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Maltas Noch-Regierungschef Joseph Muscat wird am Donnerstag zum EU-Gipfel erwartet.

© AFP

Update

Mordfall Daphne Caruana Galizia: EU-Abgeordnete fordern Malta als Gipfel-Thema

Die Tage von Maltas Regierungschef Muscat sind gezählt. Derweil fordert EU-Parlamentspräsident Sassoli, dass sich der heutige Gipfel mit Malta befassen muss.

Es dürfte ein schwieriges Treffen für Maltas 45-jährigen Regierungschef Joseph Muscat werden: Trotz anhaltender Proteste in seinem Land wegen immer neuer Erkenntnisse bei den Ermittlungen zum Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia hält er sich weiter im Amt. An diesem Donnerstag wird er beim EU-Gipfel in Brüssel erwartet. Derweil werden im Europaparlament Forderungen lauter, seit Jahren bekannte Missstände in Malta auf die Tagesordnung des Treffens zu heben, das an diesem Nachmittag beginnt.

Muscat hat seinen Rücktritt für Mitte Januar angekündigt, aber der Druck für eine sofortige Demission nimmt zu. In der maltesischen Hauptstadt Valletta waren am Montag Aktivisten in das Regierungsgebäude eingedrungen und hatten Rücktrittsforderungen an die Adresse des Regierungschefs skandiert. Begründet werden die Forderungen mit der Befürchtung, dass Muscat die kommenden Wochen, die ihm noch im Amt verbleiben, zu einer Verschleppung der Ermittlungen zum Mord an Daphne Caruana Galizia nutzen könnte.

Muscat selbst steht zwar nicht im Visier der Ermittler. Dafür verdichten sich aber die Hinweise immer mehr, dass sein früherer Stabschef Keith Schembri in den Mordfall verwickelt war. Am vergangenen Wochenende musste sich Schembri erneut einem Polizeiverhör stellen.

Zeugenaussage belastet mutmaßlichen Drahtzieher Fenech weiter

Die Ermittlungen im Fall von Caruana Galizia haben den Inselstaat im Mittelmeer mit seinen 500.000 Einwohnern mehr aufgewühlt als jedes andere Ereignis in den vergangenen Jahren. Die Journalistin war im Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet worden, nachdem sie in ihrem Blog die Verwicklung hochrangiger maltesischer Politiker in Korruptionsskandale ans Licht gebracht hatte. Als Drahtzieher des Anschlags wurde der Geschäftsmann Yorgen Fenech angeklagt. Fenech gehört zu den wichtigsten Unternehmern im Inselstaat. Ihm wird vorgeworfen, Bestechungsgelder an Muscats ehemaligen Stabschef Schembri gezahlt zu haben. Am Mittwoch sagte ein mutmaßlicher Mittelsmann des Mordes vor Gericht in Valletta aus, Fenech habe ihm angewiesen, Auftragskiller zu finden.

EU-Kommissionschefin von der Leyen: Verantwortliche vor Gericht stellen

Auch auf europäischer Ebene spielt der Fall längst eine größere Rolle. Die neue EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen will in jedem Fall den Eindruck vermeiden, sie halte die Korruption und die Gefährdung des Rechtsstaats im kleinsten EU-Land für eine Nebensache. Von der Leyen erklärte in der vergangenen Woche in Brüssel, es sei „entscheidend, dass alle Verantwortlichen so schnell wie möglich vor Gericht gestellt werden“. Und auch die für die Rechtsstaatlichkeit zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Vera Jourova telefonierte mit dem maltesischen Justizminister Owen Bonnici und warnte ihn vor „politischer Einmischung“ in die Mordermittlungen.

Nach Auffassung der liberalen Europaabgeordneten Sophia in’t Veld hat die neue EU-Kommission in ihrer gut einwöchigen Amtszeit im Falle Maltas „bereits mehr unternommen als die Vorgänger-Kommission unter Jean-Claude Juncker in den vergangenen zwei Jahren“. In’t Veld gehörte zu einer Delegation von EU-Parlamentariern, die in der vergangenen Woche die Mittelmeerinsel besuchte und dort unter anderem mit Regierungschef Muscat sprach. In’t Veld fordert, dass sich auch die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Treffen an diesem Donnerstag mit den Zuständen in Malta beschäftigen müssen, wo Muscat seit 2013 mit der sozialdemokratischen Labour-Partei regiert. Auch EU-Parlamentspräsident David Sassoli forderte die Staats- und Regierungschefs in einem Schreiben auf, sich zur Bedrohung des Rechtsstaats in Malta zu äußern.

