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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Presse. Aber es gibt auch Kontakte ohne Kameras.

© John MacDougall / AFP

Merkels vertrauliche Journalisten-Runden: Bundeskanzleramt will Praxis von Hintergrundgesprächen prüfen

Bisher war alles geheim, doch nach einem Gerichtsurteil gegen den Bundesnachrichtendienst bestätigt die Regierung erstmals ihre lang geübte Praxis.

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für mehr Transparenz staatlicher Öffentlichkeitsarbeit hat das Kanzleramt erstmals offengelegt, bestimmte Regierungsinformationen nur von ihm ausgewählten Medienvertretern zugänglich zu machen. „Auf Einladung des Bundeskanzleramts haben 2019 Hintergrundgespräche stattgefunden“, erklärte ein Regierungssprecher auf Anfrage. Bei solchen Treffen zwischen Amtsträgern und Journalisten müssen sich die Teilnehmer zu Stillschweigen verpflichten. Bisher hatte das Kanzleramt die Auskunft unter Hinweis auf die verabredete Vertraulichkeit abgelehnt.

Nach einer Tagesspiegel-Klage gegen den Bundesnachrichtendienst (BND), der regelmäßig solche Art Pressekonferenzen veranstaltet, hat das Bundesverwaltungsgericht den Geheimdienst im September zu entsprechenden Auskünften verpflichtet (BVerwG 6 A 7.18). Demnach muss der BND mitteilen, zu welchen Themen informiert wurde und welche Medien teilnehmen durften.

Details soll es keine geben - auch nicht, ob Merkel dabei war

Dennoch will das Kanzleramt keine Details preisgeben; auch nicht, ob Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anwesend war und wer sie sprechen durfte. Die Regierung beruft sich auf die jahrzehntelange Tradition der Gespräche und darauf, dass Vertraulichkeit Vorrang vor dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit habe. Kritik daran kommt vom Deutschen Journalisten-Verband. „Das Bundesverwaltungsgericht hat geurteilt, und das Bundeskanzleramt tut so, als wüsste es von nichts. Es ist dreist, dass ein höchstrichterliches Urteil einfach ignoriert wird“, kritisiert der Bundesvorsitzende Frank Überall. Erst kürzlich war Merkel für ihren Umgang mit Medien in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass sie immer seltener zu Interviews bereit ist und stattdessen Auftritte unter eigener Regie in digitalen Kanälen ausbaut.

Gleichwohl bleibt auch das SPD-geführte Bundesjustizministerium beim Thema Hintergrundgespräche auf Verweigerungskurs. Der Regierung stehe „das Recht zu, Journalisten im Rahmen von Hintergrundgesprächen Informationen zukommen zu lassen und andere Journalisten von diesem Informationsfluss auszuschließen", hieß es in einer früheren Stellungnahme in einem Gerichtsverfahren. Auf Nachfrage will das Ministerium unter der neuen Führung von Christine Lambrecht nicht davon abrücken.

Man wollte die Urteilsgründe abwarten. Die sind jetzt da

Allerdings ist sich die Regierung unsicher, ob sie die vom Gericht als „selektive Informationsvermittlung“ bezeichnete Praxis weiterführen will. Auf eine Anfrage des Linke-Abgeordneten André Hahn antwortete der Staatssekretär im Kanzleramt Johannes Geismann (CDU), dass es gegenwärtig einen „Prüfprozess“ gebe. Man wolle die schriftlichen Urteilsgründe abwarten.

Die liegen der Regierung seit diesem Wochenende vor. Auf den 24 Seiten stärken die Bundesrichter den aus der Pressefreiheit des Grundgesetzes abgeleiteten Auskunftsanspruch. Zwar dürfe der BND vertrauliche Treffen organisieren. Aber: „Die vereinbarte beziehungsweise vorausgesetzte Vertraulichkeit der Gespräche nimmt sie nicht von Auskünften an die Presse nach Maßgabe des Auskunftsanspruchs aus“, heißt es in den Leitsätzen.

Der BND wollte sich Transparenz entziehen. Aber er darf es nicht

Insgesamt zieht das Urteil den Versuchen, sich Transparenzansprüchen zu entziehen, eine deutliche Grenze. Anders als der BND es gefordert hat, gebe es „keine Bereichsausnahme“ zu seinen Gunsten. Den Auslandsaufklärern stehe auch „kein Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Sicherheitsrelevanz von begehrten Auskünften zu.“ Mit anderen Worten: Ob der BND Einblicke gewährt oder nicht, wird vom Gericht vollständig kontrolliert. Es müsse stets eine „umfassende Abwägung“ zwischen dem Presse-Auskunftsanspruch und entgegenstehenden Interessen der Behörden oder privater Dritter geben.

Im vorliegenden Fall nehme der Kläger das Informationsinteresse der Presse mit seinen Recherchen wahr, die die Beziehungen zwischen Nachrichtendiensten und Presse transparent machen sollen.  „Hierdurch wird die Öffentlichkeit in die Lage versetzt (...), die spezielle Unterrichtung einzelner Journalisten in die Beurteilung von Beiträgen, die den Bundesnachrichtendienst betreffen, einzubeziehen“, heißt es.

Die Auskünfte, zu denen er verpflichtet wurde, hat der BND noch immer nicht übermittelt.

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