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In Bedrängnis. Israels Regierungschef Netanjahu muss sich vermutlich vor Gericht verantworten müssen.

© Jim Hollander/dpa

Mögliche Anklage: Die Ära Netanjahu könnte bald abrupt enden

Israels Premier wird wohl wegen Untreue, Betrug und Bestechlichkeit angeklagt. Am 9. April entscheiden die Wähler über seine politische Zukunft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Da ist nichts. Da ist nichts. Da ist nichts. Immer und immer wieder hat Israels Premier Benjamin Netanjahu jeden Vorwurf von sich gewiesen. Ihn wegen Korruption anzuklagen, sei lächerlich, absurd und nichts anderes als eine Verschwörung seiner „linken“ Gegner. Die wollten seine Karriere zerstören. Doch das werde nicht gelingen. Die Vorwürfe würden „bald wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen“.

Nun, das könnte sich als Wunschdenken herausstellen. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hat offenbar genügend belastendes Material zusammengetragen, um den Regierungschef wegen Bestechlichkeit, Bestechung und Untreue anzuklagen.

Das sind wahrlich keine Bagatelldelikte, zumal für einen amtierenden Ministerpräsidenten. Und er wird sich aller Voraussicht nach deshalb vor Gericht verantworten müssen. Seit Donnerstag sind somit auch seine Chancen deutlich gesunken, nach den Wahlen am 9. April eine fünfte Amtszeit als Ministerpräsident anzutreten.

Im Klartext bedeutete dies: Die Ära Netanjahu könnte bald ein abruptes Ende finden.

Wie kaum ein anderer hat der 69-Jährige die Politik des jüdischen Staats dominiert. Und sich an die Macht und ihre vermeintlichen Vorzüge gewöhnt. Zu sehr, wie Kritiker ihm vorwerfen. Selbst Parteigänger und andere Wohlgesonnene rümpfen seit Langem die Nase über einen, der im Stile eines Autokraten - also nach Gutdünken - schaltet und waltet.

Kein Wunder, dass er noch am Donnerstag versuchte, den Generalstaatsanwalt auszubremsen. Netanjahus Likud-Partei schaltete sogar den Obersten Gerichtshof ein. Der sollte verhindern, dass Mandelblits Einschätzung vor dem 9. April publik wird. Weil das eine „beispiellose Einmischung“ in den Wahlkampf darstelle.

Ein Rechtsstaat - die große Ausnahme im Nahen Osten

Die hohen Richter sahen das allerdings anders und ließen den obersten Ankläger gewähren. Recht so. Auch ein Ministerpräsident steht nicht über dem Gesetz. Israels Rechtsstaat funktioniert. Er ist frei von Ideologie und fällt Entscheidungen unabhängig - und für die Bürger ein Glücksfall, den sie zu schätzen wissen. Dass ohne Ansehen der Person wegen möglicher Vergehen ermittelt wird, ist im Nahen Osten die große Ausnahme.

Für Netanjahu gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung. Nur lautet die Frage: Wird er sich um seine Verteidigung ausreichend kümmern können, wenn er im Amt bleibt? Der Premier ist davon überzeugt. Einen Rücktritt schließt er bislang so kategorisch wie selbstherrlich aus.

Am 9. April entscheiden die Israelis über Netanjahus Schicksal

Dabei war es Netanjahu selbst, der 2008 als Oppositionsführer den damaligen Premier Ehud Olmert zum Amtsverzicht drängte, weil dieser unter Korruptionsverdacht stand. Der Demokratie täte Netanjahu einen großen Gefallen, wenn er sich in eigener Sache daran ein Beispiel nehmen würde.

Zu erwarten ist das jedoch nicht. So werden die Israelis am 9. April über das Schicksal ihres Regierungschefs entscheiden. Ob sie einem ihre Stimme geben, der wegen des Verdachts der Korruption angeklagt wird? Selbst Likud-Anhänger werden sich das jetzt ernsthaft fragen.

Die Anklage könnte Netanjahus rechtsnationalem Lager wichtige Stimmen kosten. Dann wäre sein politisches Schicksal wohl besiegelt. Über das Juristische werden Richter befinden. Und nach Recht und Gesetz entscheiden.

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