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Cem Özdemir und Claudia Roth im Bundestag.

© imago images/Metodi Popow

Update

Morddrohungen gegen Özdemir und Roth: Politiker beklagen Verrohung der Gesellschaft

Nach den Drohungen gegen die beiden Grünen herrscht Entsetzen in der Politik. Linken-Fraktionschef Bartsch sagt: Rechte Netzwerke wurden zu lange unterschätzt.

Nach den konkreten Morddrohungen gegen die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir mehren sich die Stimmen für eine schärfere Kontrolle und Bekämpfung von rechtsextremer Gewalt und Hasskriminalität im Netz insbesondere gegen Politiker.

Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Ganz generell gilt: Wir erleben eine hochproblematische Verrohung unserer Gesellschaft.“ Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Tagesspiegel, solche Morddrohungen seien Folge eines vergifteten gesellschaftlichen Klimas. „Die Gefahr, die von rechten Netzwerken ausgeht, wurde zu lange von Sicherheitsbehörden unterschätzt. Diese müssen mit aller Konsequenz bekämpft werden.“

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte dem Tagesspiegel: „Das Klima in der politischen Auseinandersetzung verroht zusehends. Ermittler und Strafverfolgungsbehörden müssen personell und technisch besser ausgestattet werden, um den Verfolgungsdruck zu erhöhen.“ Nicht höhere Strafen, sondern eine höhere Ermittlungsdichte und eine zügige Strafverfolgung wirkten im Internet abschreckend. „Beleidigungen und Drohungen im Internet dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Gerade weil diese im Netz leider zunehmen, darf eine derartige Verrohung nicht länger hingenommen werden. Die Grenzen zwischen der verfassungsmäßig verbrieften Meinungsfreiheit und strafbaren Äußerungen darf nicht ins Rutschen geraten.“

Der CDU-Politiker Friedrich Merz forderte eine Antwort mit aller Härte des Rechtsstaats: „Wehret den Anfängen. Lassen wir nicht zu, dass unsere Demokratie in die Zange genommen wird von linker oder rechter Intoleranz und Gewalt.“ SPD-Fraktionsvize Eva Högl zeigte sich bestürzt. Die Drohungen gegen die Grünen-Politiker „sind ein feiger Angriff auf unsere freiheitliche, demokratische Gesellschaft. Der Rechtsstaat steht in diesen Fällen mit voller Kraft hinter den Bedrohten.“

„Atomwaffen Division Deutschland“

In der bei Özdemir am 27. Oktober per Mail eingegangenen Drohung heißt es wörtlich: „Auch Sie linke Türkensau haben es nun auf unsere Todesliste geschafft (…). Momentan sind Sie der Erste auf unserer Liste ,weshalb sie sich sehr glücklich schätzen können. Wir sind die Atomwaffen Division Deutschland und führen das weiter, was in Amerika begonnen hat, denn wir sind eine global vernetzte rechtsextreme Organisation mit Kontakten zu Millitanten Gruppierungen in ganz Europa und Amerika.“
(Anmerkung der Redaktion: Die Fehler in den Mails wurden nicht korrigiert.)

Gedroht wird mit einer Hinrichtung auf einer Kundgebung oder dem Abfangen vor der Wohnung. Und weiter: „Es ist unser Ziel, die größte rechtsextreme Organisation nach dem Ende des Dritten Reiches zu werden.“

Özdemir fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Hasskriminalität und eine bessere Ausstattung und Ausbildung der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte.

Roth erhielt Todesdrohung 18 Minuten nach Özdemir

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth bekam von dem gleichen Account am 27. Oktober, 18 Minuten nach Özdemir ebenfalls auch eine Morddrohung zugesandt. „Die Phase bevorstehender Säuberungen wurde mit Herr Lübcke und dem Herrn Hollstein eingeleitet. Es werden ihm noch viele weitere folgen. Unter anderem Sie und Herr Özdemir“, heißt es dort.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde im Juni ermordet, als Tatverdächtiger wurde ein Rechtsextremist festgenommen, der die Tat zunächst zugab und dann sein Geständnis widerrief. Andreas Hollstein, Bürgermeister in Altena, wurde vor gut einem Jahr bei einer Messerattacke verletzt.

Bundesregierung verschärft Recht

Die Mails an Roth und Özdemir liegen dem Tagesspiegel vor. Eine Morddrohung ist strafbar wie jede Drohung mit einem Verbrechen und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden. Um der Verrohung im Netz entgegenzutreten, hat das Bundeskabinett am vorigen Mittwoch beschlossen, dass Betreiber von Online-Plattformen strafrechtlich relevante Beiträge wie Morddrohungen zentral an das Bundeskriminalamt melden müssen.

Auch Beleidigungen sollen stärker verfolgt werden. Der rechtliche Schutz, den Berufspolitiker beim Tatbestand der üblen Nachrede schon haben, soll auf ehrenamtliche Politiker in den Kommunen ausgedehnt werden.

Högl sagte, mit dem beschlossenen Maßnahmenpaket erhöhe die Regierung den Verfolgungsdruck und gebe den Strafverfolgungsbehörden weitreichende Befugnisse, um die Täter erfolgreich zu ermitteln. „Wer droht und hetzt, wird härter und effektiver verfolgt. Dabei hilft auch die Meldepflicht für Plattformen, die mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschaffen wird.“

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