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Theo Waigel bei einer Rede Ende September 2018.

© Sammy Minkoff/Imago

„Mister Euro“ wird 80: Waigel teilt nochmal gegen Stoiber aus

Theo Waigel hat die deutsche und europäische Geschichte geprägt. Pünktlich zu seinem 80. Geburtstag veröffentlicht er seine Memoiren.

Nein, groß feiern will Theo Waigel auch seinen 80. Geburtstag nicht. Nur mit der Familie, Ehefrau Irene Epple-Waigel, Kindern und Enkeln, daheim im Allgäu. „Nur unter uns an Ostermontag mit Kirchgang und Mittagessen“, sagt der frühere CSU-Chef und „Mister Euro“ bei der Vorstellung seiner Autobiografie mit dem Titel „Ehrlichkeit ist eine Währung“ in München. Aber es lasse sich wohl nicht verhindern, dass die CSU auch noch etwas mache.

Pünktlich zu seinem Ehrentag am 22. April gewährt Waigel auf 352 Seiten einen Einblick in sein Leben. Ziel der Autobiografie war es, Persönliches zu erzählen, „ohne Privates preiszugeben. Meine ehrliche Überzeugung sollte zum Ausdruck kommen, Verbiegen war noch nie meine Sache“, schreibt er im Vorwort. Doch nicht jeder Weggefährte dürfte mit Waigels Sicht der Dinge zufrieden seien - geschweige denn ihm dazu gratulieren: Edmund Stoiber (77).

Um den Streit von Waigel und Stoiber zu verstehen, muss man zurückblicken in die Zeit Anfang der 1990er Jahre. Damals war Waigel seit fünf Jahren CSU-Chef und schielte auch auf den Posten des Ministerpräsidenten. Doch der Traum platzte: 1993 unterlag er seinem jüngeren Rivalen Stoiber im Machtkampf um den Posten.

Schon vor Jahren gab Waigel zu, er habe danach überlegt, alles hinzuschmeißen: „Es gab schon Dinge unter der Gürtellinie, die einem wehtun.“ Damals wurde auch Privates - wie die Trennung von seiner ersten Frau - in der CSU thematisiert. In seinem Buch macht Waigel keinen Hehl daraus, dass für ihn Stoiber für die „diffamierende Kampagne“ verantwortlich war - entweder selbst oder zumindest kannte und deckte er die Initiatoren.

Wer Waigels Leben aber auf diese Episode reduziert, wird ihm nicht gerecht. „Es ist ein spannendes Leben gewesen“, betont er. Geboren wurde Waigel, dessen Vorname eigentlich Theodor ist, als Sohn eines Kleinbauern in Oberrohr im nordschwäbischen Landkreis Günzburg.

Theo Waigel mit seiner Frau Irene Epple-Waigel.
Theo Waigel mit seiner Frau Irene Epple-Waigel.

© Andreas Arnold/dpa

Der gläubige Katholik verließ schweren Herzens seine Heimat, um in München und Würzburg Jura zu studieren. So erfolgreich sich seine politische Vita im Rückblick liest, auch er muss in seinem Leben viele Enttäuschungen verkraften - auch davon erzählt er in seinem Buch. Ausführlich geht er dabei auf den Tod seines älteren Bruders Gustl im Zweiten Weltkrieg ein, zitiert aus Briefen von der Front, die für ihn bis heute ein „Zeugnis gegen Krieg und Nationalismus“ sind.

1960 trat Waigel in die CSU ein, in die Junge Union gar schon drei Jahre früher. Von 1982 bis 1989 war Waigel Chef der Landesgruppe, von 1988 bis 1999 CSU-Chef. Bundespolitiker wollte Waigel eigentlich nie werden, lieber wäre er Landrat in seiner Heimat Krumbach geworden. Doch der Landkreis wurde kurzerhand aufgelöst.

1972 zieht er in den Bundestag ein

Dafür eröffneten sich neue Wege: 1972 zieht er in den Bundestag ein, ihm gehört er bis 2002 an. Im Rückblick ist er dafür dankbar, denn zweifelsohne konnte er so an vielen historischen Ereignissen und Entscheidungen teilhaben: vom legendären Kreuther Trennungsbeschluss der CSU 1976 über die deutsche Wiedervereinigung bis zur Europäischen Währungsunion.

Dem legendären Kreuther Trennungsbeschluss, jener Zerreisprobe von CSU und CDU im Bundestag, widmet er sich im Buch in bemerkenswerter Detailtiefe. Sein Tenor ist nicht neu und hatte 1976 schon den damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß zur Weißglut gebracht: „CSU und CDU müssen nicht nur vereint schlagen, sondern auch gemeinsam marschieren. Sie gehören als Einheit zusammen.“ Am Ende blieb es bei einem Strohfeuer, die Fraktionsgemeinschaft blieb bestehen, Strauß gab nach. Gleichwohl hatte die CSU fortan einen Mythos, dem die CSU laut Waigel bis heute viel Kraft und mediale Aufmerksamkeit verdankt.

Theo Waigel an seinem 65. Geburtstag mit Helmut Kohl.
Theo Waigel an seinem 65. Geburtstag mit Helmut Kohl.

© Guido Bergmann/dpa

Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag blieb Waigel der CSU eng verbunden. 2009 machte die Partei ihn zum Ehrenvorsitzenden, damit ist er auf Lebenszeit Mitglied im Parteivorstand. Zudem verlagerte Waigel sein Engagement auch in die Privatwirtschaft - in beratender Funktion arbeitete er mit seinem Sohn in einer Münchner Rechtskanzlei. Und als Vorsitzender der Münchner Europa Konferenz organisiert er regelmäßig überparteiliche Diskussionsveranstaltungen - dank seiner engen Kontakte meist hochkarätig besetzt.

Er gab dem Euro seinen Namen

Keine Frage, Waigels größtes politisches Erbe findet sich aber in Portemonnaies in ganz Europa: der Euro. Als Bundesfinanzminister in der Regierung von Helmut Kohl (CDU) schlug er den Namen 1995 für die gemeinsame europäische Währung vor. Mit Erfolg. Der Europäische Rat gab grünes Licht und bescherte dem CSU-Politiker prompt einen Spitznamen, den er Zeit Lebens behalten sollte: „Mister Euro“.

Theo Waigel zeigt 1997 die neuen Euro-Münzen.
Theo Waigel zeigt 1997 die neuen Euro-Münzen.

© Michael Jung dpa/lby

Natürlich kommt auch Waigels markantestes Merkmal zur Sprache: seine buschigen Augenbrauen, die für Karikaturisten ein Geschenk waren. Sie zu stutzen, komme nie infrage, betont er: „Jetzt im Alter wachsen die Schnurrbärte ungeordneter, ich lasse sie von niemandem verändern. Man sollte zu dem stehen, was man ist. Etliche gut gemeinte Versuche, den Wildwuchs zu zähmen, habe ich abwehren müssen.“

Wer Waigels Buch liest oder ihn trifft, merkt eines sofort: Der dreifache Vater ist - abgesehen von Stoiber - mit sich im Reinen. Anders als viele andere hat er es geschafft, das Ende seiner Karriere ohne Argwohn und Verlustängste zu meistern. „Ohne Irene wäre ich heute - da bin ich sicher - ein trauriger, verbitterter alter Mann“, schreibt er in seinem Buch und dankt dafür seiner zweiten Frau und dem gemeinsamen Sohn: „Mit ihr und Konstantin, der unser Glück vollkommen machte, erfreue ich mich am Leben und blicke gelassen auf das, was noch kommt.“ (dpa)

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