Die niederländische Abgeordnete in’t Veld begründet ihre Forderung mit dem Einfluss von Oligarchen auf die maltesische Politik, der schon vor dem Mord an Caruana Galizia ruchbar wurde. Konkret geht es um den Verkauf „goldener Pässe“ an ausländische Magnaten, der in Malta wie auch in Zypern und Bulgarien praktiziert wird: Wer auf der Mittelmeerinsel mindestens eine Million Euro investiert, erhält automatisch die maltesische Staatsbürgerschaft – und damit die Möglichkeit, sich in jedem anderen EU-Mitgliedsland niederzulassen.

Inzwischen hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) die größte Bank Maltas, die „Bank of Valletta“, aufgefordert, Missstände im Zusammenhang mit der Vergabe der „goldenen Pässe“ abzustellen. Angesichts der Vermutung, dass die umstrittene Praxis zur Geldwäsche genutzt werden könnte, hat auch die EU-Kommission die maltesische Regierung Ende November um eine Klarstellung gebeten. Dabei stellte die EU-Behörde eine Frist bis zum 6. Januar für eine Stellungnahme.

Grünen-Abgeordneter Freund spricht von „Einfallstor für korrupte Millionäre"

„Die Vergabe von goldenen Pässen ist ein Einfallstor für Oligarchen und korrupte Millionäre“, sagt Daniel Freund. Der Grünen-Europaabgeordnete ist seit der vergangenen Woche Co-Vorsitzender eines neuen Arbeitskreises, der sich unter dem Eindruck der Ermittlungen in Malta im Europaparlament konstituiert hat. Die 142 Mitgliedern des parteiübergreifenden Gremiums wollen aber nicht nur in Malta, sondern in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten ein verstärktes Augenmerk auf die Korruptionsbekämpfung legen. Für den heutigen Donnerstag hat der Arbeitskreis einen der Söhne der ermordeten Journalistin, Andrew Caruana Galizia, nach Brüssel eingeladen.

Da Korruption, Geldwäsche und eine unzureichende Strafverfolgung in Malta schon vor der Ermordung der Journalistin immer wieder Schlagzeilen machten, stellt nach der Auffassung der SPD- Abgeordneten Birgit Sippel die Einleitung eines Rechtsstaatsdialogs zwischen Brüssel und Valletta eine Option dar. „In der öffentlichen Wahrnehmung in Malta wird niemandem mehr vertraut“, sagt sie zur Begründung, „deshalb kann es sinnvoll sein, Akteure von außen einzuschalten.“

Allerdings hält Sippel nichts davon, das kleinste EU-Land mit einer Pauschalverurteilung zu überziehen. So seien Fortschritte bei der Neuordnung der maltesischen Staatsanwaltschaft durchaus erkennbar. In der Vergangenheit hatte die Venedig-Kommission, eine Institution des Europarates, moniert, dass der Premierminister eine echte Gewaltenteilung nicht zulasse. In der Zwischenzeit werde aber in Malta ernsthaft daran gearbeitet, die Staatsanwaltschaft dem Zugriff der Politik zu entziehen, lautet die Einschätzung von Sippel. Ein Problem sieht die Europaabgeordnete allerdings darin, dass Ermittlungsergebnisse im Fall Caruana Galizia permanent durchgestochen werden. „Welche Möglichkeit hat die maltesische Polizei, unabhängig zu ermitteln, wenn immer neue Fakten an die Öffentlichkeit gelangen?“, fragt sie.

EU-Abgeordnete Sippel warnt vor Aktivierung des Artikel-7-Verfahrens

Gleichzeitig warnt Sippel davor, im Fall Maltas das sogenannte Artikel-7-Verfahren der EU zu aktivieren, welches schon gegen die beiden Problemländer Ungarn und Polen läuft. Theoretisch könnten Polen und Ungarn, wo nationalkonservative Regierungen den Rechtsstaat schwer unter Druck gebracht haben, dadurch ihr EU-Stimmrecht verlieren. „Ich sehe allerdings nicht, dass die Mitgliedstaaten Konsequenzen aus dem Artikel-7-Verfahren ziehen“, sagt die Abgeordnete. In der Tat müssen Polen und Ungarn kaum den Entzug des Stimmrechts befürchten, weil dafür die nötige Einstimmigkeit unter den EU-Mitgliedern fehlt.

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