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Aufbauarbeiten für den AfD-Bundesparteitag im sächsischen Riesa.

© dpa

Misstrauen, Machtkämpfe und Intrigen: Bei einigen Rechten liegen vor dem AfD-Parteitag die Nerven blank

Die AfD entscheidet auf ihrem Parteitag über Spitze und Kurs – jedoch ohne die Berlin-Delegierten. Vizechefin von Storch kämpft um ihr politisches Überleben.

Schon seit Monaten dreht sich in der AfD alles um diesen Parteitag: Wenn sich die radikal rechte Partei von Freitag an im sächsischen Riesa trifft, dann geht es nicht nur um die Wahl der neuen Parteispitze, sondern auch darum, welchen Kurs die angeschlagene Partei künftig einschlägt. Es geht um eine Strategie für ihr politisches Überleben.

Doch vor dem Parteitag liegen die Nerven in der Partei blank. Am Mittwoch hat das Bundesschiedsgericht geurteilt, dass die 25 Berliner Delegierten nicht nach Riesa fahren dürfen. Der Grund: Bei der Wahl der Delegierten soll es nicht rechtmäßig zugegangen sein.

Was zunächst nach keiner großen Sache klingt, könnte große Auswirkungen haben. Bei knappen Mehrheitsverhältnissen könnte das Fehlen der Berliner Delegierten den Ausgang der Wahlen zum Parteivorstand beeinflussen.

Zudem könnte der Vorgang für die zweitwichtigste Frau in der AfD das Aus bedeuten: Beatrix von Storch. Die rechte Netzwerkerin mischt seit 2015 an der Spitze der Partei mit und verstand es stets, sich dort zu halten. Doch das Urteil des Bundesschiedsgerichtes könnte ihre Karriere beenden.

„Sie hat sich zu viele Feinde gemacht“

Von Storch wird vorgeworfen auf dem Berliner Landesparteitag, der die Delegierten für den Bundesparteitag wählen sollte, drei Kandidaten der Bewerberliste hinzugefügt zu haben, nachdem diese bereits geschlossen war. Eine unterlegene Bewerberin focht die Wahl daraufhin an. Das Bundesschiedsgericht kam nun, genauso wie vorher das Landesschiedsgericht zu dem Schluss, dass die Wahl der Berliner Delegierten unwirksam war. In dem Schriftsatz, der dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es außerdem, dass nicht ersatzweise die vorherige Delegiertenauswahl geschickt werden kann.

Hat von Storch also versucht zu schummeln? Oder hat sie, wie sie angibt, nur gemerkt, dass drei Bewerber auf der elektronischen Liste fehlen und hat sie noch rechtzeitig hinzufügen lassen? In jedem Fall wird es der 51-Jährigen angelastet werden, dass die Berliner Delegierten nicht am Bundesparteitag teilnehmen dürfen. Dass von Storch wieder an prominenter Stelle in den Bundesvorstand gewählt wird, halten Parteikollegen für unwahrscheinlich.

Auch deshalb vermuten Verbündete, dass das Urteil des Schiedsgerichts politisch motiviert sein könnte. „Sie hat sich zu viele Feinde gemacht“, sagt ein Parteiinsider. Einzelne vermuten sogar eine Intrige: Viele der Berliner Delegierten rechneten sich der „gemäßigten“ Parteiströmung in der AfD zu – ihr Fehlen solle dem rechtsextremen, offiziell aufgelösten „Flügel“ in der AfD helfen.

Der Berliner Landesvorstand hat beim Landgericht einen Eilantrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt, die Delegierten doch noch zuzulassen. Doch das Landgericht hat den Antrag nach Tagesspiegel-Informationen abgewiesen.

Die Wählerbasis der AfD bröckelt

Der Streit um die Berliner Delegierten beschäftigt die AfD vor ihrem vielleicht wichtigsten Parteitag der jüngeren Zeit. Nach dem Abgang ihres langjährigen Parteichefs Jörg Meuthen ist die Wahl der neuen Parteispitze eine Richtungsentscheidung. Tino Chrupalla, der die AfD seit Meuthens Abgang alleine führt und vom extrem rechten „Flügel“ unterstützt wird, hat sein Team bereits vorgestellt. Die vergleichsweise Gemäßigten in der Partei wollen seine Wiederwahl aber verhindern oder wenigstens möglichst viele aus ihrem Lager im künftigen Bundesvorstand vertreten sehen. Doch nachdem einige aus dem Lager der selbsternannten Gemäßigten Chrupalla offen attackiert haben, haben sich die Reihen hinter dem Parteichef geschlossen.

Die Streitereien und Lagerkämpfe sind nicht das einzige Problem, das die AfD lösen will. Denn die Wählerbasis bröckelt. Bei den letzten neun Landtagswahlen verlor die AfD an Prozentpunkten. Die Zeiten, in denen der AfD wie von selbst die Stimmen aus dem Lager der Protestwähler zuflogen, sind vorbei. Das liegt auch daran, dass der radikal rechten Partei ein Mobilisierungsthema fehlt. Viele Nicht-Wähler, die der AfD früher ihre Erfolge bescherten, sind bei den Wahlen in NRW oder Schleswig-Holstein wieder zu Hause geblieben.

Strittig ist in der Partei aber, wie der Niedergang zu stoppen ist. Während die einen meinen, man müsse die Rezepte der radikalen Ostverbände kopieren, machen die anderen genau diese radikale Politik und rechtsextreme Protagonisten wie Björn Höcke für die Misserfolge verantwortlich.

Höcke will dem Parteitag seinen Stempel aufdrücken

Ein Streitpunkt in der Partei ist zudem die Russlandpolitik. Seine Gegner werfen Tino Chrupalla seine russlandfreundliche Politik vor. So hatte er am 27. Februar, drei Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, am Rednerpult des Bundestages Moskau für die deutsche Einheit gedankt. Auf dem Parteitag könnte die AfD nun genau diese russlandfreundliche Haltung zur offiziellen Linie machen. Ein unter anderem von Höcke eingereichter Antrag fordert eine Resolution mit dem Inhalt, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben und die Nato nicht nach Osten zu erweitern.

Ohnehin wird Höcke versuchen, dem Parteitag seinen Stempel aufzudrücken. So wirbt er für die Einsetzung einer Kommission für die Vorbereitung einer „Parteistrukturreform“. Höcke, so wird vermutet, könnte dann versuchen, Chef dieser Kommission zu werden, um den Umbau der AfD nach seinen Vorstellungen voranzutreiben und etwa Parteiausschlussverfahren zu erschweren.

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