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Vizepräsident Mike Pence wirbt in Peoria/Arizona um Stimmen für Donald Trump.

© Brian Snyder/REUTERS

Mike Pence – Bindeglied zu den Evangelikalen: „Donald Trump und ich sind sehr enge Freunde geworden“

Einen Tag nach dem TV-Duell tritt der Vizepräsident in Arizona auf – obwohl er es eigentlich nicht darf. Und auch Donald Trump will nicht mehr lange pausieren.

Eigentlich dürfte dieser Auftritt in Peoria gar nicht stattfinden. Wenn die Regeln der amerikanischen Gesundheitsbehörden auch für die eigene Regierung gelten würden, säße Mike Pence im Number One Observatory Circle, der Residenz der US-Vizepräsidenten in Washington, und würde sich von anderen Menschen fernhalten.

Er würde jetzt weder in diesem Vorort von Phoenix im Bundesstaat Arizona zu Anhängern sprechen, noch wäre er am Vorabend zum ersten und einzigen TV-Duell mit der Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris in Salt Lake City (Utah) angetreten.

Denn auch er war am 26. September bei der inzwischen als „Superspreading-Event“ bekannten Zeremonie im Rosengarten des Weißen Hauses, bei der Amy Coney Barrett als Kandidatin für die verstorbene Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg vorgestellt wurde - wie Präsident Donald Trump, die First Lady sowie diverse republikanische Parteigrößen.

Mehr als ein Dutzend der Anwesenden sind inzwischen positiv auf das Coronavirus getestet worden, Trump wurde sogar drei Tage lang im Krankenhaus behandelt und hat seinen Wahlkampf unterbrochen.

Dafür sollte sein Vizepräsident, so viel war rasch klar, Auftritte übernehmen. Immerhin ist die Wahl ja bereits in weniger als vier Wochen. Für einige wenige Tage, zumindest so lange, bis Trump seine angebliche Blitzgenesung inszenierte, war Pence aber auch derjenige, der einspringen würde, sollte der Präsident wegen seiner Covid-19-Erkrankung ausfallen. Der Vizepräsident wäre in diesem Fall qua Verfassung der nächste in der Reihe. Auch deswegen, so hatten Beobachter angemerkt, müsse Pence auf seine Gesundheit besonders gut aufpassen.

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Der sieht das aber offenbar anders und verweist auf mehrere negative Tests, die seine Frau und er zurückbekommen hätten. Dabei sind die Regeln des Centers for Disease Control and Prevention eindeutig: Jeder, der in Kontakt mit einer infizierten Person war, soll sich für 14 Tage in Selbstquarantäne begeben. Da der Vizepräsident auch Leiter der Corona-Task-Force des Weißen Hauses ist, weiß er das eigentlich ganz genau.

Auch Joe Biden und Kamala Harris sind in Phoenix

Aber nachdem Trump seinen für diese Woche geplanten Besuch in Arizona absagen musste, und weil sich für diesen Donnerstag die demokratischen Herausforderer Joe Biden und Kamala Harris angekündigt haben – zum ersten Mal in diesem Wahlkampf -, ist es nun an Pence, die republikanische Basis glücklich zu machen.

Denn Arizona, jener Bundesstaat im Südwesten der USA, ohne den sich die Republikaner noch nie die Präsidentschaft gesichert haben, hat sich auf einmal zu einem „Battleground State“ entwickelt, zu einem der Staaten, in denen die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhersagen.

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Dazu kommt, dass die Wähler hier bereits seit dieser Woche abstimmen können: Am Mittwoch hat das „Early Voting“ begonnen – in Maricopa County, dem Landkreis, zu dem die Millionenstadt Phoenix und Vororte wie Peoria gehören und der den Ausschlag bei der Frage geben wird, wer den Staat am 3. November gewinnt, gab es zum Auftakt gleich mal einen Rekordandrang.

Stundenlang warten die Fans bei knapp 40 Grad in der Sonne

Als Pence um 14.04 Uhr die Bühne auf dem Gelände der Firma TYR Tactical betritt – fast eine halbe Stunde vor der geplanten Zeit –, warten die meist älteren Fans schon geduldig seit mehr als zwei Stunden. Und das bei knapp 40 Grad in der Sonne. Die Nationalhymne wurde bereits vor mehr als einer Stunde gesungen, der Fahneneid aufgesagt, das Gebet gesprochen. Jetzt ist es Zeit für den Hauptredner.

