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Mit Charme, Geschenken und Drohungen: Silvio Berlusconi nutzt alle Tricks, um Italiens Präsident zu werden

Viele Italiener halten es für bizarr, doch der vorbestrafte Ex-Premier könnte tatsächlich neuer Staatspräsident werden. Ihm sind alle Mittel recht.

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Berlusconis Charmeoffensive trägt den Codenamen „Operation Eichhörnchen“: In der unermüdlichen Art, wie die Nagetiere das Jahr über Nüsse sammeln, um im Winter gegen Hunger gewappnet zu sein, sammelt der mehrfache ehemalige Ministerpräsident in diesen Tagen im Senat und im Abgeordnetenhaus Stimmen, um in wenigen Tagen sein letztes großes politisches Ziel zu erreichen: Er will Italiens Staatspräsident werden.

Am 24. Januar beginnt in den 1009 Mitglieder zählenden vereinigten Parlamentskammern die Wahl des Nachfolgers von Amtsinhaber Sergio Mattarella. Und Berlusconi vertraut darauf, in der Stunde x genügend Nüsse respektive Stimmen beisammen zu haben, damit sein Traum wahr und er als 13. Präsident der italienischen Republik in die Geschichte eingehen wird.

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Die Stimmen der Rechtsparteien hat er schon sicher. „Silvio Berlusconi ist die geeignete Figur, um in einer schwierigen Situation dieses hohe Amt mit Würde und Erfahrung auszufüllen“, sagten die Führer des Rechtslagers nach einem Spitzentreffen am Freitag in einem gemeinsamen Communiqué. Der Kandidat verfüge über das „internationale Prestige und die Ausgewogenheit“, die erforderlich seien, um die Einheit der Nation zu repräsentieren.

Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von Lega-Chef Matteo Salvini, der Führerin der postfaschistischen Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni, sowie von den Leadern einige weiterer rechter Parteien. Dass die Parlamentarier von Berlusconis Forza Italia für ihren Parteigründer und Übervater stimmen werden, versteht sich von selbst. Die Wahlkampagne des Cavaliere hatte schon im September begonnen, als er eine psychiatrische Begutachtung im Rahmen des sogenannten Ruby-3-Prozesses ablehnte und erklärte, dass er ab sofort an keinem Gerichtstermin mehr teilnehmen werde.

Viele Italiener können sich Berlusconi im Amt nicht vorstellen

Ein nachvollziehbarer Entscheid: Auftritte an dem Verfahren, in dem vorgeworfen wird, jungen Zeuginnen Schweigegeld bezahlt zu haben, damit sie vor Gericht nichts Pikantes über ihre Rolle bei den früheren „BungaBunga-Partys“ in seinen Villen ausplaudern, wären einer Wahl ins höchste Staatsamt nicht förderlich gewesen. An Weihnachten wurde die zweite Stufe der Kampagne gezündet: Berlusconi hat mehreren Parteiführern und anderen einflussreichen Parlamentariern ein Gemälde aus seiner üppigen Bildersammlung zukommen lassen.

Wenn seine Geschenke, sein Charme und seine Überzeugungskraft nicht ausreichen, dann greift der Ex-Premier zu anderen Mitteln. So drohte er bereits mit dem Koalitionsbruch: Falls statt ihm der aktuelle Premier Mario Draghi zum Staatspräsidenten gewählt werde – was durchaus möglich ist –, dann werde er seine Forza Italia aus der Regierung abziehen.

Sein Traum. Silvio Berlusconi war Ministerpräsident Italiens, nun strebt er das nächste Ziel an.
Sein Traum. Silvio Berlusconi war Ministerpräsident Italiens, nun strebt er das nächste Ziel an.

© Fabio Cimaglia/dpa

Das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Regierungskrise und Neuwahlen bedeuten. Ein solches Szenario erschreckt viele der Senatoren und Abgeordneten: Weil beide Kammern bei der nächsten Wahl um einen Drittel verkleinert werden, droht der Verlust des einträglichen Postens. Auch etliche politische Gegner könnten deshalb in der geheimen Wahl versucht sein, Berlusconi zu wählen – bloß um die Legislatur und damit ihre Privilegien zu retten.

Er steht wegen Sexskandalen noch vor Gericht

Die „Operation Eichhörnchen“ befindet sich nun in ihrer heißen Phase: Berlusconi und sein „Telefonist“ Vittorio Sgarbi rufen die Parlamentarier quer durch das politische Spektrum einzeln an, um für die Wahl des Ex-Premiers zu werben. Und in Zeitungen gibt es Inserate, auf denen ältere Forza-Italia-Politiker in 22 Punkten die menschlichen und politischen Vorzüge des Kandidaten preisen.

Für Millionen Italienerinnen und Italiener ist es dagegen eine bizarre Vorstellung, dass der vorbestrafte Ex-Premier und Milliardär, der außerdem immer noch wegen seiner Sexskandale vor Gericht steht, Staatspräsident werden könnte. Niemand in Rom wagt eine Prognose über den Ausgang der Staatspräsidentenwahl. Fest steht bloß, dass Stimmen des Rechtslagers allein nicht ausreichen werden. Um auf das geforderte Quorum von 505 Stimmen zu kommen und sich seinen Traum erfüllen zu können, müsste sich Berlusconi noch mindestens sechzig bis siebzig Stimmen der politischen Mitte, von Mitgliedern der Fünf-Sterne-Protestbewegung oder aus der Linken sichern.

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