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Aggressiv. Erdogans Drohungen gehören zum Wahlkampf, die jüngsten Äußerungen übertreffen aber alles bisherige.

© REUTERS

Mit unfreundlichen Grüßen: Erdogans Drohung in Richtung Griechenland – mehr als nur Vorwahlkampf

Der türkische Präsident stellt erstmals die griechische Souveränität über Inseln in Frage. Das geht weiter als das übliche Säbelrasseln im Wahlkampf.

Kritik an Griechenland sind die Türken von ihrem Präsidenten gewohnt. Doch was Recep Tayyip Erdogan am Wochenende über den Nachbarn und Nato-Partner zu sagen hatte, übertrifft alle bisherigen Drohungen. Erdogan stellte erstmals die griechische Souveränität über Inseln in Ägäis und Mittelmeer in Frage und drohte mit einem Angriffskrieg zur Eroberung der Inseln.

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Seine Landsleute schwor Erdogan auf einen harten und verlustreichen Kampf gegen den Westen ein. Selbst nationalistische Erdogan-Fans waren überrascht. „So offen hat er zum ersten Mal gesprochen“, freute sich der regierungstreue Journalist Ibrahim Karagül.

Für seine Drohung suchte sich Erdogan einen Auftritt bei einer Rüstungsausstellung am Samstag in Samsun an der Schwarzmeerküste aus. Als Erdogan in einer roten Pilotenjacke die Rednerbühne betrat, jubelten ihm zehntausende Zuschauer mit türkischen Fahnen zu.

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Der Dauerstreit eskaliert

Der türkisch-griechische Dauerstreit um Hoheitsansprüche in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer war in den vergangenen Tagen eskaliert. Die griechische Luftabwehr nahm nach Angaben Ankaras türkische Kampfflugzeuge bei einem Aufklärungsflug bei Rhodos ins Visier. Die Türkei hat sich deshalb bei der Nato beschwert, aber Athen weist den Vorwurf zurück.

Anti-griechisches Säbelrasseln ist von türkischen Politikern derzeit noch häufiger zu hören als sonst: Am 30. August beging die Türkei den hundertsten Jahrestag eines Sieges über die griechische Armee in West-Anatolien; die Griechen mussten sich damals aus Anatolien zurückziehen.

Erdogan erinnert an historische Schlachten

Am 9. September 1922 jährt sich die Eroberung der Küstenstadt Smyrna (heute Izmir) durch die türkische Armee. Zehntausende Griechen, Armenier und Juden starben, als die Stadt niederbrannte. Ein Jahr später wurde die moderne Türkei gegründet. „Hey Grieche, erinnere dich an die Geschichte“, sagte Erdogan am Samstag in Anspielung auf die griechische Niederlage vor hundert Jahren. „Wenn du noch viel weitergehst, wirst du einen hohen Preis bezahlen.“ An Griechenland richte er nur einen Satz: „Vergesst Izmir nicht.“

Auch den türkisch-griechischen Streit um Dutzende Inseln in Ägäis und Mittelmeer sprach Erdogan an. Dabei geht es um Lesbos, Chios, Samos und Ikaria vor der türkischen Westküste sowie die Dodekanes-Inseln, die ebenfalls nahe der türkischen Küste liegen und Griechenland gehören – die größte davon ist Rhodos.

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Nach türkischer Auffassung verstößt Griechenland mit Truppenstationierungen gegen Auflagen, unter denen es die Inseln nach den Weltkriegen erhalten hatte. Schon im Juni hatte Erdogan den Griechen deshalb mit Krieg gedroht.„Dass ihr die Inseln besetzt habt, bindet uns nicht die Hände“, sagte Erdogan jetzt an die Griechen gerichtet und signalisierte damit, dass er die griechische Hoheit über die Inseln nicht mehr anerkennt.

„Wenn die Zeit und die Stunde gekommen sind, werden wir das Notwendige tun“, fügte er hinzu. „Wie wir immer sagen: Eines Nachts können wir ohne Vorwarnung kommen.“ Mit diesem Satz hatte Erdogan in der Vergangenheit Militärinterventionen in Syrien und im Irak angekündigt, die dann auch stattfanden.

Der Nato-Führungsmacht USA warf Erdogan vor, Griechenland mit Waffen zu versorgen. Außerdem könne Fethullah Gülen ungestört in Amerika leben; Erdogan beschuldigt Gülen, den Putschversuch von 2016 organisiert zu haben.

Fethullah Gülen, von Erdogan erklärter Staatsfeind.
Fethullah Gülen, von Erdogan erklärter Staatsfeind.

© Matt Smith/dpa

„Wir müssen sehr genau wissen, wer unser Freund ist und wen wir gegen uns haben“, sagte der Präsident, bevor er gegen den Westen insgesamt ausholte: Länder, die der Türkei in der Vergangenheit „Fesseln angelegt“ hätten, warteten auf eine neue Gelegenheit dazu. „Unser Kampf wird schwer und opferreich sein und einen Preis fordern.“ Am Ende warte jedoch ein unbeschreiblicher Erfolg auf die Türkei.

Das ist mehr als Vorwahlkampf

Das griechische Außenministerium erklärte, Athen werde Verbündete und Partner über die „provokativen“ Äußerungen des türkischen Präsidenten unterrichten, damit jeder wisse, wer „mit Dynamit gegen den Zusammenhalt unserer Allianz“ vorgehe. Der Athener Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis nennt die türkische Haltung im Streit um die Inseln „absurd“. Deutschland und die EU hatten sich in den vergangenen Monaten auf die Seite Griechenlands gestellt.

Im türkischen Vorwahlkampf vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr nutzt Erdogan die anti-westliche Rhetorik nicht nur, um von der Wirtschaftskrise in der Türkei und aktuellen Korruptionsvorwürfen gegen seine Berater abzulenken. Die scharfen Töne an Griechenland und die USA dienen ihm dazu, ein Thema zu setzen, bei dem er den Ton angibt – und nicht die Opposition.

Auseinandersetzungen mit dem Westen helfen ihm, seine Zustimmungswerte zu steigern. So legte er im Frühsommer nach seiner Drohung mit einem Veto gegen die Nato-Aufnahme von Finnland und Schweden in der Wählergunst vorübergehend zu.

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