Geschätzt sind 300 bis 400 Anhänger gekommen, fast alle mit Fan-Artikeln wie den roten „Make America Great Again“-Kappen, T-Shirts mit eindeutigen politischen Botschaften oder in amerikanische Flaggen gehüllt. Es sind längst nicht so viele wie bei einer Trump-Rallye, aber immerhin ist es ja ein Werktag.

Die Begrüßung hat Karen Pence übernommen, laut ihrem Ehemann Mike die einzige Frau, mit der er abends essen gehen würde, wie er es einmal ausdrückte. Sie gelten als unzertrennlich, sind seit 34 Jahren verheiratet – und tief religiös: Er sagt über sich, er sei „Christ, konservativ, Republikaner“, und zwar in genau dieser Reihenfolge. Sie stellt ihn vor, indem sie von ihrem gemeinsamen Lebensweg erzählt, bei dem sie stets auf Gott vertraut hätten. Ihr Motto sei „Glaube, Familie und Freiheit“, sagt die Second Lady.

Man nimmt ihm seine Religiosität ab

Der Vizepräsident gilt als wichtige Verbindung zu den evangelikalen Wählern. Anders als dem Präsidenten nimmt man Pence, der vom Katholiken zum Evangelikalen konvertierte, seine Religiosität auch ab. Dass er - sozial konservativ - zutiefst gegen Schwangerschaftsabbrüche und gegen die Gleichbehandlung sexueller Minderheiten ist. Vielleicht sogar, dass ihn sein Glaube daran hindert, an den menschengemachten Klimawandel zu glauben: Er plädiert dafür, dass an Schulen anstelle oder zumindest neben der Evolutionstheorie auch andere Entstehungsgeschichten unterrichtet werden.

Anders als Trump ist Pence aber auch zutiefst loyal. Bei seinen Auftritten in den ersten Monaten der Corona-Krise lobte er immer zuerst ausführlich die Arbeit des Präsidenten. Er bleibt stets kontrolliert und fährt selten aus der Haut. Auch beim TV-Duell am Mittwochabend unterbrach er zwar Kamala Harris ein paar Mal und redete häufig länger als erlaubt. Aber sein Verhalten war auch nicht ansatzweise mit dem von Trump bei dessen Debatte in der Vorwoche vergleichbar.

Als er am Donnerstag über diesen spricht, spielt er auf die offensichtlichen Unterschiede zwischen ihnen beiden an. „Manche Leute glauben, dass wir ein bisschen verschieden sagt“, sagt er und bringt seine Zuhörer damit zum Lachen. „Aber ich sage Ihnen: Wir sind sehr enge Freunde geworden.“ Er habe in den vergangenen vier Jahren nicht einen Tag erlebt, an dem Trump nicht alles dafür gegeben habe, seine Versprechen einzuhalten.

Der eigentliche Star bleibt Donald Trump

Das kommt an. Denn obwohl sie alle hier Pence mögen: Ihr eigentlicher Star ist Donald Trump. Pence weiß das. Und er versucht auch gar nicht erst, mit dem einstigen Reality-TV-Star um Beliebtheit zu konkurrieren. Stattdessen verspricht er, dass der Präsident „früher als gedacht“ wieder zurück im Wahlkampf sein werde. Dass er selbst also seine Rolle als oberster Wahlkämpfer schon bald wieder abgeben wird.

Und tatsächlich: Kurz darauf veröffentlichen Trumps Ärzte eine Erklärung, in der es heißt, an diesem Samstag sei es bereits zehn Tage her, dass der Präsident positiv getestet worden sei. Dann erteilen sie ihm quasi die Erlaubnis, dass er wieder öffentlich auftreten dürfe.

Für den Fall, dass es aber doch noch nicht so schnell geht, sagt Pence am Donnerstag einen für den nächsten Tag geplanten Auftritt in seinem – sicher republikanisch wählenden -Heimatstaat Indiana ab, den er vier Jahre lang als Gouverneur regierte. Stattdessen wird er am Samstag in Florida und am Montag in Ohio erwartet, beides „Swing States“, in denen das Rennen ebenfalls sehr knapp ausgehen könnte.

Weil Pence seine Rolle als Leiter der Corona-Task-Force vor allem so versteht, dass er die Gefahren der Krise trotz der mehr als 210.000 Toten in Amerika öffentlich kleinredet, wird er von vielen kritisiert. Bei der Basis in Peoria indes kommt dies gut an: Der Jubel ist immer dann am größten, wenn er erklärt, dass man die amerikanische Wirtschaft schnell wieder hochfahren müsste.

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