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Bundesinnenminister Horst Seehofer droht Griechenland.

© Imago/Metodi Popow

Mehr Grenzschutz: Seehofer droht Griechenland, alle Asylsuchenden zurückzuschicken

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit kündigt Bundesinnenminister Seehofer Maßnahmen gegen „sekundäre Migration“ an. Nach Osten soll es mehr Grenzschutz geben.

Der scheidende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Griechenland damit gedroht, demnächst alle Asylsuchenden zurückzuschicken, die von dort aus nach Deutschland weiterwanderten. Er habe seinem griechischen Amtskollegen einen Vertrag über 50 Millionen Euro angeboten, damit Flüchtlinge in Griechenland so menschenwürdig untergebracht und versorgt würden, dass auch deutsche Gerichte keine Einwände mehr hätten, sie dorthin zurückzuschicken.

Diesen Vertrag habe Athen aber bisher nicht unterschrieben. Er werde jetzt noch einen Versuch machen, dann würden Asylsuchende, die aus Griechenland kämen und dort womöglich schon als asylberechtigt anerkannt seien, zurückgeschoben. Unter den Herausforderungen der aktuellen Migrationspolitik müsse man sich "zuallererst" der Sekundärmigration widmen, also dem Weiterwandern von Asylsuchenden von einem europäischen Land in ein anderes.

Seehofer will noch in seinen letzten Wochen Druck machen

Sie machte bis September nach den Worten Seehofers 34.000 der 80.000 neuen Asylfälle in Deutschland aus, die meisten seien zuerst in Griechenland angekommen. Die Lösung dieses Problems "duldet keinen zeitlichen Aufschub", sagte der Minister, "auch nicht in einer Zeit des Übergangs zwischen zwei Regierungen".

Seehofer unterstrich dabei, dass die Zahlen dieses Jahres "in etwa im Korridor der letzten 30 Jahre" lägen, Größenordnungen, "die wir immer hatten". "Auf keinen Fall" ließen sie sich mit 2015/16 vergleichen.

Nach den Dublin-Regeln des europäischen Asylrechts ist der Staat für das Asylverfahren zuständig, in dem Asylsuchende zuerst europäischen Boden betreten. Die Verhältnisse, in denen sie in Griechenland wie auch in Italien leben müssen, führen immer wieder dazu, dass deutsche Gerichte verhindern, dass Menschen von dort zurückgeschickt werden.

Auf den griechischen Ägäisinseln sitzen seit Jahren Zigtausende Flüchtlinge fest, oft nicht einmal mit dem Nötigsten versorgt. Die europäischen Staaten scheitern seit langem dabei, Menschen, die die Hilfe der EU brauchen, solidarisch untereinander zu verteilen. Die meisten Schutzsuchenden kamen auch in diesem Jahr aus Syrien, Afghanistan, dem Irak. Seehofer wies dabei auf die steigenden Zahlen aus der Türkei hin.

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Auch gegen die verstärkte Zuwanderung über die europäische Ostgrenze, Polen und das Baltikum, will Seehofer in der ihm verbleibenden Zeit im Amt vorgehen. Er bietet Polen dafür gemeinsamen Grenzschutz an. Acht Hundertschaften der Bundespolizei seien jetzt schon an der deutsch-polnischen Grenze, sagte er.

Minister "bereit, mehr zu tun"

Er sei aber „bereit, mehr zu tun“. Dabei werde er „jeden Schritt eng mit Polen und dem Land Brandenburg abstimmen, solange dies noch in unsere Regierungszeit fällt“. Die Grenze wolle man aber nicht schließen, ergänzte Seehofer. Dies wäre „rechtlich sehr fragwürdig“, von den politischen Folgen ganz abgesehen.

Nach Seehofers Worten geht es um Patrouillen auf gemeinsamem Grenzgebiet, nicht an der polnischen Ostgrenze selbst. Die ist seit einigen Wochen Ziel von Migration, die der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko Richtung EU weiterziehen lässt, soweit er die Menschen nicht sogar über die Westgrenze zwingt. Polen verweigert ihnen den Grenzübertritt, mindestens sieben Personen sind bereits im Grenzgebiet gestorben, teils an Unterkühlung.

Kampieren im Schlamm: Flüchtlinge auf Lesbos vor ihrem Zelt im Dezember 2020.
Kampieren im Schlamm: Flüchtlinge auf Lesbos vor ihrem Zelt im Dezember 2020.

© Anthi Pazianou/AFP

Es werde darum gehen, „mögliche Grenzgänger auf der Grünen Grenze zu identifieren und auch Schleuser dingfest zu machen“. Eine Antwort aus Warschau hat Seehofer nach eigenen Angaben noch nicht. Hilfe der EU-Grenzbehörde Frontex hatte Polen bisher abgelehnt.

Seehofer verteidigte das Vorgehen Polens: "Wir unterstützen die polnische Regierung bei der Abwehr der illegalen Migration." Dies sieht Brüssel allerdings anders: Warschau hat das Grenzgebiet gesperrt und verhindert auch mit Stacheldraht Grenzübertritte von Osten. Mindestens sieben Menschen sind, meist an Unterkühlung, bereits gestorben, weil sie auch nicht auf belarusisches Gebiet zurückkonnten.

Europäische Gesetze verlangen, dass erst einmal geprüft wird, ob Menschen, die Asyl verlangen, ein Recht darauf haben. Das Handeln Warschaus verhindert dies aber.

Pro Asyl: Thema verfehlt

Auf die Frage, ob er in gemeinsamen Patrouillen an dieser polnischen Politik mitwirken werde, äußerte sich Seehofer ausweichend. Der Ansicht, Deutschland habe durch Hilfe für die kroatische Grenzpolizei an deren Menschenrechtsverstößen mitgewirkt, verneinte er.

Er weise dies "absolut zurück", sagte Seehofer. "Wir haben den Kroaten nicht bei rechtswidrigen Maßnahmen geholfen, sondern indem ich ihnen Kameras zur Verfügung gestellt habe. Das übrige werden die Kroaten aufklären." Er warte auf "authentische Information von denen, die verantwortlich sind".

Die kroatische Polizei und der Grenzschutz prügeln Zeugenberichten und Medienrecherchen zufolge immer wieder Flüchtlinge von ihrem Gebiet zurück. Gleiches wurde auch von ihren griechischen Kolleginnen und Kollegen bekannt. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in verbotene und oft brutale "Refoulements", das Abweisen Asylsuchender, verwickelt.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl warf Seehofer vor, er habe beim Versuch, sein flüchtlingspolitisches Vermächtnis darzulegen, "das Thema verfehlt. "Seehofer redet viel von Europa, Humanität und Rechtsstaatlichkeit, jedoch schweigt er zu der eklatanten Verletzung des Asylrechts, der Menschenwürde und des Zurückweisungsverbots an den Außengrenzen", erklärte Pro-Asyl-Europareferent Karl Kopp.

Seehofer wolle Polens Abwehr von Migranten unterstützen. Polen missachte aber internationales und europäisches Recht. "Genau diese Abwehr setzt die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention außer Kraft."

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