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Der Chef der Bundespolizei Dieter Romann hat einen kurzen Draht zu kurdischen Behörden. Den hat er genutzt.

© jochen Lübke / dpa

Mord an Susanna: Dieter Romanns Rückholaktion von Ali B. ist ein Fall an der Grenze

Der Chef der Bundespolizei spricht von zulässiger Abschiebung - aber das muss man ihm nicht glauben. Die Behörden eiern herum. Ein Kommentar.

Verwaltungsjuristen können zupackend sein. Dieter Romann, promovierter Beamtenrechtler mit Beamtenkarriere, ist der Held der vergangenen Woche. Der Chef der Bundespolizei holte den geflüchteten mutmaßlichen Mörder einer 14-jährigen Deutschen aus der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Kurdische Sicherheitskräfte hatten ihm den Mann in den Flieger gesetzt. Nun kann dem abgelehnten Asylbewerber Ali B. in der Bundesrepublik der Prozess gemacht werden. Ein Coup. Das Volk applaudiert.

Keine Auslieferung, kein Auslandseinsatz

Es gibt nur ein Problem. Der Verdächtige ist Iraker. Und auch in Irak gilt eine Verfassung, die, wie die deutsche in Artikel 16, verbietet, eigene Staatsbürger auszuliefern. Gute Juristen finden immer einen Rechtsweg. Der Beschuldigte sei nicht ausgeliefert worden, sagt die Regierung. Vielmehr hätten die kurdischen Behörden, zu denen Romann offenbar einen guten Draht besitzt, ihn abgeschoben. Das Ganze sei auch kein Auslandseinsatz der Bundespolizei gewesen, sondern ein bundespolizeilich gesicherter deutscher Linienflug. Keine Auslieferung, kein Auslandseinsatz – damit entfiel auch die Pflicht, das Justizministerium und das Auswärtige Amt zu befassen.

Putzig, wie Seehofer aus der Verantwortung gezogen wurde

Brillant. Leider hat die Sache immer noch einen Haken. Eine Abschiebung kann es kaum gewesen sein. Abschiebung ist der Vollzug einer Ausreisepflicht, Paragraf 58 des deutschen Aufenthaltsgesetzes. Möglicherweise gelten im Irak andere Abschieberegeln. Aber gewiss nicht für eigene Staatsbürger. Staatsbürger können in ihrem eigenen Staat schlecht ausreisepflichtig sein. Also auch kaum abgeschoben werden.

Die Sprecher der Bundesministerien mussten ziemlich herumeiern, um das Ganze zu erklären. Besonders putzig, wie Innenminister Horst Seehofer aus der Verantwortung gezogen wurde: Romann habe ihm, Seehofer, die Rechtmäßigkeit seines Handelns versichert. Dabei führt das Innenministerium die Aufsicht über die Bundespolizei, nicht andersherum.

Der Innenminister ruft "Rechtsbruch"? Einfach mal weghören

Kannte Romann das irakische Auslieferungsverbot? Auf Anfrage äußert sich die Behörde dazu bislang nicht. Falls ja, hätte er es zumindest bewusst umgangen. Oder soll man sagen: gebrochen? Bedenkt man, dass im Irak nichts gegen Ali B. vorlag und es kein deutsches Auslieferungsersuchen gab, war die Festnahme durch kurdische Sicherheitsleute – möglicherweise illegal? Hätte sich Romann also als Mittäter an einer Freiheitsberaubung beteiligt? Mal gucken, vielleicht melden die irakischen Behörden ein Ermittlungsverfahren. Ausliefern darf man ihn dann nicht. Abschieben? War nur ein Witz. Wenn Horst Seehofer wieder irgendwo „Rechtsbruch“ ruft (z.B. Bamf, Flüchtlingskrise), mag man getrost weghören. Rechtswidriges Behördenhandeln ist Alltag in Deutschland. Wollen wir hoffen, dass das Ganze uns nicht als Prozesshindernis auf die Füße fällt.

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