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Haben etwas zu besprechen: Angela Merkel und Olaf Scholz.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Merkel gegen Scholz: Knall im Koalitionsstreit um Grundsteuer

In der Union herrscht Empörung über Finanzminister Olaf Scholz, weil er eine Kernforderung bei der Grundsteuer übergeht. Angela Merkel will nun mit ihm reden.

Der Konflikt in der schwarz-roten Koalition um die Grundsteuer hat sich über Wochen aufgebaut – am Mittwoch nun kam es zum ersten Knall. Mit der Folge, dass sich die Reform der Grundsteuer, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis Ende 2019 stehen muss, deutlich verzögern könnte. Die Koalition gerät damit immer mehr unter Zeitdruck, den Kommunen könnten im schlimmsten Fall Milliardeneinnahmen zu entgehen.

Der Grund für die Aufregung, die Rückschlüsse zulässt auf die angespannte Stimmung innerhalb der Regierung: Nach Ansicht der Union brachte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) seinen Gesetzentwurf zur Grundsteuerreform am Tag zuvor ohne Zustimmung des Kanzleramtes in die Ressortabstimmung ein, mit der ein Gesetzgebungsverfahren auf Regierungsseite formell beginnt.

Streitpunkt ist ein bayerischer Sonderwunsch

Scholz hatte den 140-seitigen Entwurf am Dienstag in groben Zügen öffentlich vorgestellt und ihn den Kabinettskollegen zugestellt. Nach Unions-Lesart hätte er das nicht gedurft – weil es keine Freigabe aus dem Kanzleramt gegeben habe. Demnach hatte man in der Regierungszentrale den Eindruck, dass die Vorkoordinierung - im Regierungsjargon "Vorhaben-Clearing" genannt - zwischen den Ministerien noch nicht beendet war.

Im Kern geht es um eine vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder geforderte Öffnungsklausel für abweichende Länderregelungen, die von der Unions-Bundestagsfraktion unterstützt wird, aber im Scholz-Entwurf fehlt. Auch die Kanzlerin steht hinter dem Anliegen: In der Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch sagte sie auf die Frage eines SPD-Abgeordneten, sie habe „durchaus Sympathien“ für die Forderung, Abweichungsmöglichkeiten für Länder vorzusehen. Man werde mit Scholz darüber reden.

Im Finanzministerium sieht man die Sache anders: Da nach der üblichen Frist kein Signal aus dem Kanzleramt gekommen sei, den Entwurf noch nicht vorzulegen, habe man ihn in die Ressortabstimmung eingebracht. Diese sei nun angelaufen. Berichte, das Kanzleramt habe das Verfahren gestoppt, wurden zurückgewiesen. Das Kanzleramt könne eine Ressortabstimmung nicht stoppen. Jedes Ressort und damit auch das Kanzleramt könne allenfalls der Versendung der Vorlage zur Stellungnahme an Länder und Verbände widersprechen, hieß es in Regierungskreisen.

Nun droht eine erhebliche Verzögerung

Angesichts des Konflikts droht nun jedoch eine Verzögerung des Kabinettsbeschlusses, bis der Streit um die Öffnungsklausel beigelegt ist. Laut Scholz sollte das Kabinett noch im April den Entwurf verabschieden. Die Kommunen, denen die Grundsteuer zufließt, appellieren schon seit Wochen an die Koalition, das Verfahren zügig zu beenden – sie fürchten den Verlust von derzeit 14,8 Milliarden Euro an Einnahmen. „Ein Erfolg der Grundsteuerreform darf nicht durch neue Sonderwünsche aus Bayern gefährdet werden, die auf einen rechtlichen Flickenteppich von Grundsteuer-Modellen in Deutschland hinauslaufen würden“, kritisierte SPD-Fraktionsvize Achim Post.

In der Sache geht es darum, dass die CSU und Teile der CDU das von Scholz vorgelegte Reformmodell ablehnen, weil es aus deren Sicht zu sehr auf Wertkomponenten wie Bodenrichtwerte und Nettokaltmieten abstellt. Bayern hatte stets ein Flächenmodell favorisiert, auch mit der Begründung, dieses sei einfacher und weniger bürokratisch. Mit der Forderung nach einer Öffnungsklausel verbindet man in München die Hoffnung, durch eigene Regelungen näher an das Flächenmodell heranrücken zu können. Aus den Ländern gibt es - mit Ausnahme der baden-württembergischen CDU - derzeit keine Unterstützung für die Öffnungsklausel.

Wert- oder Flächenmodell?

In der Unions-Fraktion stützt man das Anliegen, weil man darin einen Hebel sieht, generell das Scholz-Modell weniger wertabhängig zu gestalten. Einen Gesetzentwurf ohne Öffnungsklausel sieht man als Nachteil, weil man fürchtet, dass eine Einbringung im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Bundestag angesichts des Zeitdrucks schwierig werden könnte. Daher hatten sich Söder und Fraktionspolitiker der Union bei Scholz seit Wochen vehement dafür eingesetzt. Söder nannte die Vorlage des Entwurfs ohne Öffnungsklausel "enttäuschend". Dazu kommt auch, dass Scholz mehrfach Unions-Ministern die kühle Schulter zeigte. So ließ er Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit dem Wunsch nach einer Unternehmenssteuerreform auflaufen.

In SPD-Kreisen wurde Innenminister Horst Seehofer (CSU), der sich als Anwalt bayerischer Interessen versteht und als Kabinettsmitglied nun die Verzögerung bewerkstelligen kann, und Kanzleramtschef Helge Braun, eine unrühmliche Rolle attestiert. Das Kanzleramt ziehe zunehmend die Dinge an sich - und am Ende verheddere man sich dann komplett. "Wir hatten diverse Runden schon dazu", hieß es. Das wird in Unions-Kreisen bestätigt - mit dem zusätzlichen Hinweis, dass dabei eben stets die Forderung nach einer Öffnungsklausel im Gesetzentwurf erhoben worden sei.

Wie es heißt, gibt es für das Vorgehen von Scholz einen Präzedenzfall aus jüngster Zeit: Auch bei einem Gesetz, in dem es um Anzeigepflichten für Steuergestaltungsmodelle geht, habe Scholz die Zustimmung des Kanzleramts nicht abgewartet. Die Frage ist nun, ob das Thema in einen Koalitionsausschuss der Partei- und Fraktionsvorsitzenden gezogen werden muss. Das nächste reguläre Treffen ist allerdings erst für den 16. Mai geplant.

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