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Wo Angela Merkel ist, da ist die Mitte.

© Michael Kappeler, dpa

Mitgliederinitiative in der Union: "Mitte" als Kampfbegriff

Im Streit um den Kurs der Unionsparteien sammeln sich die Unterstützer von Kanzlerin Merkel. Die Parteiführung fürchtet jedoch Richtungskämpfe.

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel klang mittelprächtig begeistert. Diese „Union der Mitte“ – das sei eine dieser Initiativen, die es immer mal gebe, befand die CDU-Chefin in ihrer Kanzler-Sommerpressekonferenz. „Das empfinde ich eher als Ausdruck von Lebendigkeit.“ Als Kommentar zu einer Neugründung, deren Mitglieder sich als ihr Fanclub verstehen, war das eher unterkühlt. Tatsächlich hält sich die Begeisterung über den Neuzugang in der CDU-Spitze in Grenzen – nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aus Prinzip. Die „Union der Mitte“ ist bisher nur ein Twitter-Kanal und eine Facebook-Seite. Ein Verband soll daraus auch nicht werden. Gründer Stephan Bloch, CSU-Politiker aus München, nennt sein Ziehkind „Basisplattform“.

Für ihn war der Auslöser der Krawall, den seine Parteioberen mit Merkel und der CDU angefangen hatten. Der 29-jährige Jungunternehmer sah sich in Stil und Inhalt von der Parteispitze nicht mehr vertreten. „Vor allem Horst Seehofer und Alexander Dobrindt standen zuletzt für Streit, Spalterei und sprachliche Verrohung“, kritisierte Bloch und nahm in Anspruch, für die „schweigende oder zu stumme Mitte der Partei“ die Stimme zu erheben. Die virtuelle Truppe ist seit Wochen eifrig unterwegs, verbreitet Kommentare zu allen Fragen, gratuliert Merkel zum 64. Geburtstag und arbeitet sich an der rechtskonservativen „WerteUnion“ ab („AfD-Sprech“). Ihr Twitter-Account verzeichnet aktuell rund 2300 Follower, gut vier Mal so viel wie die ältere Rechtskonkurrenz. Selbst wenn man Journalisten und andere Beobachter von Berufs wegen abzieht, ist das kein schlechter Start.

Logo und Anspruch

Bekennende Mitglieder sind fast durchweg jüngere CDU- und CSU-Mitglieder; die schleswig-holsteinische Kultusministerin Karin Prien und Ex-Generalsekretär Ruprecht Polenz gehören zu den wenigen etwas bekannteren Gesichtern. Andere, noch bekanntere haben auf dezente Anfragen hin abgewunken. Nicht, weil ihnen das inhaltliche Anliegen unsympathisch wäre. Sondern aus Prinzip.

Hinter der Skepsis steht die Sorge vor der Fragmentierung der Volkspartei. Für die CSU, sagt ein CDU-Mann, ergebe eine „Mitte“-Bewegung als Kontrastfanal vielleicht momentan Sinn. Im Bundestagswahlkampf sah sich ja selbst der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel veranlasst, einen Merkel-Wählerklub zu gründen, um zu zeigen, dass seine Partei die Kanzlerin trägt und nicht nur erträgt.

Bei der CDU ist die Lage aber eine andere. Auf der Rückwand im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses prangt seit Ronald Pofallas Generalsekretärszeiten „Die Mitte“ als Logo und Anspruch. Eine „Union der Mitte“ erscheint da schon sprachlogisch sinnlos – was soll das sein? Weißer Schimmel in Schimmelherde?

Gegenwind aus der Zentrale

Nun weiß jeder, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein Graben klafft. Seit langem liefern sich Gegner und Anhänger von Merkels zentralen Entscheidungen Gefechte. Allerdings standen sich die Truppen nie organisiert gegenüber. Wirtschafts- und Sozialflügel sind nur vage „rechts“ und „links“ verortet. Sie achten sogar auf die Unschärfe. Dem Vorsitzenden des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, untersagte einmal sein eigener Vorstand, seine Privatmeinungen als „Chef der mitgliederstärksten Vereinigung in der Unionsfraktion“ zu verkaufen.

Als sich Konservative im „Berliner Kreis“ organisierten, bekamen sie folgerichtig scharfen Gegenwind aus der Parteizentrale: Die CDU habe soziologische, dulde aber keine ideologischen Untergruppen. Die Truppe murrte. Aber ein Gründungsmitglied verstand und zog sich zurück. Der Thüringer Mike Mohring gehört heute zu den stärksten Befürwortern einer Union im Wortsinn, als Vereinigung aus Christlich-Sozialen, Liberalen und Konservativen.

Die Abwehr hat gute Gründe. Einer wie Fraktionschef Volker Kauder etwa hat oft aus der Nähe erlebt, wie sich der Koalitionspartner SPD mit der organisierten Spaltung in Parlamentarische Linke, Netzwerker und Seeheimer selbst das Leben schwer macht. Sachfragen werden da gleich zu Flügelfragen; wenn Journalisten nach „Abweichlern“ suchen, brauchen sie nur aufs Klingelschild zu gucken. Bei der Union dagegen waren selbst die fast 60 „Abweichler“ auf dem Höhepunkt des Griechenland-Streits 60 Einzelne.

Dazu kommen warnende Beispiele aus dem Ausland. Die US-Republikaner zerfielen, als ihre konservativen Ultras die „Tea Party“ gründeten; nur deshalb konnte der Abenteurer Donald Trump reüssieren. Die französischen Konservativen sind in Grüppchen zersplittert, die sich gegenseitig aufreiben.

Wohlige Unschärfe

Die CDU ist davon weit entfernt. Aber auch in der „Union der Mitte“ steckt der Keim zum Eingraben in Stellungskriege. Dass sie ungewollt der „WerteUnion“ aus der Bedeutungslosigkeit verhilft, ist nur ein Randaspekt des generellen Problems: Wenn „Mitte“ zum Kampfbegriff eines Teils der CDU wird, verliert das Wort seine wohlige Unschärfe, unter der sich am Ende alle versammeln können.

Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Gefahr erkannt. Sie forderte unlängst „Respekt“ untereinander und zwischen den „Strömungen“. Die Saarländerin versucht gerade, mit einem neuen Grundsatzprogramm Spaltungslinien wieder zu überbrücken. Das letzte, was sie dabei brauchen kann sind Gruppen, die jeweils namens einer schweigenden Mehrheit die Konflikte schärfer zeichnet. Die CDU müsse sich die Fähigkeit bewahren, „die Position des Anderen auszuhalten“, warnte Kramp-Karrenbauer. Soll heißen: In die Mitte der Union passt mehr als nur eine „Union der Mitte“.

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