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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim digitalen Petersberger Klimadialog.

© Filip Singer/dpa

Merkel beim Petersberger Klimadialog: Hausaufgaben für die Nachfolgeregierung

Zum letzten Mal ist die Kanzlerin zu Gast beim Petersberger Klimadialog. Wie es in Deutschland konkret beim Klimaschutz weiter geht, erklärt sie nicht.

Wer auf ein Zeichen von Demut gewartet hat, wird von Angela Merkel enttäuscht. Es ist der letzte Auftritt der Bundeskanzlerin beim Petersberger Klimadialog, den sie vor elf Jahren ins Leben gerufen hat, um wieder Vertrauen in die internationale Klimadiplomatie zu bringen.

Es ist genau eine Woche her, dass ihre Regierung vom Bundesverfassungsgericht bescheinigt bekommen hat, die Interessen der jungen Generation nicht genügend bedacht zu haben. In gewohnt nüchterner Art trägt Merkel vor. Sie spricht von einem „wegweisenden Urteil“ und davon, dass der Weg zur Klimaneutralität nun „konkreter“ beschrieben werden müsse.

Deutschland soll 2045 klimaneutral werden

Wirklich konkret geworden ist Merkel bisher allerdings nur bei den Jahres- und den Prozentzahlen. Bis zum Jahr 2030 werde Deutschland den Ausstoß der Treibhausgase um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren, kündigt sie den per Videokonferenz zugeschalteten Klimaminister:innen aus rund 40 Ländern an. Und sie berichtet, was sie schon am Tag zuvor in Aussicht gestellt hat: „Wir werden bereits 2045 Klimaneutralität anstreben.“ Fünf Jahre früher als bisher geplant sollen die Wirtschafts- und Lebensweise so umgestellt sein, dass Deutschland unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstößt.

Doch ob die Bundesregierung vor der Bundestagswahl mehr hinbekommen wird als abstrakte Zielzahlen, ist fraglich. Wie genau der Weg zur Klimaneutralität aussieht und was er für Verbraucher:innen und Betriebe bedeutet, skizziert Merkel in ihrer Rede nicht. Sie verweist lediglich darauf, dass sie einen CO2-Preis, der klimaschädliches Verhalten verteuert, für ein „besonders geeignetes Instrument der Lenkung“ halte. Es wäre gut, wenn ein solcher Preis „Schritt für Schritt“ auch weltweit eingeführt werden könne, sagt die Kanzlerin.

In Europa gibt es bereits einen Handel mit Verschmutzungsrechten. Und auch auf nationaler Ebene wurde in Deutschland Anfang 2021 ein Preis auf Heiz- und Kraftstoffe eingeführt. Schon jetzt führt er zu einer Verteuerung von Diesel und Benzin um wenige Cent, auch Heizöl kostet mehr. Wenn Union und SPD in den nächsten Tagen über eine Novelle des Klimaschutzgesetzes beraten, wird es auch um genau diese Frage gehen: Wird der CO2-Preis spürbar angehoben?

Emissionen im Energiebereich sollen bis 2030 mehr als halbiert werden

Der Entwurf der Klimaschutzgesetzes, der dem Tagesspiegel vorliegt, gibt darauf noch keine Antwort. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) macht aber schon Vorschläge, in welchem Umfang die Sektoren in in den nächsten Jahren zu einer Reduzierung der Treibhausgase beitragen sollen. Besonders stark betrifft das die Energiewirtschaft, in der die Emissionen ohnehin am höchsten ausfallen und Einsparungen sich am schnellsten realisieren lassen. Hier soll der Ausstoß der Treibhausgase sich mehr als halbieren, von aktuell 280 Millionen Tonnnen auf 108 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Das wird voraussichtlich nur funktionieren, wenn der Kohleausstieg beschleunigt wird oder der Ausbau bei Windkraft und Sonne deutlich mehr Tempo gewinnt.

Ein anderes Beispiel ist der Verkehr: Hier soll der Ausstoß von aktuell 150 Millionen Tonnen CO2 auf 85 Millionen Tonnen bis 2030 sinken. Was für eine immense Umstellung das mit sich bringen wird, lässt sich erahnen, wenn man sich die Emissionen aus der Vergangenheit anschaut. Die bewegen sich seit 1990 auf konstantem Niveau, mit Ausnahme des Pandemie-Jahrs 2020, in dem es einen leichten Rückgang gab. Massive Einsparungen werden sich hier wohl nur erreichen lassen, wenn viel mehr Menschen in den öffentlichen Nahverkehr und auf emissionsfreie Autos umsteigen – und die Hersteller ihre Produktlinien umstellen.

Noch ist der Gesetzentwurf innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmt. Bis zur Kabinettssitzung am kommenden Mittwoch soll eine Einigung her. Während Unionspolitiker sich vor allem für eine Anhebung des CO2-Preises aussprechen, wirbt Umweltministerin Schulze für einen stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Absehbar ist eines: Zu einem großen Teil wird es Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen – also eine Aufgabe für Merkels Nachfolgerin oder Nachfolger.

Im Kreise der Klimaminister:innen an diesem Nachmittag ist jedenfalls Merkels Expertise als Verhandlerin gefragt. Die Schweizerin Simonetta Sommaruga bedankt sich für Merkels „Führungsrolle“ und will von ihr wissen, wie sie 1997 in Kyoto, damals noch als Umweltministerin, das erste internationale Klima-Abkommen hinbekommen habe. Auch Costa Ricas Umweltministerin Andrea Meza Murillo betont, Merkel sei „seit jeher eine wichtige Stütze“ im internationalen Klimaprozess gewesen.

Doch dann kommt sie auf den Punkt zu sprechen, bei dem viele sich an diesem Nachmittag mehr Klarheit gewünscht hätten: bei den konkreten Zusagen Deutschlands, mehr Geld für Entwicklungsländer zur Verfügung zu stellen, um in Klimaschutz zu investieren. Da müsse erst noch „mehr Vertrauen“ in die Industrieländer entstehen. "Wir befinden und jetzt in entscheidenden Dekade, wir müssen den Klimaschutz beschleunigen", sagt sie.

Noch keine konkreten Finanzzusagen für den globalen Süden

Merkel hatte in ihrer Rede lediglich auf das Versprechen der Industrieländer verwiesen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung bereitzustellen. "Wir brauchen internationale Solidarität", sagte sie. Den Betrag von 4,3 Milliarden Euro, den Deutschland 2019 aufgebracht habe, bezeichnete sie als "fair". Auch nach 2025 werde Deutschland seinen Beitrag leisten.

In die nächsten Jahre blicke sie allerdings mit Sorge, sagte die Bundeskanzlerin. Die Pandemiebekämpfung habe in den Industrieländern "wahnsinnige Haushaltslöcher" gerissen, der Haushaltsduck in den entwickelten Ländern werde groß sein. "Trotzdem dürfen wir in der internationalen Verantwortung nicht nachlassen", sagte sie.

Aus Sicht des WWF greifen Merkels Ankündigungen zu kurz. "Wir brauchen nun Greifbares. Dazu zählen mehr Mittel für Länder des globalen Südens, um dort Klimaschutz und Klimaanpassung voranzubringen", sagte Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand beim WWF Deutschland. Aufgrund historischer Emissionen habe Deutschland eine besondere Verantwortung bei der Klimafinanzierung und hätte sie eigentlich von 4 auf 8 Milliarden Euro ab 2025 erhöhen müssen. "Die Kanzlerin hat leider nur schöngerechnet, statt ihrer Verantwortung gerecht zu werden", kritisiert Brandes.

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