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Die französische Autorin Pascal Hugues zu Gast bei den Badenweiler Literaturtage

© picture alliance / Rolf Haid

Mon BERLIN: Von Hundehaufen, Veganern und Jogginghosenträgern

Paris, Stadt der Lichter; Wien, Stadt der Musik; Berlin, Stadt der Hundehaufen, Singles und Taschendiebe. Trotz aller Mühen. Eine Kolumne

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Vergangenen Montag, eingepfercht im Sitz 26A auf dem Flug von New York nach Berlin, sprang mich auf der Titelseite meiner Sitznachbarin in großen Lettern an: Berlin, Stadt der Hundehaufen.

Ich hatte mich so gefreut, in meine Stadt zurückzukehren. Dieser Satz zerstörte mit einem Schlag all meine Vorfreude. Ich stellte mir einen skatologischen Alptraum vor, eine übelriechende Kloake.

Armes Berlin... mit all der Mühe, die sich damit gibt, den Chic einer Metropole zu entwickeln, seit sie wieder Hauptstadt geworden ist. Paris ist die Stadt der Lichter und der Liebe. London, Stadt der Mode. Rom, Stadt der sieben Hügel. San Francisco, Stadt der 42 Hügel! Wien, Stadt der Musik, Quito, Stadt der Kirchen und Klöster. New York, Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, Venedig, Stadt der Träume. Und dann gibt es noch all die Städte der Kontraste, der Magie, der tausend Eindrücke - einfallslose Attribute, die städtische Tourismuswerber in ihre Broschüren schreiben, wenn die Stadt nichts Besonderes zu bieten hat.

Berlin, die grüne Stadt

Aber: Stadt der Hundehaufen… Das unterbietet alles! Sogar Chicago, Stadt der Gangster, hat im Vergleich dazu einen düsteren Charme. Nachdem ich zuhause angekommen war, habe ich also begonnen, all das zu googeln, womit man Berlin normalerweise verbindet.

Und, überraschend, außer: Berlin, grüne Stadt; Berlin, coolste Stadt Deutschlands, oder auch: Berlin, Stadt der Stars (wenn auch nur während der zwei Berlinale-Wochen), entdeckte ich eine deprimierende Liste: Berlin, Stadt der Wildschweine (was eine imposante Menge zusätzlicher Haufen im Grunewalder Unterholz impliziert); Berlin, Stadt der Taschendiebe (ein Reporter der Neuen Osnabrücker Zeitung hatte es gewagt, sich in hellem Tageslicht am Kottbusser Tor aufzuhalten und wenn Sie ihm glauben wollen, waren die Gangster von Chicago nur Pipifax gegen die Taschendiebe Berlins. Was aber nicht überraschend ist - wenn ich mich richtig erinnere, wurde Osnabrück vor ein paar Jahren zur glücklichsten Stadt Deutschlands gekürt). Außerdem: Berlin, Stadt der Singles (das Gegenteil der Liebenden von Paris); Berlin, Stadt der Veganer (was irgendwie noch trostloser ist als Singlesein); Berlin, Stadt der Jogginghosenträger (Stop! Da unterschätzt Berlin seine Konkurrenz: Ich wette, dass jede noch so kleine Stadt im Mittleren Westen der USA mehr Jogginghosenträger beheimatet als die deutsche Hauptstadt).

Aber alles in allem: Kaum positive Qualitäten in diesem Katalog. Schon das illustre arm aber sexy wirkte wie die schamlose Selbstbejubelung eines Angebers, der den Kontakt zur Realität verloren hat.

Berlin, Stadt der Hundehaufen

Von Hundehaufen zu sprechen ist - so wurde ich vorgewarnt - ein schwieriges Unterfangen. Pass auf, sagte man mir, wenn du eine Kolumne über Hundehaufen schreibst, wirst du die Berliner aus ihrer Frühjahrsmüdigkeit wecken! Es wird dutzende Leserbriefe hageln. Sie werden uns überschütten damit.

Hunde, ein delikates Thema in dieser Stadt, wo so viele davon leben: 150 000 sollen es offiziell sein. Nichts wäre mir ferner als mich in diese Debatte einzumischen, die den anderen großen politischen Diskussionen mehr als gewachsen scheint. Mehr als Kriminalität, Verkehr, Schule - fast so sehr wie das Flüchtlingsthema - erhitzen Hundehaufen die Gemüter.

Und doch könnte es alles anders sein. Nehmen wir San Francisco. Stadt der Gays und der Hippies, Stadt der Gourmets (was ist mit Paris?), Fußgängerstadt und vor allem: Sauberste Stadt der USA. Sie können mit einer Lupe spazieren gehen und werden keinen einzigen Hundehaufen auf den Gehsteigen liegen sehen. Und das, obwohl in der kalifornischen Metropole der Hund König ist. Ich habe dort einen Hundemasseur gesehen, eine Hundefrisör, ein unerschwingliches Geschäft für Hundekapuzen, -pullis und -füßlinge. An den Theken der Cafés stehen Weckgläser mit Hundekeksen. Es gibt organic food und gourmet food für Hunde. Einen Metzger für Hunde. Vegetarische Boutiquen für Hunde. Einen Erlebnispark für Hunde. Hundehotels…mit Pool.

Und die armen Berliner Köter dürfen sich nicht mal im Gebüsch rund um den Schlachtensee erleichtern. Aber, Pst, ich wollte mich ja nicht in explosive Debatten einmischen.

Aus dem Französischen übersetzt von Fabian Federl

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