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Sicherheitskräfte vor der Antoniuskirche in Colombo

© AFP/Jewel SAMAD

Update

Anschläge in Sri Lanka: Regierung macht einheimische Islamisten verantwortlich

Nach der Anschlagsserie mit mehr als 290 Toten haben die Behörden eine Terrorgruppe beschuldigt. Die Regierung setzte zudem Notstandsbestimmungen in Kraft.

Sri Lankas Regierung hat eine einheimische Islamistengruppe für die Anschläge vom Ostersonntag verantwortlich gemacht. Die Regierung sei fest davon überzeugt, dass die Gruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) die Selbstmordattentate verübt habe, sagte Kabinettssprecher Rajitha Senaratne. Zuvor habe es Hinweise auf Anschlagspläne der Gruppe gegeben. Sri Lankas Behörden überprüfen Senaratne zufolge auch, ob die Gruppe „internationale Unterstützung“ hatte. „Wir glauben nicht, dass eine kleine Organisation in diesem Land all das alleine machen kann“, sagte der Sprecher.

In einem Schreiben an führende Sicherheitsvertreter hatte Sri Lankas Polizeichef Pujuth Jayasundara bereits am 11. April vor Plänen der NTJ gewarnt, Anschläge auf Kirchen und die indische Botschaft zu verüben. Er berief sich dabei auf einen „ausländischen Geheimdienst“. Bislang ist über die Gruppierung nur wenig bekannt. Im vergangenen Jahr wurde sie verdächtigt, hinter der Beschädigung buddhistischer Statuen zu stehen.

Die Regierung rief am Abend den Notstand aus. Der Sicherheitsrat der Regierung habe beschlossen, dem Militär und der Polizei weitreichende Befugnisse zu erteilen, teilte das Büro des Staatspräsidenten Maithripala Sirisena mit. Die Bestimmungen treten demnach um Mitternacht in der Nacht zum Dienstag in Kraft. Während des Bürgerkriegs in Sri Lanka von 1983 bis 2009 hatten fast dauerhaft Notstandsbestimmungen für Armee und Polizei gegolten. So durften Sicherheitskräfte Wohnungen ohne Erlaubnis eines Gerichts durchsuchen. Sie konnten Verdächtige auf Anweisung des Verteidigungsministeriums drei Monate lang einsperren, ohne sie einem Richter vorzuführen.

Sirisena berief zudem ein dreiköpfiges Team ein, um die Serie von Selbstmordanschlägen vom Sonntag zu untersuchen. Dem Team gehören ein Richter des Obersten Gerichtshofs sowie ein ehemaliger Polizeichef und ein Ex-Regierungsbeamter an. Sie sollen in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen.

In der Nähe eines der Anschlagsorte wurde am Montag ein Sprengsatz in einem geparkten Auto gefunden. Bombenentschärfer sprengten das Fahrzeug am Montag in der Nähe der St.-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo, nachdem darin ein Sprengkörper entdeckt worden war, wie die Polizei mitteilte. An einem anderen Ort der Stadt seien an einer Bushaltestelle 87 Zünder sichergestellt worden.

Ein Mann wurde den Angaben zufolge in der Gegend um die Kirche festgenommen. Der Fund des Sprengsatzes und die Sprengung lösten in der Umgebung eine Panik aus, wie Videos in sozialen Medien zeigten. Zeugen berichteten auf Twitter zudem, dass die Polizei den Festgenommenen vor einer aufgebrachten Menge schützen musste.

Forensiker: Angriffe auf Kirchen und Hotels waren Selbstmordattentate

Bei den Explosionen waren nach Polizeiangaben vom Montag mindestens 290 Menschen getötet worden, darunter auch mindestens 35 Ausländer aus mehreren Ländern. Unter den rund 450 Verletzten, die noch in Krankenhäusern behandelt wurden, waren 19 Ausländer. Die deutsche Botschaft in Sri Lanka steht nach Angaben von Außenminister Heiko Maas mit den lokalen Behörden in Kontakt und bemüht sich um Aufklärung, ob auch Deutsche betroffen sind.

