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Der russische Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Garten von Schloss Meseberg.

© AFP

Merkel trifft Putin in Meseberg: Im Gespräch bleiben, ohne sich anzubiedern

Warum die Einladung von Österreichs Außenministerin an Putin kein kleiner Fauxpas war und was Merkels Treffen mit ihm bedeutet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Wie halten wir es mit Wladimir Putin? Das ist eine der Kernfragen der europäischen Außenpolitik. Wie geht man mit dem russischen Staatschef um, der derzeit für zwei Kriege – in Syrien und in der Ukraine – verantwortlich ist und dort gegen Völkerrecht verstieß? Wie tritt man einem Präsidenten gegenüber, dessen Armee syrische Wohngebiete bombardiert und der den Kriegsverbrecher Baschar al Assad schützt? Wie begegnet man jemandem, auf dessen Konto Hackerangriffe gehen, die das demokratische System in westlichen Staaten untergraben sollen?

Österreichs Außenministerin Karin Kneissl hat sich entschieden, vor all dem die Augen zu verschließen, als sie Putin zu ihrer Hochzeit einlud. Sie tanzte mit ihm, als sei er ein ganz normaler Ehrengast. Von einem „privaten Besuch“ kann keine Rede sein, und die Einladung lässt sich auch nicht als bizarrer Fauxpas einer Ministerin abtun, die nicht lange im Amt ist.

Strebt Wien im Alleingang eine Annäherung an Putins Russland an?

Denn die rechtspopulistische FPÖ, die Kneissl benannt hat, gehört zu den Parteien in Europa, die einen kremlfreundlichen Kurs anstreben. Der Kreml wiederum bemüht sich seit Jahren um Europas Rechtspopulisten. Zudem hat Moskau ein Interesse daran, dass die Russland-Sanktionen der EU zu Fall gebracht werden. Dabei könnten diejenigen Staaten die entscheidende Rolle spielen, in denen Rechtspopulisten mitregieren.

Zwar hat sich Österreich im Juni einer Verlängerung der Sanktionen nicht entgegengestellt. Doch als sich eine Mehrheit der EU-Staaten im März entschied, nach dem Anschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal Geheimdienstler auszuweisen, die als Diplomaten an Moskaus Botschaften akkreditiert waren, machte Österreich nicht mit. Die peinliche Einladung scheint nun die Befürchtungen zu bestätigen, dass die Regierung in Wien im Alleingang eine Annäherung an Putins Russland anstrebt.

Dass man mit Putin im Gespräch bleiben kann, ohne sich anzubiedern, zeigte das Treffen mit Merkel am selben Tag. Erstmals seit 2013 hat Russlands Staatschef eine Einladung nach Deutschland erhalten, die nicht an einen Gipfelbesuch geknüpft war. Zwar empfing Merkel ihn im malerischen Schloss Meseberg. doch einen Staatsbesuch mit protokollarischen Ehren gab es für Putin nicht. Die Kanzlerin ließ wenig Zweifel daran, dass sie mit Putin redet, weil ihr nichts Anderes übrigbleibt. Sie appellierte indirekt an seine Verantwortung, zur Lösung der Konflikte in Syrien und der Ukraine beizutragen und kündigte an, auch Menschenrechtsfragen anzusprechen. Dass es am Ende keine Ergebnisse gab, ist angesichts der Äußerungen Putins beispielsweise zu Syrien nicht überraschend: Ausgerechnet er forderte die Europäer auf, den Wiederaufbau des zerstörten Landes zu finanzieren.

Merkels größter Fehler ist die Unterstützung für Nord Stream 2

Allerdings ist Merkels Kurs gegenüber dem Kreml keineswegs geradlinig. Ihr größter Fehler in dieser Hinsicht ist ihre Unterstützung für die in der EU umstrittene Pipeline Nord Stream 2. Nun betreibt die Kanzlerin Schadensbegrenzung und will verhindern, dass Moskau bald kein Gas mehr durch die Ukraine leitet. Doch Putin machte in Meseberg klar, dass es dafür keine Garantien geben wird.

In der deutschen Debatte über die richtige Russlandpolitik fordern mehrere Ministerpräsidenten und Lobbyisten aus der Wirtschaft ein Ende der Sanktionen – und damit eine Rückkehr zur Normalität im Verhältnis zum Kreml. Doch wer glaubt, in den deutsch-russischen Beziehungen könne alles wieder beim Alten sein, während in Syrien Zivilisten durch russische Luftangriffe sterben und in Europa ein Krieg kein Ende findet, den es ohne Moskaus Intervention im Donbass nicht gegeben hätte, der denkt bestenfalls provinziell.

Gebetsmühlenartig wird in Deutschland der Satz wiederholt, ohne Russland könne es keine Lösung internationaler Konflikte geben. Das trifft allerdings in erster Linie auf die Konflikte zu, die der Kreml entweder begonnen oder befeuert hat. Darüber sollten diejenigen in Deutschland nachdenken, die Putin am liebsten selbst zum Tanz bitten würden.

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