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"Not my President" - Protest gegen Gauck in Sebnitz

© Arno Burgi/dpa

Update

Mit Hakenkreuz und Hassparolen: Proteste in Sebnitz gegen Gauck kamen mit Ansage

Bundespräsident Joachim Gauck ist am Sonntag in Sachsen massiv beschimpft worden. Die rechte Szene hatte seit Tagen mobilisiert - auch Ex-Pegida-Frontfrau Festerling. War die Polizei schlecht vorbereitet?

Von Matthias Meisner

Es waren Proteste mit Ansage. Die Verbalattacken gegen Joachim Gauck am Sonntag in Sebnitz, bei denen der Bundespräsident ein Pfeifkonzert sowie "Hau ab"- und "Volksverräter"-Rufen über sich ergehen lassen musste, waren zu erwarten. Seit Tagen hatte die rechte Szene im Netz in die sächsische Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze mobilisiert.

Nach der Aktion, an der sich laut Polizei bis zu 180 Personen beteiligten, feierten sich Anti-Asyl-Initiativen und andere Rechtsradikale für die Beleidigung des Staatsoberhauptes. Ein von der "Sächsischen Zeitung" veröffentlichtes Foto zeigt einen der Anti-Gauck-Demonstranten mit einem Hakenkreuz-Tattoo.

Eine der treibenden Kräfte beim Protest gegen Gauck war Sven Liebich, früherer Chef der Nazi-Kameradschaft Halle. Drei Tage vor dem Besuch von Gauck beim Deutschen Wandertag veröffentlichte er im Internet einen Aufruf "Der Gauckler kommt nach Sebnitz". Liebich schrieb dazu: "Lasst den Wandertag zu einem Spießrutenlauf für ,IM Larve' werden…" - eine Anspielung auf nicht belegte Vorwürfe, der Bundespräsident könnte Zuträger der Stasi gewesen sein.

Tatjana Festerling, frühere Frontfrau von Pegida, teilte den Aufruf auf Facebook - mit dem Hashtag #ZwickauZeigtWiesGeht. Das sollte daran erinnern, dass Justizminister Heiko Maas bei der 1.-Mai-Kundgebung in Zwickau von rechtsradikalen Demonstranten massiv gestört wurde. Der SPD-Politiker hielt seine Rede damals zwar vollständig, sie war aber durch Pöbeleien und Zwischenrufe kaum zu verstehen. Die Rednerbühne musste von der Polizei beschützt werden. Die Demonstranten nahmen anschließend für sich in Anspruch, Maas aus Zwickau verjagt zu haben.

In Kommentaren auf der Facebook-Seite von Festerling gibt es zu dem Aufruf zahlreiche Beleidigungen gegen Gauck. Als "Verbrecher", "widerlicher Typ" und "Ober-Volksschädling" wird der Bundespräsident in Einträgen zur Protestaktion in Sebnitz beschimpft. Schon Tage vor dem Besuch stimmten sich die Wutbürger ein. "Macht ihn fertig...", schrieb ein Kommentator. In anderen Kommentaren hieß es: "Sammelt faule Eier und Tomaten, sorgt für einen würdigen Empfang", "Nieder mit dieser Kreatur" oder "Wir werden die Systemhure gebührend empfangen".

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Auch die erzgebirgische Anti-Asyl-Initiative "Heimattreue Niederdorf" - sie will mit Rechtsradikalen angeblich nichts zu tun haben - war in Sebnitz vertreten. Sie zog eine positive Bilanz der Proteste gegen Gauck. Der Bundespräsident sei "vom ,Problem-Volk' gebührend empfangen" worden, berichtete sie auf ihrer Internetseite. "Ganz wie es sich für ,Pack' gehört, begrüßte der ,Mob' ihn mit einem kräftigen Pfeifkonzert und jubelnden Rufen wie ,Volksverräter' und ,Hau ab'. Ja Herr Bundes(noch)präsident, so ergeht es einer ,Elite', die auf dem Rücken des Volkes trampelt, die das Land in Gutmenschen und Nazis spaltet und die das Volk, das euch gewählt hat beschimpft und beleidigt."

Liebich, der die Proteste mit organisiert hatte, war am Sonntag in Sebnitz dabei - und besonders aggressiv. Er trug ein T-Shirt "Not my President". Er selbst lobt sich in einem Youtube-Video dafür, "richtig, richtig laut" gegen den Präsidenten geworden zu sein.

Liebich behauptet, schon vor Jahren aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein. Er gilt als Vertreter der Querfrontstrategie. 2014 hatte er in Sachsen einen Aufnahmeantrag in die Linkspartei gestellt und auch einen Mitgliedsausweis erhalten. Die Linkspartei bestreitet eine Parteimitgliedschaft.

Polizei ermittelt wegen Verdachts der Beleidigung

Die Polizei veröffentlichte am Montag einen ausführlichen Bericht zu ihrem Einsatz in Sebnitz. Demnach seien Gauck und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Rathaus von etwa 50 Personen mit Trillerpfeifen, Buhrufen sowie verschiedenen Sprechchören empfangen worden. Etwas später hätten sich am Markt rund 180 Personen unter die Menge gemischt, die lautstark verschiedene Parolen gegen den Bundespräsidenten skandiert hätten. Ermittelt werde deshalb wegen Verdachts der Beleidigung.

Ein 30-Jähriger habe augenscheinlich einen Gegenstand werfen wollen, heißt es weiter im Polizeibericht. Gegen ihn werde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstandes, Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Er hatte eine Gürtelschnalle mit einem Hakenkreuz getragen. Neben diesem Vorfall leitete die Polizei ein weiteres Strafverfahren wegen Widerstandes ein. Die Polizei war mit 60 Beamten im Einsatz.

Der Sebnitzer Oberbürgermeister Mike Ruckh (CDU) spielte die Proteste herunter. Nach seinen Worten haben ungefähr 30 Personen den Besuch des Bundespräsidenten gestört. Der MDR zitierte Ruckh mit den Worten: "Wir wissen, dass ungefähr 90 Prozent nicht aus der Stadt kamen. Wir wissen, dass eine Anmeldung aus Delitzsch vorlag. Pegida Dresden hat sich sehr stark eingebracht, und gewisse Berufsdemonstranten haben zum Teil aus Halle den Weg nach Sebnitz gefunden."

Bereits im März war Gauck bei einem Besuch im sächsischen Bautzen beschimpft und beleidigt worden. Justizminister Maas nannte die Verbalattacken am Sonntag in Sebnitz erschreckend und verstörend. "Wer so agiert wie die Störer von Sebnitz und anderswo, hat jegliches Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung verloren." Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte: "Ich finde es beschämend, dass Menschen zusammenkommen, um den Bundespräsidenten persönlich zu beleidigen und zu verunglimpfen."

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