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Vizekanzler Olaf Scholz und Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag.

© imago images/Future Image

Merkel, Scholz & Co. fädelten den Coup ein: Harter Lockdown per Gesetz – wie es jetzt weitergeht

Per Bundesgesetz wird nun ein harter Lockdown ab dem Inzidenzwert 100 verfügt. Wie es dazu kam, was im Gesetz stehen soll und wie es weitergeht.

Dass es nichts werden würde mit der Bund-Länder-Runde am kommenden Montag, hat den Verantwortlichen in den Ländern schon länger geschwant. Im Grunde genommen seit dem TV-Auftritt der Kanzlerin an jenem Sonntagabend nach dem „Osterruhe“-Debakel.  Die Vereinbarung, den Gründonnerstag und den Ostersamstag quasi als stillgelegte Tage zu definieren, war schnell wieder vom Tisch. 

Was Angela Merkel und die Ministerpräsidentenkonferenz da beschlossen hatten, erwies sich als nicht umsetzbar. Es folgte Merkels prompte Entschuldigung im Bundestag, die Länderchefs schlossen sich solidarisch an, sie waren ja auch dabei.

Seither lag in der Luft, was sich nun am Freitag materialisiert hat und über das Wochenende in Form eines Gesetzentwurfs konkrete Gestalt annimmt: Merkel peilt eine Bundeskompetenz für härtere Lockdown-Maßnahmen an. Nicht mehr mühsam mit den Länder-Leuten verhandeln und dann zuschauen, wie in den Landeshauptstädten – so jedenfalls die Lesart im Bund –  alle machen, was sie wollen.

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Wellenbrecher aus Berlin

Gerade die Umsetzung der „Notbremse“, also der automatischen Umsetzung von Maßnahmen ab einem bestimmten Inzidenzwert, gedacht als Wellenbrecher in der neuen Pandemie-Phase, stieß auf immer mehr Kritik bei Bundespolitikern vor allem der Union.

[Als Abonnent von T+ lesen Sie auch: „Wäre die Priorisierung nicht so starr, könnten wir auch schneller impfen“]

Als auch noch CDU-Chef Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, mit seiner Idee eines „Brücken-Lockdowns“ auf die Linie Merkels einzuschwenken begann, wusste man in den Staats- und Senatskanzleien der Länder, worauf es hinauslaufen würde: Der Bund will mehr Macht, der Bund will ein Zeichensetzen. Und Bund ist in dem Fall gleichbedeutend mit Merkel.

Aber auch in der SPD-Führung gab es offenbar schon seit einigen Tagen Bemühungen, hier nicht ins Hintertreffen zu geraten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nahm sich der Sache an und suchte zusammen mit Fraktionschef Rolf Mützenich nach Wegen, einige SPD-Forderungen – Home-Office- und Test-Pflicht in Betrieben – in den Gesetzentwurf zu bringen. Ob und wie weit SPD-Ministerpräsidenten hier eingeweiht waren, ist zumindest unklar.

Und natürlich hat auch die CSU eine Hand im Spiel gehabt. Der Entwurf ist auch im Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer miterarbeitet worden. CSU-Chef Markus Söder hat, wissend, was kommt, schon länger eine bundeseinheitliche Linie als akzeptabel bezeichnet.

Schäuble signalisiert Zustimmung

Als dann auch noch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstagabend signalisierte, dass das Vorhaben zügig – also als Eilgesetz – durch den Bundestag gehen könne, konnten die Ministerpräsidenten den kommenden Montag anders verplanen. Eine neuerliche Runde mit Merkel machte da keinen Sinn mehr. Bundesregierung und Bundestag würden nun das Ruder übernehmen. Der Bundesrat ist dann zwar mit im Boot. Aber das Vehikel der Ministerpräsidentenkonferenz erst einmal nicht mehr.

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Am Freitagvormittag hat sich die übliche Viererrunde zusammengesetzt, um die Sache endgültig zu machen: Kanzlerin Merkel, Vizekanzler Scholz, Söder, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz. Danach wurden die weiteren Länderchefs davon in Kenntnis gesetzt.

