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Der allgemeine Aggressionslevel sei sehr stark gestiegen, heißt es bei der Polizei.

© Stefani Reynolds / AFP

Mordrate in den USA dramatisch gestiegen: Gibt es einen Zusammenhang mit Corona?

Der Aggressionslevel ist hoch, die Zahl der Morde in den USA steigt. Die Anlässe sind oft banal. Aus dem kostenlosen USA-Newsletter „Washington Weekly“.

Corona plus Waffen gleich Mord und Totschlag? Das klingt kalt und wäre erschreckend. Aber ganz von der Hand zu weisen, ist ein solcher Zusammenhang nicht. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie ist die Anzahl der Morde in den USA dramatisch gestiegen, im Jahr 2020 um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In absoluten Zahlen sind das fast 21.600 gewaltsam getötete Amerikaner, etwa 4900 mehr als 2019. Das ist das höchste Wachstum innerhalb eines Jahres seit 1906.

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Die Daten für 2021 liegen zwar noch nicht vor, doch die bereits verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass der Trend anhält und sich nur leicht abgeschwächt hat. Auch die Zahl anderer Gewaltverbrechen – Körperverletzung, Vergewaltigung, Raubüberfall – nahm stark zu. Gleichzeitig wurden in 2020 sehr viel mehr Schusswaffen verkauft als zuvor, insgesamt 23 Millionen, das bedeutet eine Steigerung um 65 Prozent gegenüber 2019. Viele Frauen waren Erstkäufer, die meisten Opfer sind Männer.

Es fällt auf, wie banal die Anlässe oft sind 

Ein Beispiel aus der Stadt Denver im US-Bundesstaat Colorado. Dort kletterte die Mordrate auf ein 25-Jahres-Hoch. In Colorado gab es 293 Opfer, ein Drittel davon in der Stadt Denver. Die Zeitung „Denver Post“ hat auf der Suche nach Ursachen einige der Fälle aufgelistet. Es fällt auf, wie banal die Anlässe oft sind.

Ramon Perez, 55 Jahre alt, wurde von einem Teenager mit einem Messer umgebracht, weil er einen Kommentar über dessen Freundin gemacht hatte. Isabella Thallas, 21 Jahre alt, wurde erschossen, weil sich ein Mann über den Kothaufen ihres Hundes geärgert hatte. Fernando Martinez Briones, 45 Jahre alt, wurde von seinem Nachbarn im Streit um einen Parkplatz erschossen.

Die Experten stehen vor einem Rätsel. Demokratisch regierte Regionen sind von dem Anstieg ebenso betroffen wie republikanisch regierte, Städte ebenso wie Vororte und ländliche Gebiete. Sicher scheint, dass soziale Verhältnisse eine wichtige Rolle spielen. Dort, wo die Arbeitslosenrate hoch ist, schnellte die Mordrate besonders eklatant in die Höhe.

Es fehlen psychologisch geschulte Fachkräfte

Intensiv diskutiert wird allerdings auch ein kausaler Zusammenhang mit der Pandemie. Lockdown, Homeschooling, der politisch aufgeladene Streit um Masken und ums Impfen: Das habe den Aggressionslevel steigen lassen. Andererseits gab es keine vergleichbaren Gewaltexplosionen in anderen Ländern, wo dieselben Anti-Corona-Maßnahmen verhängt worden waren. Allerorten wird beklagt, dass es nicht ausreichend Therapeuten und psychologisch geschulte Fachkräfte gibt, um die Angehörigen der Opfer zu betreuen.

Das Unsicherheitsgefühl innerhalb der Bevölkerung sei stark ausgeprägt, heißt es in Kreisen der Polizei. Die aber verfolgt auch eigene Interessen: Proteste gegen Rassismus, gefolgt von einer Kampagne, der Polizei weniger finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen (defund the police), hätten zu der allgemeinen Verunsicherung beigetragen.

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