alle! Eine repräsentative Civey-Umfrage für Background Gesundheit zeigt: 72 Prozent der Deutschen sorgen sich, dass es im Sommer erneut zu Ausgangsbeschränkungen kommt. Die Befürchtung wird über die Altersgruppen hinweg nahezu gleich stark geteilt – mit einer Ausnahme. Unter den 18- bis 29-Jährigen teilen diese Sorgen lediglich 60 Prozent.

Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich genau diese Altersgruppe in einer früheren Civey-Umfrage noch am vehementesten gegen die Einschränkungen von sozialen Kontakten ausgesprochen hatte. Das könnte die Vermutung nahelegen, dass es sich die Jüngeren in der Lockdown-Phase daheim besonders kuschelig einrichten konnten.

Hintergründe zum Coronavirus:

Wo liegt ein Zentrum der Politikverdrossenheit? Im Polit-Szene-Treff Café Einstein. Da stehen die Stühle auf den Tischen, keine Minister und keine Abgeordneten, die hinten links am besonders gefragten Hinterzimmer-Tisch neue Ideen und Ränkespiele aushecken. Der Geschäftsführer des Cafés Unter den Linden, Martin Pelz, wird seinen politischen Gästen – wenn er mal wieder welche haben sollte – einiges über die Selbstversuche eines Unternehmers erzählen können, wirtschaftliche Corona-Hilfe zu erhalten.

Schon jetzt hat er meinem Kollegen Georg Ismar verraten, wie mühsam und bislang erfolglos das Beantragen über die Investitionsbank Berlin (IBB) war. Die 61 Festangestellten sind alle in Kurzarbeit, die drei Konditoren haben auch nichts mehr zu tun, die Lage von Pelz wird zunehmend prekär. Ob sich denn mal einer seiner politischen Gäste nach den Alltagserfahrungen mit den Corona-Einschränkungen und den Hilfsangeboten erkundigt habe? „Nein, nichts, gar nichts.“

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