Und was soll nun beschlossen werden? Nach dem am Samstag bekannt gewordenen Entwurf läuft es auf eine bundesgesetzliche Einengung und Verschärfung der „Notbremse“ hinaus. Praktisch  kommt es dann verbindlich auf der Ebene der Kreise zu harten Lockdowns, wenn eine Sieben-Tages-Inzidenz von 100 überschritten wird. 

[Lesen Sie auch: So sehen die Pläne für die bundesweite Notbremse aus]

Der neue Paragraph 28b

Dazu soll ein neuer Paragraph 28b ins Infektionsschutzgesetz eingefügt werden – 28a war schon ein Zusatzparagraph, der ebenfalls ausdrücklich nur für die Covid-19- Bekämpfung gilt. Von dem Schwellenwert 100 an wird dann zwingend vorgegeben, dass eine ganze Reihe von Maßnahmen zu veranlassen ist. Bisher gibt es da – für Länder wie Kommunen – einen Ermessensspielraum. Der ist nun weg.

Ob der Katalog, der in dem Entwurf steht, so Bestand haben wird bis zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens, ist unklar. Aber demnach werden private Zusammenkünfte wieder stark eingeschränkt auf Angehörige eines Haushalts plus einer Person. Es soll dann auch eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr geben. Das ist nichts Neues, lokal wurden die immer schon mal verfügt, in Baden-Württemberg etwa galt sie landesweit, allerdings erst ab einem Inzidenzwert von 150. 

Das öffentliche Leben muss dann wieder heruntergefahren werden – Freizeit- und Kultureinrichtungen schließen, auch die Gastronomie und alle Geschäfte mit den üblichen Ausnahmen für Lebensmittelshops, Drogerien, Apotheken und Tankstellen. Überschreitet sie Sieben-Tage-Inzidenz die 200er-Marke, müssen auch alle Schulen und Kitas geschlossen werden. Nur Notbetrieb ist mögloch, das dürfen die Länder weiter selber regeln.

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Unterhalb der 100er-Marke bleibt es bei der bisherigen Regelung, die im Paragraphen 28a festgelegt ist. Demnach sind erste „breit angelegte“ Schutzmaßnahmen ab einem Inzidenzwert von 35 auf Kreisebene umzusetzen, „umfassende“ Maßnahmen zur Senkung der Infektionszahlen von einem Inzidenzwert von 50 an. Hier können die Länder ohne weitere Konkretisierung im Gesetz handeln wie bisher – also mit Ermessensspielraum.

Schaltkonferenz mit Braun und den Ländern am Sonntag

Das Gesetz soll nun sehr schnell beschlossen werden. Aber auch ein Eilverfahren dauert.  Geplant ist nach Tagesspiegel-Informationen, dass Bundesregierung und Bundestag in der kommenden Woche mit dem Gesetzgebungsverfahren beginnen, damit es in der Woche darauf abgeschlossen werden kann. Der Bundesrat wäre dann kurz darauf dran. Ziel ist es offenbar, dass das Gesetz am 19. April, spätestens aber  am  26. April im Bundesgesetzblatt steht. 

Begründet wird das Vorhaben nicht zuletzt auch damit, nach dem „Osterruhe“-Debakel ein Signal guter Bund-Länder-Kooperation nach außen zu senden. So hat Scholz es am Freitag gesagt, er verwies darauf, dass es eine Gemeinschaftsaktion von Bund und Ländern sei. Offenkundig will er keine größeren Widerstandsaktionen auch von SPD-Ministerpräsidenten – er zieht die Karte des Kanzlerkandidaten.

Aber natürlich geht es ganz ohne die Länderchefs nicht, auch wenn sie nun unter starkem Einigungsdruck stehen. Zu dem am Samstag nach der Ressortabstimmung im Bund an die Länder verschickten Entwurf können durchaus noch Wünsche geäußert werden. Für Sonntagabend ist dann eine Schaltkonferenz zwischen Kanzleramtsminister Helge Braun und den Ländern vorgesehen. 

Und auch eine neue Ministerpräsidentenkonferenz mit Merkel ist schon ins Auge gefasst. Sie soll noch im April stattfinden. Das Thema wird dann die weitere Impfkampagne sein.

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