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Beamte der Spurensicherung sichern in einem Faltpavillon Spuren am Tatort. In Berlin-Moabit soll ein Fahrradfahrer einen Mann erschossen haben.

© Christoph Soeder/dpa

Mord an Georgier in Berlin: Moskaus Killer

Die Bundesanwaltschaft veröffentlicht Details zum Attentat auf einen Georgier im kleinen Tiergarten. Es soll eine Verbindung zum Giftanschlag auf Skripal geben.

Von Frank Jansen

Die Mitteilung der Bundesanwaltschaft ist so detailliert, dass es schon demonstrativ wirkt. Und die Erkenntnisse zum Mordanschlag auf den Georgier Zelimkhan Khangoshvili in Berlin lesen sich wie ein Krimi. Er beginnt mit einer international verbreiteten russischen Fahndungsmeldung vom 23. April 2014, die auch den deutschen Behörden vorlag. Gesucht wurde damals Vadim Krasikov wegen eines Mordes, der dem von ihm mutmaßlich verübten Attentat in Berlin auf verblüffende Weise ähnelt.

Krasikov hatte am 19. Juni 2013 in Moskau einen Geschäftsmann erschossen. Eine Überwachungskamera habe die Tat festgehalten, berichtet die Bundesanwaltschaft. Der Täter näherte sich dem Opfer auf einem Fahrrad, wie sechs Jahre später in Berlin. In Moskau brachte Krasikov sein Opfer zu Fall und schoss ihm in Kopf und Oberkörper. In Berlin feuerte Krasikov vom Fahrrad aus auf den Kopf von Khangoshvili.

Die russischen Behörden löschten die Fahndungsmitteilung zu Krasikov am 7. Juli 2015. Keine zwei Monate später, am 3. September 2015, erhielt Krasikov einen russischen Pass mit dem Aliasnamen Vadim Sokolov. Als „Sokolov“ war Krasikov dann auch in Berlin.

Doch die deutschen Behörden ließen sich bei ihren Ermittlungen zum Mord an Khangoshvili nicht täuschen. Ein Abgleich der Lichtbilder aus der russischen Fahndungsmitteilung von 2014 und dem Reisepass, den „Sokolov“ am Tag des Mordes in Berlin bei sich hatte, ergab, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um dieselbe Person handelt.

Kurz vor dem Attentat in Moabit, am 17. August 2019, flog Krasikov alias Sokolov von Moskau nach Paris. Für die Einreise am Flughafen Charles de Gaulle nutzte er ein Visum, das er sich bei der französischen Botschaft in Moskau auf den Namen Sokolov hatte ausstellen lassen. Dem Antrag auf das Visum lag eine Arbeitgeberbescheinigung bei. Demnach war „Sokolov“ bei der Firma Zao Rust als Bauingenieur angestellt und verdiente monatlich 80000 Rubel, umgerechnet 1100 Euro. Eine fragwürdige Geschichte.

Nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler steht im russischen Handelsregister, Zao Rust habe im Jahr 2018 mit nur einem Mitarbeiter einen Gewinn von 2000 Rubeln erwirtschaftet. Interessant ist zudem die Verbindung zur russischen Regierung. Die Faxnummer von Zao Rust ist dieselbe wie die von zwei Unternehmen, die dem Verteidigungsministerium gehören. Ihm ist unter anderem der Militärgeheimdienst GRU unterstellt. Dieser war verantwortlich für den beinahe tödlichen Giftanschlag auf den Ex-GRU-Oberst Sergej Skripal und dessen Tochter im März 2018 im englischen Salisbury.

Am 20. August 2019 flog „Sokolov“ von Paris nach Warschau. Dort buchte er ein Hotel bis zum 26. August. Am 22. August verließ er jedoch das Hotel. Was er bis zum Attentat auf Khangoshvili am Mittag des 23. August machte, bleibt unklar. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der Beschuldigte vor dem 22. August in Berlin aufgehalten, das Tatopfer ausgespäht oder die Tat vor Ort „logistisch vorbereitet“ habe, sagt die Bundesanwaltschaft. Was sie nicht sagt, aber zu vermuten ist: Womöglich hatte „Sokolov“ Helfer. Womöglich mit Wissen der russischen Botschaft in Berlin. Die Bundesanwaltschaft betont jedenfalls, es lägen keine Anhaltspunkte vor, „dass die Tat im Auftrag eines nichtstaatlichen Akteurs erfolgt ist“. Mit anderen Worten: „Sokolov“ ist mutmaßlich ein Killer im Auftrag Moskaus.

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