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Pflicht zur Maske. Die Pariser Rue Montorgueil, unweit von Les Halles.

© Serge Arnal /imago images/Starface

Mon Berlin: Masken auf im Hochrisikogebiet!

Ohne Nasemundschutz geht in Frankreich nicht mehr viel - erst recht seitdem Paris ins Coronavisier geraten ist. Eine Kolumne.

In Marseille, Lyon, Lille, Toulouse, Bordeaux und einigen Teilen von Paris ist das Tragen einer Maske seit Neuestem auch im Freien Pflicht – erst recht, seitdem die Hauptstadt (und das Departement Bouches-du-Rhône in der Präfektur Marseille) gerade zu Corona-Hochrisikogebieten erklärt wurden.

Kein Spazierengehen mehr ohne Mund-Nasenbedeckung auf Bürgersteigen, in belebten Einkaufsstraßen, am Seine-Ufer, auf Märkten oder an Touristenorten. Kein morgendliches Joggen mehr ohne Schutz im Jardin du Luxembourg. Und wer weiß, ob wir nicht auch in Berlin bald Masken aufsetzen müssen, um in der Wilmersdorfer Straße einkaufen, im Tiergarten spazieren zu gehen oder uns am FKK-Strand am Wannsee zu sonnen … Ein kleines Rechteck aus Stoff verändert das Gesicht unserer Städte.

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Für Nichteinhaltung der Anordnung gibt es in Frankreich ein saftiges Bußgeld. Wird man erwischt, sind 135 € fällig. Man kann diese Bevormundung verurteilen und an den gesunden Menschenverstand und die Solidarität appellieren. Man kann endlos über das Tragen von Masken streiten und die ideologische Debatte befeuern, die schon so viele Menschen erregt.

Der Zwang als Befreiung

Man kann die Maske als Maulkorb, als unerträglichen Angriff auf die individuelle Freiheit bezeichnen. Oder wie Donald Trump der Meinung sein, so eine Maske beraube Männer ihrer Potenz, und im gleichen sexistischen Atemzug behaupten, sie hindere Frauen daran, Lippenstift aufzulegen.

Man kann aber auch den Zwang in einen Akt der Befreiung verwandeln und in der Maske die Gelegenheit sehen, einmal jemand ganz anderes zu sein. Sonst unscheinbare Menschen trauen sich plötzlich, eine Maske in poppigen Farben aufzusetzen. Schüchterne Menschen wagen es, hinter ihrem Stück Stoff eine freche Bemerkung zu machen.

Praktisch ist es auch, seine Maske der Stimmung anzupassen: grau für depressive Tage, knallrosa für euphorische. Will man die Menschen in seiner Umgebung zum Lachen bringen, setzt man eine Maske mit Zähnen oder einem lustigen Logo auf. Niemand muss aussehen wie ein strenger Chirurg, der gerade aus dem OP-Saal kommt.

Und die politischen Aktivisten nutzen das unverhoffte Fetzchen Stoff, um ihre Botschaft zur Rettung des Planeten an die Menschheit zu bringen. Wird die Maske auf Demos gar das gute alte Transparent ersetzen? Die (großen und kleinen) Staatschefs demonstrieren mit der Maske ihre Macht. Eine riesige Maske in den bayrischen Farben für Markus Söder, eine schicke, dunkelblaue Maske mit einer diskreten Trikolore für Emmanuel Macron. Die Maske ist ein Accessoire, das viel über ihren Träger aussagt.

Die Maske ist das neue Stecktuch

Die Romantiker tragen sie geblümt, die Eleganten stimmen sie mit der Farbe ihres Hemds ab oder lassen sie mit ihren Initialen besticken, wie früher unsere Großväter ihre Taschentücher. Die Masken, die man jeden Tag auf der Straße sieht, zeugen von viel Fantasie. Mit ihnen hebt man sich von den anderen ab, wie früher mit einem Stecktuch, einem Hut oder sogar besonderen Socken

Und warum nicht den Winter erträglich machen, freudig der Pandemie trotzen und Berlin in einen riesigen venezianischen Karneval verwandeln? Masken mit Flügeln und Federn, Masken mit einem gebogenen Schnabel oder einer spitzen Nase, Masken mit Strass, Perlen, Spiegeln. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Und was für ein Vergnügen, sich zu verstecken und zu enthüllen. Und so zu vergessen, dass das Tragen einer Maske von morgens bis abends – natürlich! – nervt.

Aus dem Französischen von Odile Kennel.

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