Insgesamt gab es am Sonntag mindestens acht Detonationen, darunter drei in Kirchen und drei weitere in Luxushotels. Die Explosionen in der Hauptstadt Colombo, dem nahegelegenen Küstenort Negombo und in der Ostküstenstadt Batticaloa geschahen fast zeitgleich. Wie ein Forensiker des Verteidigungsministeriums Sri Lankas am Montag mitteilte, seien diese sechs Angriffe von Selbstmordattentätern ausgeführt worden. Zu den zwei späteren Explosionen in einem weiteren Hotel und einer Wohngegend in Vororten Colombos gab es zunächst keine näheren Angaben.

In den Kirchen fanden gerade Ostergottesdienste statt. Dort gab es die meisten Opfer. Am Sonntagabend wurde in der Nähe des größten Flughafens der Insel, rund 30 Kilometer von Colombo entfernt, ein Sprengsatz gefunden und entschärft, wie ein Sprecher der Luftwaffe mitteilte.

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Wie Premierminister Ranil Wickremesinghe in einer Fernsehansprache sagte, stammen die 24 bisher festgenommenen Personen alle aus Sri Lanka. Er wolle aber im Ausland um Unterstützung bitten, um herauszufinden, ob die Angreifer Verbindungen zum internationalen Terrorismus hätten. „Wir werden nicht zulassen, dass der Terrorismus in Sri Lanka seinen Kopf erhebt. Alle Maßnahmen werden ergriffen, um den Terrorismus auszulöschen“, sagte Wickremesinghe.

Auch lagen Sri Lankas Geheimdienst Hinweise auf einen möglichen Anschlag vor. Es müsse untersucht werden, warum keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden seien, sagte Wickremesinghe. Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene verkündete eine landesweite Ausgangssperre, die bis zum frühen Montagmorgen galt. Zudem sperrte die Regierung nach seinen Angaben vorübergehend den Zugang zu sozialen Medien. Auch nach Ende der Sperre blieben die Schulen und Universitäten zunächst geschlossen.

Am Montag rief Sri Lankas Regierung den Ausnahmezustand aus. Das Büro von Präsident Maithripala Sirisena teilte mit, der Ausnahmezustand mit zusätzlichen Befugnissen für die Sicherheitskräfte gelte ab Mitternacht Ortszeit, um der Polizei und dem Militär zu ermöglichen, „die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“. Für die Nacht zum Dienstag gilt zudem wieder eine Ausgangssperre.

Die USA warnten unterdessen in ihren neuesten Reisehinweisen, dass die Anschläge in Sri Lanka weitergehen könnten. „Terroristische Gruppen planen weitere mögliche Angriffe“, hieß es darin. Ziele könnten neben Hotels und Gebetshäusern auch andere Orte sein, an denen sich Touristen aufhalten, sowie Einkaufszentren und Verkehrsknotenpunkte. Auch andere Länder wie Australien oder Irland ermahnten Reisende zur Vorsicht. Das Auswärtige Amt rief in seinen Hinweisen Reisende dringend dazu auf, „öffentliche Plätze und insbesondere die Anschlagsorte weiträumig zu meiden, die lokalen Medien zu verfolgen, engen Kontakt zu Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften zu halten und Anweisungen von Sicherheitskräften Folge zu leisten“.

Der 26-jährige Bürgerkrieg endete 2009

Der südasiatische Inselstaat im Indischen Ozean mit seinen tropischen Stränden ist ein beliebtes Touristenziel, auch für Deutsche und andere Europäer. Dort hatte es seit Jahren keinen größeren Anschlag gegeben. 2009 war ein 26 Jahre dauernder Bürgerkrieg zu Ende gegangen. Nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Christen. Die Mehrheit der 20 Millionen Einwohner sind Buddhisten.

Die Anschlagsserie löste international Entsetzen aus. Papst Franziskus gedachte der Opfer vor Zehntausenden Gläubigen in Rom. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich „schockiert über die terroristischen Attacken auf Kirchen und Hotels an Ostersonntag, einem heiligen Tag für Christen überall auf der Welt“. Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident Donald Trump, Russlands Präsident Wladimir Putin, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilten die Angriffe scharf.

Aus Solidarität mit Sri Lanka leuchtete das Rathaus von Tel Aviv in den Farben des Inselstaates. Der Eiffelturm in Paris wollte auf die traditionelle Nachtbeleuchtung verzichten, um der Opfer in Sri Lanka zu gedenken. (dpa, AFP)

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